[401] Weibliche Reitkunst, ist in jetziger Zeitperiode, wo es der Kutschen so viele gibt, nur noch eine kleine Koketterie solcher Damen, die, des Fahrens überdrüssig, sich gar zu gern in der ganzen Zierlichkeit einer schönen Taille zu Pferde zeigen und von galanten Cavalieren begleiten lassen wollen. Ehedem war das ein Anderes. Wer sich nicht immer seiner Füße bedienen konnte und mochte, mußte zu Roß steigen, weil die bequemen Wagen so selten waren, so daß z. B. König Heinrich IV. von Frankreich sich einst genöthigt sah, zu Hause zu bleiben, peur avoir prêté son coche à Madame Gabriele. Damals nun gewöhnten sich die Damen aus Nothwendigkeit von Jugend auf an das Reiten, und nur im Alter oder in besondern Fällen wählte man die Sänfte oder schwerfällige Fuhrwerke. Jede Ritterfrau hatte ihren Paßgänger, d. h. ein sanftes Pferd mit ruhigem Schritt, das bloß für sie bestimmt war. Die Farbe dieser Thiere war am liebsten weiß, und darum lesen wir in den mittelalterlichen Romanen so viel von milchweißen Zeltern, welche schöne Fräulein trugen. Nur wilde Amazonen wählten Rappen, die gewöhnlich muthiger sind, doch bedienten auch sie sich des Quersattels. Wir haben bereits der Kaiserin Bertha erwähnt, die beim Spazierenreiten spann und deren Quersattel, mit einer Oeffnung für den Rockenstiel, man noch jetzt zu Payerne zeigt. Es war dieß ganz dasselbe, wie noch heut fleißige Frauen auf dem[401] Lande mit dem Strickstrumpfe in der Hand um die Felder spazieren gehen, Als die Kutschen allgemeiner wurden, nahm auch der Gebrauch des Reitens der Frauen ab, zumal da es, besonders im Quersattel von ehedem, der rund herum mit gepolsterten Lehnen wie ein Sperrsitz umschlossen war, immer viel Gefahr hatte, und die Wagen so große, in die Augen fallende, Vorzüge boten. Seitdem hat es freilich immer Ausnahmen des weiblichen Geschlechts gegeben, die diese Bequemlichkeiten nicht dankbar erkannten. In neuester Zeit namentlich gehört das männliche Vergnügen des Reitens gleichsam zum Privilegium der sogenannten vornehmen Damen, weil doch nur Wenige ihnen auch dieß gleich thun können und wollen. Die Mode dictirt zum Kostüm für schöne moderne Amazonen: ein langes, seines Tuchkleid, das die Füße in seinen Falten birgt und wie ein Oberrock an den Hals herauf geht; dazu gehört ein Kastorhut mit Schleier, Cravatte und Reitgerte. Die Aerzte empfehlen das Reiten als eine gesunde Leibesbewegung, auch hat man jetzt, z. B. in Paris, vollkommen eingerichtete Reitschulen. Das Anschnallen der Füße ist höchst gefährlich, auch pflegen die Frauen einiger halbwilden Nationen, die das Reiten trotz den Männern lernen, sich stets wie diese auf das Pferd zu setzen, um mit Leichtigkeit abspringen zu können, wenn sich Gefahr zeigt. Eine eben so passionirte, als gute Reiterin ist die jetzige Königin von England, wo das Reiten der Frauen überhaupt Landessitte ist.
F.
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