Nordlicht

[445] Nordlicht, vielleicht die herrlichste Erscheinung, welche die Natur dem Auge des entzückten Beobachters bietet. Die Bewohner der Polarländer, in halbjährige Nacht gehüllt, sind für die [445] Entbehrung des Tageslichts zum Theil entschädigt worden, indem ihr Himmel durch die Aurora Borealis, den Nordschein, auf das Herrlichste erleuchtet wird. Am nördl. Himmelsrande, von uns aus immer westlich, erhebt sich bogenförmig eine helle Wolke, die immer höher steigt, bis unter ihr der dunkle Nachthimmel sichtbar wird und eine genau begrenzte Brücke von mehreren, oft 80 Gr., bildet. Von diesem Bogen steigen theils senkrecht, theils schräg über das Himmelsgewölbe laufende Strahlen, die, wenn. gleich mit zunehmender Geschwindigkeit, doch solchergestalt entströmen, daß man sie mit dem Auge verfolgen kann. Diese Strahlen, oder vielmehr breiten, bandartigen Streifen, sind von den prachtvollsten, lebhaftesten Farben, und strömen das mildeste, klarste Licht aus. Immer lebendiger wird dieses Spiel, die anfänglich geraden, säulenartigen Streifen beginnen sich zu schlängeln, sich gegenseitig zu nähern und zu verbinden; es streben die grünen, gelben, blauen, rothen Flammen immer höher hinauf, die Lichtstärke nimmt in jedem Momente zu, und vereinigt endlich ihre flammenden Lichtpfeile in eine Glorie, in der sogenannten Krone. Dieß ist der Moment der höchsten Pracht des Nordlichts. Ein dunkler Fleck, doppelt so breit wie die Sonnenscheibe, ist von einem hellen, weißen, scharf begrenzten Kranze umgeben, von welchem hinab sich die buntfarbigen Strahlen nach allen Himmelsgegenden senken, sich mit den aufstrebenden Strahlen vereinigen, die so zum Zenit emporsteigen, wie jene zum Horizont niedersinken. Mehrere Naturforscher behaupten, das Nordlicht mache ein Geräusch, ähnlich dem, wenn ein heftiger Wind in die Flamme einer Feuersbrunst bläst. Andere bestreiten dieß, indem sie anführen, daß es in Licht, Farbe und Bewegungsart die größte Aehnlichkeit mit der Elektricität im luftleeren Raum hat, und diese völlig geräuschlos ist. Das Nordlicht erscheint hoch oben über dem Magnetpol, ist aber in seiner größten Ausdehnung bis nach Portugal sichtbar, was auf eine Höhe von 400 M. schließen läßt. Die innige Verbindung, ja die Identität von Elektricität[446] und Magnetismus ist in neuester Zeit erwiesen, mit ihr die Verbindung des Nordlichts mit diesen Kräften, weßhalb man auch auf die Einwirkung des Nordlichts gegen die Magnetnadel die Aufmerksamkeit gerichtet, und sie als unzweifelhaft gefunden hat. Auch am Südpol hat man ein dem Nordlicht ähnliches Meteor, also ein Südlicht (wie Forster 1773 zu öfteren Malen) beobachtet. Am häufigsten zeigten sich die Nordlichter vom 18. Jahrhundert an; eins der prächtigsten beobachtete und beschrieb 1804 Parrot in Dorpat.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 445-447.
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