[300] Sophie Charlotte, Königin von England, Charlotte, Gemahlin des Königs Georg's III., eine der geistreichsten Fürstinnen und seltensten Frauen, welche mitten im Glanze des Thrones und der Huldigungen der gebildetsten Welt stets im Innern treu und liebend das Bild der Häuslichkeit und eines stillen Familienlebens bewahrte. So gern wich die Majestät dem süßen Mutternamen; das weiße Hauskleid trat an die Stelle des goldgestickten Königgewandes, und das ganze, große Fürstenschloß Windsor mit seinen glänzenden Gemächern, seinen Gärten und Terrassen wurde ihr ein einziger Kindersaal, auf dem ihre theueren Pfleglinge die heitern Spiele der Kindheit spielten. Geb. zu Mirow, einem Lustschlosse ihres Vaters, des Herzogs Karl Ludwig Friedrich zu Mecklenburg-Strelitz, am 19. Mai 1744, und ausgerüstet mit den glänzendsten Geistesgaben, erhielt sie, um diese doppelte Begünstigung des Geschicks würdig zu ergänzen, eine so vortreffliche und sorgfältige Erziehung, daß sie in einem Alter von noch nicht 17 Jahren einen ebenso geistreichen als trefflichstylisirten Brief an Friedrich den Großen senden konnte, welcher dessen ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Eben dieser Brief sollte ihr auch unvermuthet den Weg zu den Stufen eines der ersten Throne Europa's bahnen. Friedrich der Große theilte nämlich denselben seinem damaligen Alliirten, dem jungen König Georg III. von Großbritannien, mit, der von dem darin wehenden Geiste so entzückt wurde, daß er die liebenswürdige Verfasserin zu seiner Gemahlin erkor. Diesem Entschluß zu Folge wurde sie am 22. Sept. 1761 mit ihm in London gekrönt, und in dieser, ein halbes Jahrhundert[300] währenden Ehe war es, wo sie als treue Gattin, als die sorgsamste Mutter ihrer 15 Kinder sich den reichsten Cyanenkranz häuslicher Ehren erwarb, der sich so schön und lieblich duftend über den Myrthenkranz wob, so mild und kühl das strahlende Diadem umschattete. Und als in unheilvoller Stunde ihren königlichen Gemahl jene tiefe Schwermuth ergriff, welche den lichten Tempel seines kräftigen Geistes in eine grauenhafte Oede unheimlicher Gespenster, in eine einzige thränenreiche Nacht wandelte, war sie lange, lange Zeit hindurch bis zu ihrem Tode trotz ihres vorgerückten Alters in treuer Liebe und pflegender Geduld ihm das, was Cordelia ihrem Vater, dem armen, irrsinnigen Lear war. Sie starb noch vor ihm, am 17. Nov. 1818, im Palast Kew mit dem vollen Bewußtsein ihrer lichten Seele, um nun vom höhern Lichte umflossen als freundlicher Genius den nachtumwölkten Gatten zu umschweben, der endlich, wenige Jahre nach ihr, in die schönere Nacht mit dem ewigen Frieden entschlief. Durch hohe Geistesbildung unterstützt, übte sie sich in Erholungsstunden auch in schriftlichen Aufsätzen und musikalischen Compositionen, und Mehreres davon wurde veröffentlicht, jedoch ohne ihren Namen. Auch lieferte sie eine gute englische Uebersetzung von einem deutschen Erbauungsbuche.
B.
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