Waiblinger, Wilhelm Friedrich

[368] Waiblinger, Wilhelm Friedrich. Dieser talentvolle Dichter würde zu einem glücklichen Lebensgenusse gekommen sein, hätte nicht von Jugend auf der Trieb zu unbändiger Unabhängigkeit sich ganz seiner Seele bemächtigt. Dieser Trieb jagte ihn frühzeitig aus der Heimath in die Fremde. Ein unstetes, regelloses Leben verzehrte eine Lebenskraft und raubte ihn der deutschen Literatur gerade in der Periode schönster Entfaltung. Geboren am 21. Nov. 1804 zu Heilbronn, bestimmte ihn sein Vater für das Studium der Rechte. Da indeß sehr frühzeitig ein unzähmbarer[368] Hang, Gedichte zu machen, in dem Knaben sich zeigte, so ward er auf das Gymnasium in Stuttgart gebracht. Schon hier beurkundete sich eine bedenkliche Zügellosigkeit, vor der er zwar oft gewarnt, aber nie geheilt wurde. Hölderlin's »Hyperion« regte ihn zu eigener Schöpfung an, und er begann noch auf dem Gymnasium seinen Roman »Phaeton« zu schreiben, der 1823 erschien. Er studirte dann von 1821–26 Philologie, Philosophie und Theologie, und verstreute in dieser Zeit viele, von einer glühenden Phantasie durchathmete Gedichte in Zeitschriften. Unter seinen größeren Producten, die zugleich entstanden, verdienen Beachtung »Vier Erzählungen aus Griechenland;« »drei Tage in der Unterwelt« und »Anna Boleyn,« ein Trauerspiel. Müllner feuerte den jungen Dichter durch eine lobenswerthe Anerkennung zu neuer Thätigkeit an, und um das Leben zu schauen, ging W., unterstützt von Cotta, nach Italien. Von hier aus gab er ein »Taschenbuch aus Italien und Griechenland« heraus, wovon 2 Jahrgänge (1829 u. 1830) erschienen sind. Während er den dritten vorbereitete, raffte ihn ein hitziges Fieber in Rom hinweg, nachdem er kurz zuvor von einer Reise nach Neapel und Sicilien zurückgekehrt war. Er starb am 17. Jan. 1830. Außer seinen poetischen Productionen ist die vortreffliche Biographie Hölderlins in den Zeitgenossen zu erwähnen, zu der er vor Allen berufen war, da er jahrelang mit dem unglücklichen, irrsinnigen Dichter im innigsten Verkehr gelebt hatte. Waiblinger's Dichtungen duften von Frische und übergroßer Gluth der Phantasie. Der Ungestüm seines Lebens leuchtet auch aus seinen Productionen hervor.

W......m.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 368-369.
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