[453] Nothtaufe. Der fromme Glaube des zweiten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung meinte, daß alle nicht auf Christum getaufte Menschen in ewiger Verdammniß schmachten müßten. Für liebende Aeltern war dieß ein furchtbarer Gedanke. Ihre neugebornen Kinder, welche, aus körperlicher Gebrechlichkeit, bald nach der Geburt starben, sollten sie in Qual wissen. Auch der göttlichen, durch Christum erworbenen, Gnade konnten die armen Kleinen nicht theilhaftig werden, und eine Wiedervereinigung mit ihnen durften sie einst nach dem Tode nicht erwarten. Die Kirche, immer und immer besorgt, alle ihre Glieder zu beglücken, wußte auch hier ein Mittel der Rettung zu finden. Sie lehrte nämlich, daß ein neugeborenes Kind, welches in seiner Schwächlichkeit die Ankunft eines Pfarrers nicht erleben könne, von jeder andern Person des christlichen Glaubens in den Christenbund aufgenommen werden dürfe. Und diese Handlung nannte man Nothtaufe. Sie wird dadurch verrichtet, daß die Hebamme oder ein anderer Christ, welcher eben gegenwärtig ist, die Taufformel und den christlichen Glauben über dem Kinde ausspricht. Ob nun wohl die neuere Zeit jene harte Lehre nicht mehr in ihrer Strenge anerkennt, [453] so hat man doch zur Beruhigung besorgter Aeltern die Erlaubniß zur Nothtaufe in den neuern Kirchenordnungen beibehalten. Bleibt ein solches Kind leben, so wird es gewöhnlich dann dem Pfarrer zur Einsegnung dargebracht.
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