Praktische Philosophie

[134] Praktische Philosophie ist die Philosophie des Praktischen (s. d.) der Willenshandlungen in ihren ethisch-socialen Formen und Werten.

Die praktische Philosophie teilen die Aristoteliker ein in phronêsis (Ethik), oikonomikê, politikê (Eth. Eudem. I, 8. über PLATO, ARISTOTELES s. praktisch). Die Scholastiker unterscheiden von der »scientia theoretica« die »scientia practica« (vgl. THOMAS, Sum. th. I, 1, 4). – »Practical philosophy« (practica philosophia) bei F. BACON für die operative Physik (s. d.). Nach CHR. THOMASIUS ist die praktische Philosophie die Wissenschaft vom glückseligen Leben (Einleit. in d. Sittenlehre 1692. Ausüb. d. Sittenl. 1696). CHR. WOLF definiert: »Scientia practica est scientia locomotivam facultatem vel etiam cognoscitivam determinandi ad actus externos vel internos voluntati et noluntati conformiter exequendos vel omittendos« (Philos. pract. § 2). »Philosophia practica universalis est scientia affectiva practica dirigendi actiones liberas per regulas generalissimas« (l. c. § 3). Sie zerfällt in Ethik, Oekonomik, Politik. – Nach KANT ist alle Erkenntnis praktisch, die aussagt, »was sein soll« (Log. S. 135). Die Sittlichkeit (s. d.) ist das »absolut Praktische« (l. c. S. 136). Praktische Philosophie kat' exochên ist die Ethik (ib.). »alle praktischen Sätze, die dasjenige, was die Natur enthalten kann, von der Willkür als Ursache ableiten, gehören insgesamt zur theoretischen Philosophie als Erkenntnis der Natur. nur diejenigen, welche der Freiheit das Gesetz geben, sind dem Inhalte nach specifisch von jenen unterschieden. Man kann von den ersteren sagen: sie machen den praktischen Teil einer Philosophie der Natur aus, die letzteren aber gründen allein eine besondere praktische Philosophie« (Üb. Philos. überh. S. 144). »Praktische Sätze also, die dem Inhalte nach bloß die Möglichkeit eines vorgestellten Objects (durch willkürliche Handlung) betreffen, sind nur Anwendungen einer vollständigen theoretischen Erkenntnis und können keinen besondern Teil einer Wissenschaft ausmachen« (l. c. S. 145). – Nach PLATNER zeigt die »contemplative« Philosophie, was der Mensch denken, die »praktische«, wie er handeln soll (Log. u. Met. S. 4). – Nach BOUTERWEK heißt die Philosophie praktisch, »wenn sie zu ihrem Gegenstande die menschlichen Handlungen wählt, denen die Vernunft... einen Wert zuspricht« (Lehrb. d. philos. Wissensch. II, 3).

HERBART nennt die Ethik (s. d.) »praktische Philosophie«. Diese ist »eine Lehre vom Tun und Lassen, von den unter Menschen zu treffenden Einrichtungen, vom geselligen und bürgerlichen Leben« (Lehrb. zur Einleit.5, S. 143. vgl. Encykl. d. Philos. S. 349 ff.). Nach ALLIHN ist die Aufgabe der praktischen Philosophie »die Aufstellung dessen, was absolut gefällt und absolut mißfällt, in den einfachsten Ausdrücken« (Grundl. d. allg. Eth. S. 21). – Nach L. KNAPP ist die praktische Philosophie die »Erkenntnis der praktischen Phantasmen«, Irrtümer (Syst. d. Rechtsphilos. S. 41). Sie zerfällt in Rechts- und Moralphilosophie (ib.). Nach WUNDT ist die wissenschaftliche Untersuchung praktisch, »sobald sie sich mit menschlichen Willkürhandlungen und den geistigen Schöpfungen, die aus solchen hervorgehen, beschäftigt« (Eth.2, S. 6).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 134.
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