Schatten und Licht

[80] Schatten und Licht. Dem holden Widerstreite der heiligen Nacht und des glänzenden Jünglings, Tag, entwindet sich träumerisch-süß die wundersame Dämmerung und das Helldunkel, jene bräutliche Vereinigung von Glanz, Licht, Schatten und Dunkel, aus denen Iris ihren magischen Bogen webt, die den buntfarbigen, ewig wechselnden Strahlenkranz um die Schläfe des Lichtgottes bilden, unter dessen Füßen sich die fahle Monotonie beugt. Ohne den wehmüthigen Schleier der Wimpern ist das Feuer des Auges, ohne den Ernst die Freude, ohne den Schatten das Licht Nichts. Die Nebel des Morgens, das dunkle Abendgewölk sind das magische Faltengewand um die glänzenden Schultern des Tages: – und in dem dunklen Oceane der Nacht erglänzen erst wahrhaft die[80] ewigen Sterne. Daher ist kein Gemälde etwas ohne das sanfte Dunkel des Schattens, ohne die weise, künstlerische Vertheilung des Lichtes, ohne die zauberische Vereinigung der Tag- und Nachtfalter, die vereint in dem Kelche der Rose weilen. Denn die Rose, wie die Traube sind die schönsten Beispiele eines malerischen Ganzen mit Schatten und Licht. – Man unterscheidet dreierlei Gattungen von Schatten: den Hauptschatten, der sich über alle die Theile des Bildes verbreitet, welche dem Lichtzuge entgegenstehen; den Schlagschatten, der von einem Theile des Gemäldes ausgeht, um ihn gegen andere herauszuheben; und die Halbschatten, welche theils Mitteltinten zwischen dem Lichte und dem Hauptschatten, theils Wiederscheine sind. Das größte Meisterstück künstlerischer Vertheilung von Licht und Schatten ist die heilige Nacht des Correggio (s. d.): – in ihr ist die heilige Weihe der Nacht, das träumerische Weben der Schatten, die göttliche Klarheit eines innern Tages und das Licht des himmlischen Aethers!

r.

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Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 80-81.
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