[448] Subjectlose Sätze (Impersonalien, wie z.B. die »meteorologischen Sätze«: es blitzt, es regnet. ferner: es klopft u. dgl.) sind nach Ansicht einiger Forscher Sätze mit bloß grammatischem, aber ohne logisches Subject, indem sie nur die »Anerkennung« (s. d.), Constatierung einer Tatsache, eines Geschehens bedeuten. Die Impersonalien enthalten jedoch in der Tat ein logisches Subject, nur ist dieses kein bestimmter einzelner Gegenstand, sondern ein unbestimmt gelassenes Wesen, das zur wahrgenommenen Tätigkeit hinzugedacht wird.
Schon PRISCIAN bemerkt: »cum dico 'curritur', cursus intelligo« (bei MARTY, Üb. subjectlos. Sätze, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 19. Bd., S. 49). HERBART lehrt, in den Impersonalien: es regnet u.s.w. sei kein Subject, sondern das Prädicat werde absolut, unbeschränkt aufgestellt, die Tatsache als vorhanden bezeichnet (Lehrb. zur Einl.5, § 63). Ähnlich TRENDELENBURG, K. W. HEYSE. Nach E. REINHOLD hingegen bezeichnet z.B. in dem Satze »es regnet« »Regen« nicht das Prädicat, sondern das Subject, »und das Prädicat liegt allerdings in dem Gedanken des Vorhandenseins« (Psychol. S. 407). Ähnlich GUTBERLET (Log. u. Erk.2, S. 34 f.). Nach PULS sind echte subjectlose Sätze nur solche Aussagen, welche eine wirklich jetzt eben gemachte Wahrnehmung ausdrücken. In ihnen wird eine Wirkungsweise schlechthin ausgesagt. Es ist hier nur die Subjectsform, nicht ein Subjectsinhalt gegeben (Progr. d. Gymnas. zu Flensburg 1888, S. 8 ff., 43 f.). Nach MIKLOSICH (von ihm der Ausdruck), BRENTANO (Vom Urspr. sittl. Erk. S. 113 ff.), MARTY (Üb. subjectlos. Sätze, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 19. Bd., S. 295 f.) u. a. sind die Impersonalien wirklich »subjectlose Sätze«, in welchen eigentlich nichts ausgesagt, sondern einfach der ganze Inhalt der Aussage »anerkannt« oder »verworfen« wird, so daß hier Existentialsätze (s. Sein) vorliegen. So auch LIPPS: »Das subjectlose Urteil ist der einfache Act der 'Anerkennung' eines Vorgestellten, des 'Glaubens' an dasselbe, oder das Bewußtsein seiner objectiven Wirklichkeit: es ist Exsistentialurteil« (Gr. d. Log. S. 52). Ähnlich auch O. SICKENBERGER (Üb. d. sogen. Quant. d. Urt. 1896).
Auf das allgemeine Sein beziehen das »es« SCHLEIERMACHER, ÜBERWEG, PRANTL (»unbestimmte Allgemeinheit der Wahrnehmungswelt«, Reformgedank. zur Log., Münch. Akadem. 1875, S. 187). LOTZE bemerkt: »Das 'Es' im Subject ist seinem Inhalt nach entweder nichts als das Prädicat oder es ist, wenn es davon unterschieden werden soll, nur der Gedanke des allgemeinen Seins, das in den verschiedenen Erscheinungen bald so, bald anders bestimmt ist« (z.B.[448] »es blitzt« = »das Sein ist jetzt blitzend«, Grdz. d. Log. S. 23 f.. Log. S. 70 f. wird der umgebende Raum als das »Es« bezeichnet). Nach J. BERGMANN liegt in den Impersonalien »der Versuch, die Welt als Subject und das existierende Ding als ihre Beschaffenheit zu denken« (Reine Log. 1879). Nach STEINTHAL bezeichnet das Impersonale »eine Handlung als solche, deren Subject als geheimnisvoll, oder unbekannt nur angedeutet wird« (Zeitschr. f. Völkerpsychol. IV, 235 ff.. vgl. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 8. Bd., S. 81). Nach LAZARUS ist das »Es« bald »eine allgemeine Wirklichkeit«, bald »das nur Undeutbare, Unbekannte oder Geheime« (Leb. d. Seele II2, 286). Nach WUNDT fehlt dem »unbestimmten Urteil« das Subject nicht, es ist nur »unbestimmt gelassen«. »Wir lassen vorzugsweise das Subject dann unbestimmt, wenn das zugehörige Prädicat ein Verbalbegriff ist, der eine vorübergehende oder wechselnde Erscheinung bezeichnet. Dies ist begreiflich genug: der wechselnde Vorgang zieht die Aufmerksamkeit auf sich, während sich doch das handelnde Subject der Beobachtung gänzlich entziehen kann.« »Nicht alle unpersönlichen Sätze sind... unbestimmte Urteile, sondern häufig versteckt sich hinter dem scheinbar unbestimmten Demonstrativpronomen eine unbestimmte Vorstellung. Nicht in demselben Sinne, in welchem wir urteilen: 'es blitzt', 'es regnet', 'es wurde geschossen', sagen wir: es ist rot', 'es ist Johann' oder 'es war eine gute Handlung'. Das 'Es' steht hier nicht mehr in völlig unbestimmter Bedeutung, sondern es weist auf eine bestimmte Vorstellung hin, welche aber im Prädicat erst näher bezeichnet werden soll« (Log. I, 155). »Das eigentliche Impersonale scheint... viel eher ein Stück Abbreviatursprache zu sein, das unter der Wirkung häufigen Gebrauchs aus einer einst vollständigen Satzform hervorging, als daß es einer erst im Werden begriffenen Satzbildung entspräche« (Völkerpsychol. I 2, 220 f.). Nach B. ERDMANN wird in den eigentlichen Impersonalien das Subject unbestimmt vorgestellt, »als irgend ein Gegenstand, irgend etwas, das die Ursache des Vorgangs oder der Tätigkeit ist« (Log. I, 307). »Der ganze bestimmte Inhalt der Aussage ruht in dem, was ausgesagt wird« (ib.). Es sind »unbestimmte Causalurteile« (l. c. S. 310). SCHUPPE betrachtet als Subject der Impersonalien die wahrnehmbare Erscheinung (Zeitschr. f. Völkerpsychol. 1886, S. 285 ff.. vgl. S. 249 ff., die Umgebung als Subject). W. JERUSALEM erklärt: »Die Auffassung der Impersonalien, speciell der meteorologischen Sätze als Existentialsätze ist... eine unrichtige: erstens, weil das Präsens der ersteren ein eigentliches, das der letzteren ein zeitloses ist, und zweitens, weil Existentialsätze, die im wirklichen Denken gefällt werden, niemals Wahrnehmungsurteile sind« (Urteilsfunct. S. 125). »Das Präsens der Wahrnehmungsurteile und also auch das Präsens der meteorologischen Sätze enthält die deutliche Beziehung auf die räumliche Umgebung des Sprechenden, und diese räumliche Umgebung ist Subject der Aussage. Das, worin es regnet, ist der Luftraum, das draußen Befindliche, to exô, und von diesem wird gesagt, daß es jetzt regnet, während es ein anderes Mal schneit, blitzt, donnert oder schön ist« (l. c. S. 126). So auch UPHUES (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 21. Bd., S. 460. dagegen: WUNDT, Völkerpsychol. I 2, 222 f.). Nach JODL, wird in den Impersonalien eine gegebene Wahrnehmung verdeutlicht. Subject ist das ganze Phänomen, das unbestimmt ausgedrückt wird, weil schon andere dieselbe Wahrnehmung machten (Lehrb. d. Psychol. S. 624). Nach ROSINSKY bezeichnet das ganze Impersonale »eine einzige Anschauung«. »Das Subject ist das anschaulich gegebene Quid, das Prädicat der dem Charakter des Subjects accomodierte und hiernach specificierte [449] Allgemeinbegriff: und die Copula die Identificierung beider« (Das Urt. S. 24 f.).
Eisler-1904: Exponible Sätze