Justinus, Flavius

[308] Justinus, Flavius, als Sohn griechischer Eltern zwischen 100 und 110 n. Chr. in Flavia Neapolis (Nablus) in Palästina geboren, studierte griechische Philosophie, wurde, durch einen Greis bekehrt, Christ, wirkte als Verteidiger (Apologet) des Christentums und starb um 164-166 den Märtyrertod.

J. ist der bedeutendste der christlichen Apologeten, Er ist mit der Platonischen, Aristotelischen und Stoischen Philosophie vertraut und von ihr beeinflußt. Von Bedeutung ist namentlich seine Lehre vom Logos, die ihm dazu dient, die christlichen Wahrheiten als schon vor Christus bekannt gewesene hinzustellen; alle, welche dem Logos gemäß lebten, sind »Christen«, und der »samenhafte Logos« (logos spermatikos) ist allen Menschen inne und eingeboren (dia to emphyton panti genei anthrôpôn sperma tou logou, Apol. II, 8). Auch die sogenannten »Atheisten«, welche dem Logos gemäß lebten, waren Christen (pan genos anthrôpôn tou logou tou theou metesche; kai hoi meta logou biôsantes Christianoi eisi, kan atheoi enomisthêsan, Apol. II, 83). Auch haben die griechischen Philosophen (Heraklit, Plato u. a.) ihre Lehren aus Moses und den Propheten geschöpft. Kurz, alle wahre Philosophie ist Christentum, wenn auch von der allgemeinen Offenbarung vermittelst des Logos die besondere[308] christliche Offenbarung zu unterscheiden ist. Das Gottesbewußtsein ist nach J. angeboren. Gott ist unnennbar, ungeworden, ewig, unbewegt, jenseits der Himmel. Aus sich hat er eine Vernunftkraft (dynamin logikên) erzeugt, den Logos, seinen Sohn, der nebst dem heiligen Geist mit ihm eins ist und durch den er die Welt geschaffen hat (ho logos pro tôn poiêmatôn kai synôn kai gennômenos hote tên archên di' autou panta ektise kai ekosmêse, Apol. II, 6). Die Unsterblichkeit der menschlichen Seele betrachtet J. wie andere Apologeten als Geschenk der göttlichen Gnade. Auf die erste Auferstehung folgt das tausendjährige Reich Christi, dann erfolgt erst die allgemeine Auferstehung und das jüngste Gericht.

SCHRIFTEN: Eine größere und eine kleinere Apologie, und ein »Dialog mit dem Juden Tryphon«; vielleicht echt sind auch peri monarchias und peri anastaseôs. (Die »Cohortatio ad Graecos« ist nicht von J. selbst.) – Opera, 1551, 159-- u. B., 1875 ff. (ed. Otto), auch bei Migne, Patrologiae cursus. – Vgl. K. SEMISCH, J., 1840-42. – B. AUBÉ, S. Justin Philosophe et Martyr, 1861. – WINDISCH, Die Theodizee d. christl. Apologeten J., 1906.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 308-309.
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