Deduction

[196] Deduction: Ableitung, Begründung einer Wahrheit, einer Erkenntnis, eines Urteils aus einem allgemeinen, begrifflichen Wissen, Darlegung der Gültigkeit eines Satzes, eines Gesetzes aus (inductiv gewonnenen oder apriorischen Erkenntnisfactoren gemäßen) allgemeingültigen Sätzen oder Gesetzen, Begründung und Begreiflichmachung von Einzeltatsachen durch Nachweis ihres Zusammenhanges mit Gesetzmäßigkeiten. Etwas deducieren heißt, es, das Besondere, als Specialfall eines Allgemeinen bestimmen. Das Verfahren dazu heißt deductive (progressive) oder synthetische Methode.

ARISTOTELES versteht unter apagôgê (deductio) die Lösung eines Problems durch ein anderes, näher liegendes (Anal. pr. II 25, 69 a 20). Der Ausdruck »deductio« findet sich im logischen Sinne schon bei BOËTHIUS. Die Scholastiker verstehen unter Deduction die Ableitung des Concreten aus dem Abstracten (vgl. GOCLEN, Lex. philos. p. 499). F. BACON schätzt die Deduction (den Syllogismus, (s. d.)) gering, sofern sie nicht auf wahre Induction (»in inductione vera«) sich gründet (Nov. Organ. 14). KANT unterscheidet von der »empirischen« die »transcendentale« Deduction. Unter letzterer versteht er die Darlegung der Möglichkeit und Notwendigkeit, des Rechtsgrundes der Anwendung apriorischer (s. d.) Denkformen (Kategorien) auf den Erfahrungsinhalt, die Ableitung der Kategorien (s. d.) aus einem einheitlichen Princip (Krit. d. rein. Vern. S. 103). »Unter den mancherlei Begriffen..., die das sehr vermischte Gewebe der menschlichen Erkenntnis ausmachen, gibt es einige, die auch zum reinen Gebrauch a priori (völlig unabhängig von aller Erfahrung) bestimmt sind, und diese ihre Befugnis bedarf jederzeit einer Deduction, weil zu der Rechtmäßigkeit eines solchen Gebrauches Beweise aus der Erfahrung nicht hinreichend sind, man aber doch wissen muß, wie diese Begriffe sich auf Objecte beziehen können, die sie doch aus keiner Erfahrung hernehmen. Ich nenne daher die Erklärung, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen, die transcendentale Deduction derselben und unterscheide sie von der empirischen Deduction, welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion über dieselbe erworben worden, und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern das Factum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen« (l.c. S. 104). Das Ergebnis der transcendentalen Deduction der Kategorien ist, daß ohne Anwendung dieser Erfahrung (s. d.) überhaupt nicht möglich wäre, daß sie, als Denkformen, die Erfahrung geradezu constituieren, daher notwendig und allgemeingültig sind. – Nach FRIES ist die Deduction die »Begründung eines Urteils aus der Theorie der erkennenden Vernunft« (Syst. d. Log. S. 410). Nach HILLEBRAND hat die Deduction die Aufgabe, die factische Bestimmtheit als Folge des Zusammenhanges eines Inhaltes aufzuweisen, als innerliche darzulegen (Phil. d. Geist. II, 80). Nach J. ST. MILL besteht die deductive Methode aus drei logischen Operationen: Induction, Syllogismus, Verification (Log. I, 533). Nach SCHUPPE ist die Deduction aus Begriffen zugleich Erkenntnis des Wirklichen, weil der Begriff selbst Erkenntnis des Wirklichen, des wirklichen Zusammenhanges ist (Log. S. 163). WUNDT unterscheidet synthetische und analytische Deduction. Erstere »geht von einfachen Sätzen von allgemeiner Geltung aus und leitet aus der Verbindung derselben andere Sätze von speciellerem und meist zugleich verwickelterem Charakter ab«. Sie ist eine Form des »subsumierenden Syllogismus« (Log. II, 29). Die analytische Deduction, die einen logischen oder einen causalen Charakter haben kann (l.c. S. 31), setzt sich zusammen aus 1) der Zerlegung[196] eines allgemeinen Begriffs in seine Bestandteile, 2) dem Übergang von einem allgemeinen zu einem in ihm enthaltenen engeren Begriffe oder von einem allgemeinen Gesetze zu einem speciellen Fall desselben, 3) der Transformation gegebener Begriffe mittelst einer veränderten Verbindungsweise ihrer Elemente (l.c. S. 32). H. CORNELIUS betont, die Hoffnung, »aus irgend welchen durch reines Denken zu gewinnenden allgemeinsten: Begriffen und Sätzen deductiv alle einzelnen Tatsachen erklären zu können«, sei trügerisch. »Deduction im Sinne der Mathematik kann nur da zu fruchtbaren Ergebnissen fahren, wo die Prämissen... in ihrer tatsächlichen Bedeutung und allgemeinen Gültigkeit für unsere Erfahrung von vornherein feststehen.« Nur in der Mechanik oder Astronomie sind die Principien der Deduction nichts als »einfachste Zusammenfassungen tatsächlicher Beobachtungen« (Einl. in d. Philos. S. 150 f.).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 196-197.
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