Fahne

[168] Fahne. In älterer Zeit führten die deutschen Völker gewisse Bilder als Feldzeichen, auf Stangen befestigte Tierbilder, des Ebers, des Stieres, der Schlange. Daneben erscheint schon in heidnischer Zeit als Zeichen für die Bewegung der Heerscharen die Fahne; es giebt dafür zwei Wörter, einmal das bandum, vandum, bandora, vom Verb binden, später mittellat. bandéria, banéria, banérium, woraus ital. bandiéra, franz. bannière, daraus mhd. die und das baniere, banier, im 14. Jahrh. das paner; das andere Wort ist got. der fana = Zeugstück, wurzelverwandt mit lat. pannus = Stück Tuch, Lappe, Binde; ahd. der fano, mhd. das vane, van und die vane, nhd. Fahne. Es ist das an den Speerschaft gebundene Feldzeichen, mit dessen Erhebung das Zeichen zum Beginne des Kampfes gegeben wird, wie mit dem Senken derselben die Waffenruhe eintritt. Der fliegende Adler über einem Drachen und Löwen, der im 6. Jahrh. als heiliges Feldzeichen der Sachsen erwähnt wird, das Rabenbild der heidnischen Normannen waren Fahnen. Zuerst wurde die Fahne, vexillum, von bewährten Helden edeln Geschlechtes getragen, die nach alter Sitte zu Fusse kämpften. Altdeutsch heisst die Kriegsfahne gundfano, von gundja, woraus altfranz. gonfanon, ital. gonfalone = Kriegsfahne, neufranz. dagegen ist gonfalon eine Kirchenfahne; ital. gonfaloniere, gonfaloniero ist Bannerherr, gonfalonata eine Mannschaft, die einer Fahne folgt; mittellat. ist guntfanonarius der Bannerträger. Mittelhochdeutsch heisst die Hauptfahne sturmvane, hervane; sie wurde dem Heere zu Rosse vorangetragen. Daneben hatten die einzelnen Haufen ihre besonderen Fahnen von geringerer Bedeutung. Wurde die Fahne auf einer belagerten Burg aufgesteckt, so war sie gefallen; wurde sie in der Schlacht von einer Seite freiwillig gesenkt, so gab sich diese für besiegt. In Italien kam der Fahnenwagen auf, das Carroccio, zuerst von den Mailändern 1038 erwähnt. Zu Anfang des 12. Jahrh. kam diese Einrichtung nach Deutschland, mhd. die karrosche, karrutsche, karrûsche, der[168] und die karrossch, karrutsch, karratisch, karrûsch, englisch und deutsch auch Standart genannt, mhd. der standhart, mit Anlehnung an Stand und hart aus franz. estendart, ital. stendarto, von lat. extendere = ausbreiten, auch Heerwagen kommt vor. Ein hoher Mastbaum, der das Fahnentuch trägt, ist auf einem vierräderigen Wagen befestigt. Der Wagen wird immer von Ochsen gezogen; zuweilen war noch eine Glocke auf dem Wagen angebracht. Auf einem grossen Fahnenwagen hatte sogar eine eigene Besatzung Platz. Das Fahnentuch ist meist seiden; die Farbe der Sturmfahne ist rot oder weiss. Die Fahnentücher werden erst kurz vor der Schlacht an die Stangen gebunden. Fliegende Fahnen sind daher das Zeichen der Kampfbereitschaft. Die alten Kriegsordnungen legten dem Fähnrich auf, sein anbefohlen Fähnlein zu verwahren und in Ehren zu halten, gleich seinem ehelichen Weib. Würde er vom Feinde so gedrängt, dass ihm die rechte Hand abgeschossen wäre, soll er das Fähnlein in die linke nehmen, und wird ihm die auch abgeschlagen, es mit den Stümpfen an sich ziehen, sich darein wickeln, Leib und Leben dabei lassen.

Die Fahne ist nebst der Lanze ein Symbol der Belehnung. Schon Papst Stephan schickt Karl Martell die Schlüssel zum Grabe des heiligen Petrus und die Fahne der Stadt Rom, der Patriarch von Jerusalem ähnlich Karl dem Grossen die Schlüssel zum heiligen Grabe samt einer Fahne. Bei feierlichen Belehnungen wurde regelmässig eine Fahne übergeben. Die rote Blutfahne ist das Symbol des Blutbannes. Bei Märkten steckte man zum Zeichen der Marktfreiheit Fahnen auf. Lindenschmit. I. 275. – Schultz. Höfisches Leben. San Marte, Waffenkunde T. II, A. 3.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 168-169.
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