Falkenbeize

[171] Falkenbeize. Aus der Etymologie der Falkennamen vermutet man, dass die Falkenjagd zuerst bei den Germanen in Aufnahme gekommen und von da zu den Römern und andern europäischen Völkern übertragen worden sei. Die besonderen mittelhochdeutschen Namen der verschiedenen Falkenarten sind ger- oder girvalce, sackers, aus altfr. sacre, lat. falco sacer, pilgrîmvalce, edelvalce, habech, sparwaer (Sperber), smirl = Zwergfalke, terce. Der Falke ist erst brauchbar, wenn er sich nach dem ersten Jahre zum erstenmal gemausert hat, ein mûzervalce, mûzaere. Der abgerichtete Vogel heisst auch vederspil. Die jungen Vögel werden entweder dem Neste entnommen oder eingefangen, seltenere Arten auch von Kaufleuten erhandelt. Zur Zähmung blendet man sie einstweilen, indem man durch die unteren Augenlieder einen Faden zieht und denselben aufbindet; auch werden ihnen die Fänge abgestumpft. Darauf wird dem Tiere an jedem Fuss ein würfel, d.i. ein Riemen aus weichem Leder, angelegt, von dem ein kleiner Ring herabhängt; durch die Ringe ist ein längerer Riemen, lancvezzel gezogen, womit der Falke an seiner Stange angebunden und beim Tragen auf der Faust festgehalten wird. An einem oder an beiden Füssen ist eine Schelle angebunden. Die Hand, auf die der Falk sich setzt, ist durch einen starken Lederhandschuh geschützt; der lancvezzel wird um den kleinen Finger gewickelt. Nun wird das Tier Tag und Nacht auf der Hand getragen, geätzt, an die Hand des Führers und an den Klang seiner Stimme gewöhnt. Ist das einigermassen gelungen, so werden ihm die Augen zuerst halb, dann ganz geöffnet und er nun auch so gezähmt. Bei den Orientalen war statt der Blendung die lederne Kappe oder Haube gebräuchlich, mit einem Loche für Schnabel und Nasenlöcher; Friedrich II. führte sie zuerst im Abendlande ein. Sie wurde dem Tiere erst abgenommen, wenn das Wild in Sicht war.

Die Abrichtung des Falken geschah entweder von Liebhabern und Freunden dieser Kunst, wie z.B. Kriemhilds Traum zeigt, oder von einem dazu bestellten Diener, dem valkenaere, lat. falconarius, von dem man ganz besondere Eigenschaften des Körpers wie des Gemütes verlangte. Die Vögel, auf die man mit dem Falken beizte, waren Kranich, Reiher, Schwan, Trappe, Fasan, Feldhuhn, wilde Gans, Ente, Taube, Brachvogel, Kiebitz, Staar und Lerche. Besonders abgerichtete Vogelhunde[171] scheuchten das Wild auf, ebenso Trommellärm. – Über die Falkenbeize haben u.a. Kaiser Friedrich II. ein Buch De arte venandi cum avibus, und Albertus Magnus De Falconibus. Asturibus et Accipitribus geschrieben, beide zusammen Augsburg 1596 gedruckt. – Nach Schultz, Höfisches Leben I., 368 ff.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 171-172.
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