[648] Verwunderung (thaumazein, admiratio) ist ein intellectuelles Gefühl, das sich an das Vorfinden eines Unerwarteten seiten s des Denkens knüpft. Verwunderung wird zur Quelle des Forschens, der Philosophie.[648]
Schon PLATO bemerkt: mala gar philosophou touto to pathos to thaumazein. ou gar allê archê philosophias ê hautê (Theaet. 155D). ARISTOTELES sagt: dia gar to thaumazein hoi anthrôpoi kai nyn kai to prôton êrxanto philosophein, ex archês men ta procheira tôn aporôn thaumasantes, eita kata mikron houtô proiontes kai peri tôn meizonôn diaporêsantes
(Met. I 2, 982 b 11 squ.).
Nach F. BACON ist die Verwunderung »semen scientiae« (De dign. I). Ähnlich äußert sich HOBBES (vgl. Hum. nat. IX, 18). DESCARTES erklärt: »Quamprimum nobis occurrit aliquod insolitum obiectum et quod novum esse iudicamus aut valde differens ab eo quod antea noveramus vel supponebamus esse debere, id efficit, ut illud admiremur et eo percellamur« (Pass. an. II, 53). Nach CONDILLAC gerät die fingierte »Statue« in »étonnement«, »si elle passe tout à coup d'un état auquel elle était accoutumée, à un état tout différent, dont elle n'avait point encore l'idée« (Trait. d. sens. I, ch. 2, § 17). »Cet étonnement donne plus d'activité aux opérations de l'âme« (l. c. § 18). KANT bemerkt: »Nun ist die Verwunderung ein Anstoß des Gemüts an der Unvereinbarkeit einer Vorstellung und der durch sie gegebenen Regel mit den schon in ihm zum Grunde liegenden Principien, welcher also einen Zweifel, ob man auch recht gesehen oder geurteilt habe, hervorbringt. Bewunderung aber eine immer wiederkommende Verwunderung, unerachtet der Verschwindung dieses Zweifels« (Krit. d. Urt. II, § 62). Nach G. E. SCHULZE besteht der Anfang der Verwunderung »aus den Gefühle einer Hemmung unseres Denkens und ist insofern etwas Unangenehmes. sie gehet aber, nachdem diese Hemmung vorüber ist, in das angenehme Gefühl über, welches jedes Neue und eine Erweiterung unserer Erkenntnisse Versprechende hervorbringt« (Psych. Anthropol. S. 391). Nach SCHOPENHAUER entspringt aus dem Anblick des Übels und des Bösen in der Welt das philosophische Erstaunen, als ein »bestürztes und betrübtes« (W. u. W. u. V. II. Bd., C. 17). Nach SIGWART treibt die Verwunderung über das Einzelne zur Herstellung seines Zusammenhanges mit anderem (Log. II2, 197. vgl. ZELLER, Vortr. u. Abhandl. S. 26). Vgl. BENEKE, Lehrb. d. Psychol.3, § 241. – Vgl. Staunen.