[419] Neuseeland. Oestlich von der Südspitze des großen Festlandes von Australien erheben sich zwei durch eine Meerenge getrennte Inseln aus dem großen Ocean, die zu den bedeutendsten Inselgruppen des 5. Welttheils gehören und 4300 Quadrat M. umfassen. Man nennt sie Neuseeland und verdankt ihre erste Kenntniß dem großen Cook, der sie auf seinen dreimaligen Weltumseglungen besuchte. Der erste Entdecker jedoch war (1642) der Holländer Tasmann, welcher aber bei der feindseligen Stimmung der wilden Ew.[419] nicht zu landen wagte. Die südliche Insel ist ein gebirgiges, unfruchtbares, wenig bevölkertes Land. Schneebedeckte Berggipfel ragen dort hinauf in den azurblauen Himmel; senkrechte Felsen steigen, den hohen Uferrand bildend, aus den blauen Wellen herauf; nirgend findet sich ein ausmündendes Flußbett, nirgend eine gastliche Bucht, die dem Seefahrer das geheimnißvolle Innere dieses wilden, unzugänglichen Landes öffnete. Freundlicher und wahrhaft einladend durch eine herrliche Vegetation, ein mildes, heiteres Klima, ist die nördliche Insel. Bewaldete Berge sieht man dort ansteigen, sanft und allmälig, aber doch in den kolossalen Verhältnissen, die für jene transatlantischen Welttheile so charakteristisch sind. An 14,750 F. hoch steigt der Pic Egmont aus der Mitte der Bergketten herauf, die das reich begabte Land durchziehen. Flüsse und Bache durchfurchen den grünen Teppich der reichen Landschaft und öffnen an der Seeküste durch freundliche Buchten und Hafen das einladende Innere den Reisenden, die hier zu landen wagen. Denn noch hat die Civilisation wenig Raum gewonnen unter den etwa 109,990 wilden Bew. Einige Niederlassungen der Engländer und Missionaire haben wenig vermocht, den rohen Sinn der Urbewohner zu mildern und ihre Sitte, Menschenfleisch zu essen, auszurotten. Hier begegnen sich Contraste der seltsamsten Art. Es ist ein schöner Menschenschlag dieses Volk von Neuseeland; die Männer zeigen große, kräftige Gestalten, so schön gebauet, daß sie einem Künstler zum Modell dienen könnten, schönes Haar, wild, aber malerisch bekleidet mit dem zottigen Gewebe eines aus Pflanzenstoffen verfertigten Mantels, so würde man sie mit Bewunderung betrachten, wenn nicht ihr wilder Blick, die dunkle Hautfarbe des übrigens nackten, aber kunstreich tättowirten Körpers den edelsten Naturformen ein abschreckendes Ansehen gäben. Blaue Gesichtszeichnungen, schwarze und rothe Kreise, Knochen- und Muschelzierathen im Nasenknorpel, in der Lippe und den Ohren können wohl den dortigen Stutzer eitel machen; aber dem Europäer sind solche mit der Steinaxt, dem[420] Wurfspieß und mit Bogen und Pfeilen bewaffnete Krieger entsetzliche Erscheinungen. Desto angenehmern Eindruck machen die weichern und gefälligeren Formen der Frauen, die, weniger entstellt durch die Pracht des Tättowirens, anziehen durch den sprechenden Blick ihrer schönen Augen, das seidenweiche, gelockte Haar und die größere Zierlichkeit ihrer wenig Reize verhüllenden Kleidung. Um sie reizend zu finden, muß man sich freilich erst an ihre blaugefärbten Lippen gewöhnen. Obgleich dort unbeschränkte Vielweiberei herrscht und der Mann das treulose Weib mit dem Tode bestraft, zu dem noch junge Sclavinnen ohne Scheu für seinen Harem hält, so stehen doch im Allgemeinen die Frauen weniger auf der Stufe der Sklaverei als bei andern wilden Völkern. Der Neuseeländer liebt übrigens seine Kinder, ist sanft und gastfrei gegen Fremde, verträglich gegen Freunde, heiter und gesellig, wenn seine wilden Leidenschaften nicht aufgeregt werden, und sein Aberglaube, besonders das Tabu, oder Heilighalten gewisser Orte, geschont wird. Seine Piroguen, mit kunstreichem Schnitzwerk, so wie manches sinnreiche, zierlich gearbeitete Geräth geben schon einen bedeutenden Vorschritt zur Civilisation zu erkennen, und dennoch ist Mord dort kaum ein Verbrechen, und Menschenfleisch, gebacken und gesotten, gilt einen großen Leckerbissen. Nicht allein die gefangenen Feinde sind es, die Kannibalenwuth zerfleischt, sondern Sclaven, selbst junge schöne Sclavinnen, die durch irgend einen Fehler den Zorn ihrer Gebieter erweckt haben, werden von diesen und ihren Freunden zur Strafe festlich geschlachtet, in Gruben gebraten und dann verzehrt, während die abgeschnittenen Köpfe ein Leckermahl für die Hunde im Gebüsch bilden. Ueberhaupt herrscht neben der Vielweiberei auch das Ungeheuer der Sclaverei auf dieser Insel. Darum wohnen aber auch die Neuseeländer in befestigten Dörfern, die auf schwer zugänglichen Höhen angelegt und mit doppelten Pallisaden und Gräben umgürtet sind. Merkwürdig ist in Neuseeland noch die Seltenheit der Säugethiere, von welchen es nur [421] Hunde, Ratten und Fledermäuse gibt, wogegen das Reich der Vögel hier zu herrschen scheint. Geier lauern auf den Gipfeln der Bäume auf die Ueberbleibsel der Kannibalenfeste; das Albatroß dieser Schnellsegler der Lüfte in den wildesten Seestürmen vermag sich vom Boden der Sanddüne, wo er brütet, mit seinen langen Flügeln nicht zu erheben und sucht daher die schrägen Flächen; das seltsame Geschlecht der Steißfüße und Fettgänse treibt dort sein wildes Gezisch dem Jäger entgegen, der die Wehrlosen zu Hunderten erschlägt. Die Neuseeländer haben Oberhäupter, Priester und Religionsvorstellungen; zum Christenthume sind bis jetzt nur wenige bekehrt. Ein vorzüglicher und werthvoller Ausfuhrartikel ist der Flachs. Die daraus gefertigten Zeuge haben einen Seidenglanz, sind aber bedeutend stärker als Seide und können daher überaus dünn gewebt werden, wodurch sich ihre unangenehme Steifigkeit verliert. Teppiche aus Seidengras verfertigt, sind von großer Dauerhaftigkeit; fehlt ihnen auch die Weiche der wollenen Teppiche, so nimmt doch ihr Gebrauch schnell zu und die Fabriken dieser Art in England werden vergrößert. Außerdem sah Forster dort 250 Arten neuer Gewächse, unter diesen sind wilder Sellerie, Arumwurzeln, Pataten, Theemyrten und Sprossentannen (wovon die beiden letztern einen trefflichen Thee, als Mittel gegen den Scorbut, geben) und dann die Kohlpalme bemerkenswerth. Auch gedeihen alle europäische Früchte, welche die Missionaire anpflanzen. Marmor, Granit und Halb-Edelsteine finden sich häufig.
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