[173] Farbensprache. Das Mittelalter schwankte zwischen sechs und sieben Farben, die sieben sind Weiss, Schwarz, Rot, Blau, Gelb, Grün und Braun; sechs wurden gezählt, indem man das Schwarz oder das Braun bei Seite liess. Am Regenbogen aber unterschied das gewöhnliche Auge nur die drei Farben: Grün, Gelb und Rot, oder bloss Gelb und Rot. Die sinnbildliche Anwendung der Farben fusst auf den zahlreichen Farbenerscheinungen der Natur, namentlich auf dem menschlichen Antlitze. Weiss und Schwarz sind die Farben des Tages und der Nacht, Rot die Farbe der Liebe und Freude, aber auch der Scham, wozu bleich als Farbe der Verzagtheit, der Furcht oder des Leides den natürlichen Gegensatz bildet; doch können Zorn und Hass das Antlitz auch grün und gelb färben. Das Rot und Weiss des Antlitzes ist ein Merkmal der Leibesschönheit; es erscheint dann wie Milch und Blut, oder wie Schnee, der mit Blut geträuft ist, »hadd ih doch en Kind, so rood as Blood unn so wit as Snee« seufzt die Mutter im Märchen vom Machandelbaum. Das Weib, dem von Natur Weiss[173] und Rot nicht gegönnt war, schminkte sich künstlich damit, sowohl Frauen von Stand als Bäuerinnen und Buhldirnen; ein ungeschminktes Weib heisst mhd. selpvar. Wie man sich aber in romantischen Landen manchmal bloss der roten Farbe zur Schminke bediente, so in Deutschland bloss der weissen; denn Weiss galt auch für sich allein als die Farbe der Schönheit, wie Schwarz als diejenige der Hässlichkeit, während dasselbe Schwarz hinwiederum, z.B. im Schneewittchen, selbst wieder zur dritten Farbe der Schönheit geworden ist; sie ist ein Kind so weiss wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz. Die schwarze Farbe gilt hier dem Haare, als dessen vornehmste Farbe sonst im deutschen Mittelalter das Blond galt, mhd. val (falb) oder gel; das Wort blond, mhd. blunt, stammt aus dem sonst dunkeln französischen blond und wurde zuerst von Gottfried von Strassburg gebraucht; verglichen wird diese Farbe mit dem Gold, dem Wachs oder der frischen Seide.
In sinnbildlicher Deutung werden Gelb und Grün die Farben des Neides; Weiss die Farbe der sittlichen Reinheit, der Keuschheit; Schwarz die Farbe der Unreinheit, der Trauer, der Sünde; der Engel wird weiss, der Teufel schwarz gedacht; Nigromantie ist die schwarze Kunst, Zauberbücher heissen schwarze Bücher, weisse Bücher heissen die heilige Schrift und deren Gebote. Der heilige Geist wird durch die weisse Taube, der Teufel durch den schwarzen Raben symbolisiert. Auch bedeuten Weiss und Schwarz die gute und die böse Zeit, Glück und Unglück. Rot ist nicht bloss Farbe der Schönheit, der Freude, des Zornes, der Scham und der Liebe, es wird auch Farbe der Sünde: roter Bart und Haupthaar ist Zeichen der Falschheit:
die bleichen glîchent den tôten,
ungetriuwe sint die rôten,
die swarzen glichent môren,
die wîzen zagen oder tôren.
Roter Bart, untreuwe art, Rot Bart und erlin Bogen (Bogen vom Erlenholz) geraten selten, ist nit erlogen; Rot har ist entweder gar fromm, oder gar boess. Diese Anschauung soll ihre Quelle in der roten Farbe des Fuchses der Tiersage haben; sonst galt bei den Deutschen rotes Haar und Bart nicht als ehrenrührig; rot ist Beiname verschiedener Fürsten gewesen.
Noch weiter von der Natur entfernt sich diejenige Farbensymbolik, die zum Teil an die Natur sich anlehnt, zum Teil ganz willkürlich durch die Farbe des Gewandes zu sprechen sucht.
Die liturgischen Farben der abendländischen Kirche sind Weiss, Schwarz, Rot, Grün, Violett und unter gewissen Vorkommnissen Gelb und Blau. Und zwar wird getragen:
Weiss als ein Bild der Reinheit und Freude an jeglichen Gedächtnisfeiern der Bekenner und Jungfrauen, die nicht den Märtyrertod erlitten, zu Weihnachten, Epiphania, Ostern, Himmelfahrts- und Fronleichnamsfest, Allerheiligen und an den Festen der Päpste, Doktoren und Konfessoren.
Rot, ein Bild der brennenden Liebe, bei allen Festen zum Andenken der Apostel und Märtyrer (Pfingsten).
Grün, Farbe der Hoffnung auf die ewige Seligkeit, an den Sonn- und Festtagen.
Schwarz, ein Bild der Traurigkeit, bei den Fasten und Totenfeiern, Charfreitag und bei Seelenmessen.
Blau, ein Bild der Trübseligkeit und der gänzlichen Abtötung, noch zur Zeit Innocenz III. als dunkelblau oder violaceus ausschliesslich nur zweimal im Jahr, an dem Feste der unschuldigen Kindlein und am Sonntag Laetare, später hingegen häufiger und mit der schwarzen Farbe[174] wechselnd, von Septuagesima bis Ostern und während der Quatemberzeiten, an den Vigilien und Bettagen.
Gelb als eine nicht eigentlich festgestellte liturgische Farbe nur ausnahmsweise bei einzelnen Riten, bei dem Feste des heil. Joseph und der zweiten Messe zu Weihnacht.
Schwarz und Weiss sind beides auch allgemein Trauerfarben, Weiss jedoch in diesem Falle nur mit Schwarz verbunden, z.B. schwarzer Rock und weisse Kopfbedeckung. Weiss ist das Gewand der Neugetauften und der Firmlinge, daher der Sonntag Quasimodogeniti, an welchem gefirmt wird, dominica in albis, der weisse Sonntag, heisst.
Während die Farbe der Weltgeistlichkeit wechselte, blieb die Klostergeistlichkeit bei der einmal angenommenen Ordensfarbe stehen. Im allgemeinen sind Schwarz und Grau die verbreitetsten Farben für Büsser und Pilger, grau heisst der ungenähte Rock Christi (obgleich derjenige zu Trier in Wirklichkeit purpurfarben ist). Insbesondere bedienen sich die älteren Mönchsorden folgender Farben:
Benediktiner: schwarz, vermutlich nach Vorgang der morgenländischen Basilianer; Benedikt selber hat keine Regel über die Farbe aufgestellt.
Cluniazenser: schwarz.
Orden von Vallombroso: grau, daher graue Mönche genannt, später gegen braunrote und zuletzt gegen schwarze Farbe vertauscht.
Kamaldulenser: weiss.
Grammontaner: schwarz.
Kartäuser: weiss mit schwarzer Kappe.
Hospitalbrüder des heil. Antonius: schwarze Kutten mit einem himmelblauen T, Potentia genannt, d.i. die Handkrücke des hl. Antonius.
Cisterzienser oder Bernhardiner: zuerst schwarz, dann bald weiss mit schwarzem Skapulier.
Prämonstratenser: weiss mit weissem Skapulier.
Karmeliter: zuerst weiss, später braun und weiss gestreift.
Trappisten: wie Cisterzienser.
Humiliaten: aschgrau.
Coelestiner: weiss mit schwarzem Skapulier.
Kanoniker, Regulierte Chorherren: je nach Massgabe der Sprengel wechselnd tragen sie ein schwarzes, weisses, violettes oder braunes Unterkleid, darüber das Chorhemd nebst einem schwarzen Mantel.
Franziskaner: braun, daher »die Braunen« genannt.
Dominikaner oder Prediger: weisses Untergewand, mit weissem Skapulier und schwarzem Mantel, die Nonnen mit braunem Mantel und schwarzem Hauptschleier.
Augustinereremiten: grau, später schwarz.
Beginen: braun, grün oder blau, später schwarz.
Begharden, Lollbrüder: grau.
Ritterorden:
Ritter des heil. Grabes: weiss mit rotem Kreuz in silbernem Felde.
Johanniter: schwarz mit weissem Kreuz.
Templer: die Ritter weiss mit rotem Kreuz, die Geistlichen weiss, die dienenden Brüder grau oder schwarz.
Deutschherren: schwarzes Untergewand, weisser Schultermantel mit schwarzem Kreuz.
Auch die Völker unterscheiden sich durch die Farbe ihrer Kleidung. Die Juden trugen im Mittelalter einen Hut von weisser oder gelber Farbe, auch ganz gelbes Kleid, oder einen Ring von gelbem Zeuge auf der Brust des Rockes aufgenäht; gelb ist aber auch das Gewand der feilen Dirnen. Die Bauern des Mittelalters trugen sich schwarz oder grau; grisette ist eigentlich ein Mädchen von geringer Herkunft; daneben erscheint für denselben Stand dunkelblau. Der höhere Stand zog[175] in bunten Farben auf, oft seit dem 12. Jahrh. so, das man dasselbe Gewand zweifarbig machte, halb in halb gegeneinander oder in Streifen oder Würfeln durcheinander, jenes heisst mhd. teilen, zesamene snîden, dieses undersnîden, zersnîden, zerhouwen, mengen, parrieren. Die bezeichnendsten Kleiderfarben des höfischen Standes sind aber weiss und rot. In weisser Farbe erschien die fürstliche Gewalt: weisses Pferd, weisser Hund, weisser Stab, weisse Tücher auf Tisch und Bett, weisses Ess- und Trinkgeschirr; der Stab des Richters, des Gerichtsboten und Heroldes ist weiss. Rot war nach alter deutscher Sitte nur die Gewandfarbe für den Krieg, die Schilde sind ursprünglich rot oder weiss bemalt; so war die gewöhnliche Farbe der Fahne rot. Rote Siegelfarbe galt als besondere Auszeichnung.
Seit dem 14. Jahrh. übertrug man die Farbensymbolik der Liebe geradezu auf die wirklichen Kleider; liebende Jünglinge und Jungfrauen erschienen in roten Röcken; wer die Beständigkeit seiner Liebe öffentlich beweisen mochte, in blauen, blau tragen heisst soviel als beständig sein. Weisses Kleid deutete auf Hoffnung, schwarzes auf Trauer, gelbes auf höchste Beglückung, braunes auf Verschwiegenheit und Behutsamkeit, graues ironisch auf den hohen Stand der Geliebten, grünes auf den fröhlichen Anfang des Liebens; mit mehreren Farben an einem und demselben Gewande liessen sich natürlich mehrere Liebesbezüge bezeichnen. Das Volkslied vom 15. Jahrh. an vertauscht dann die Farbensprache mit der Blumensprache (siehe diesen Art.). Nach Wackernagel, Kl. Schriften, I., 143 ff, und für die kirchl. Farben nach Weiss, Kostümkunde. Vgl. Rot und Blau, die deutschen Leibfarben, in Rochholz, deutscher Glaube und Brauch. Berl. 1867, II., 189278. Müller und Mothes, Arch. W. Art. Farbe. Weinhold, die Frauen. II., 268, 2. Aufl.
Buchempfehlung
Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht
282 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro