Widerstand

[741] Widerstand (resistentia) ist die Gegenwirkung, die ein Wirken, eine Kraft durch eine andere erfährt. Der Begriff des Widerstandes hat seine Quelle in dem Widerstandsbewußtsein, das an unser Wollen und Handeln sich knüpft (s. Object). Die Hemmung, deren wir uns im Tun und Erleiden bewußt sind, deuten wir als Product einer activen Tätigkeit des Nicht-Ich, als[741] Ausfluß eines Widerstehens. Die Dinge (s. d.) werden uns so zu Wesen, welche sowohl uns als auch einander zu widerstehen, standzuhalten vermögen. Die Widerstandsempfindung im engeren Sinne gehört zu den Muskel- und Sehnenempfindungen (s. d.).

Über den Begriff des Widerstandes bei den Stoikern s. Antitypie. – Nach LEIBNIZ leistet ein Körper dem andern Widerstand, wenn er den schon eingenommenen Platz räumen muß, oder wenn er einen Platz nicht einnehmen kann, weil auch ein anderer in ihn zu treten strebt (Nouv. Ess. II, ch. 4. s. Materie). Nach CHR. WOLF ist der Widerstand (resistentia) »id, in quo continetur ratio sufficiens, cur actio aliqua non aequatur, posita vi ad eam sufficiente« (Ontolog. § 727). JACOBI definiert: »Die unmittelbare Folge der Undurchdringlichkeit bei der Berührung nennen wir den Widerstand« (WW. II, 212).

Nach ULRICI ist die Widerstandskraft die erste fundamentale Bestimmung des Seienden (Gott u. d. Nat. S. 461). Alle anderen Kräfte sind an sie gebunden. Die Grade des Widerstandes ergeben die Verschiedenheiten der Stoffe (l. c. S. 462 f.). Auch H. SPENCER erblickt in der Widerstandskraft die fundamentale Eigenschaft des Stoffes (Psychol. I, § 152. § 348, S. 233). Die Widerstandsempfindung bildet »den ursprünglichen, den universalen, den stets vorhandenen Bestandteil des Bewußtseins« (l. c. § 347, S. 232). »Widerstand ist... dasjenige, durch welches erfüllte Ausdehnung (Körper) und leere Ausdehnung (Raum) sich voneinander unterscheiden« (l. c. S. 234). Unsere Erfahrungen von den Dingen sind in letzter Instanz in Widerstand oder in Zeichen von Widerständen auflösbar (l. c. S. 234 f.). Alle Wahrnehmungen lassen sich in die des Widerstandes übersetzen (l. c. § 350, S. 240). Die Erkenntnis von Widerständen gewinnen wir durch Empfindungen des Druckes und der Muskelspannung (l. c. S. 240 ff.. vgl. J. WARD, Encycl. Brit. XX, 56). Nach HÖFFDING ist jede Empfindung in gewissem Sinne eine Widerstandsempfindung (Psychol. S. 263). Nach A. RIEHL entspricht der Widerstandsempfindung unmittelbar ein Reales (Philos. Krit. II 1, 275). Vgl. W. JERUSALEM, Lehrb. d. Psychol.3, S. 140. – Vgl. Ding, Object, Materie, Kraft.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 741-742.
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