Frauen

[213] Frauen.


1. Namen. Frau, ahd. frouwâ, mhd. frouwe, im Ulfilas nicht erscheinend, ist die weibliche Form von got. frauja, ahd. frô, statt frouwo, welches früh dem hêriro, herre, herr gewichen ist, während sich die weibliche Form erhielt. Der weiblichen Form der Wurzel entspricht der Name der Göttin Freya, der männlichen derjenige des Gottes Freyr. Als ursprüngliche Bedeutung gilt: der Erfreuende, Frohmachende, Gütige, Milde, Eigenschaften, die sowohl dem Gotte als dem Gebieter unter den Menschen zukommen. Als Apellativ kommt dem Wort Frau in erster Linie die Bedeutung Herrin, Gebieterin zu. Allmählich wird der Name mehr und mehr auch dem Geringeren gegeben, am längsten erhält sich die alte Bedeutung in der Anrede und als Titel: Unsere Frau, Unsere liebe Frau ist[213] Maria (franz. nôtre dame), Frau Königin, Herzogin, und in allen Standen diejenige, die befiehlt, der Dienerschaft gegenüber, in der Familie Frau Mutter.

Kone, Kon, mhd. kone, êkone = Gattin, Ehefrau, vereinzelt in Bayern und Österreich lebendig geblieben, sind Überbleibsel des einst viel gebrauchten ahd. chuenâ, quenâ, got. qvinô, altnord. kona, neben welchen Formen eine zweite Form herläuft: got. qvêns, ags. cvên, altn. kvân, im Hochdeutschen fehlend, entartet engl. quean = Weibsbild, Hure, und queen = Königin. Das Wort entspricht etymologisch dem griech. γυνή. Die Wurzel ist gan, gen = gebären, zeugen; verwandt sind Kind, Knabe, Knecht, König und können.

Ahd. itis, alts. idis, altnord. dîs, war ursprünglich der Name eines göttlichen Wesens, namentlich der Göttinnen des Geschickes und wird im Althochdeutschen, Sächsischen und namentlich im Angelsächsischen allgemein für jede Frau jedes Alters, verheiratet oder nicht, angewandt.

Weib, ahd. und mhd. das wîp, geht besonders auf das Geschlecht, wie man denn auch dem Tiere sein Weibchen zulegt. Nach Grimm geht das Wort auf weben und weifen zurück. Höfische Dichter streiten sich gern darüber, welches Wort, Frau oder Weib, vorzüglicher sei. Walther von der Vogelweide entscheidet sich für Weib, weil in ihm der Inbegriff aller dem Geschlechte eignenden Tugenden liege; Heinrich von Meissen erklärte sich dagegen für das Wort Frau und erhielt dafür den Namen Frauenlob.

Braut. Got. ist die bruths = Schwiegertochter; ahd. die prût, brût = Verlobte wie Neuvermählte, auch Kebsweib; angelsächs. bryd, altnord. brûdhr = Verlobte. Der Grundbegriff ist die Heimgeführte; denn das Wort ist aus got. fra = vor, und einem mit lat. vehere = fahren verwandten Verb zusammengesetzt.

2. Die Stellung der Frau in altgermanischer Periode. Ursprünglich war die Stellung des Weibes bei den Germanen keine andere als bei allen anderen Völkern, es wurde als eine blosse Sache und als Werkzeug sinnlicher Befriedigung aufgefasst. Das Weib musste sich mit dem toten Manne verbrennen lassen, der Mann hatte das Recht, es zu verkaufen, zu vermachen, zu verschenken, seinem Gaste anzubieten. Durch die Gnade des Vaters wurde ihm zu leben erlaubt; durch Geld wurde es von einem Fremden dem Vater abgekauft; auf dem Weibe lag die Bestellung von Haus und Feld. Diese ältesten, harten Verhältnisse des Weibes wurden aber schon früh teils durch das Aufkommen eines milderen Rechtes oder wenigstens einer milderen Gewohnheit, teils durch die Wirkung religiöser Anschauungen veredelt, so dass schon bei Tacitus der ursprüngliche Zustand nicht mehr deutlich hervortritt. Als die wichtigste Bestimmung für die Stellung des Weibes gilt der Grundsatz, dass nach germanischem Rechte die Kinder und die Frau kein eigenes Recht besitzen, sie stehen unter der Mundschaft des Familienvaters oder seines Stellvertreters, welche in ältester Zeit sehr streng war, so dass die Tochter ohne seine Zustimmung weder über ihre Person noch über ihr Vermögen irgend welche Verfügung treffen konnte. Mann und Weib schritten bei den alten Germanen erst spät zur Ehe. Die Rechtsform derselben war ein Kauf, den der Vormund, in erster Linie der Vater, mit dem Bewerber abschloss. Unfreie Leute bedurften der Genehmigung ihres Herrn, dem sie dafür eine Steuer bezahlen mussten. Nur allmählich und durch Unterstützung der kirchlichen Anschauungen erwuchs das Selbstbestimmungsrecht der Jungfrau. Die Verabredung über die zu zahlende Summe, mahalscaz, muntscaz, [214] brûtmiete, oder das öffentlich, vor geladenen Zeugen ausgesprochene Gelöbnis des Bräutigams, den Mundschatz zu erlegen, und das Gegengelöbnis des Vormundes, dafür die Braut zu überantworten, war die vornehmste und bindendste Handlung bei der Eheschliessung. Von mahaljan = sprechen, besonders in der gerichtlichen Verhandlung, nannte man die Handlung des Verlobens mahalôn; der gemahel und diu gemahele sind die Verlobten; das gemahel für die Verlobte wird erst im 15. Jahrhundert gebräuchlich. Über die weiteren Ehehandlungen siehe den Artikel Ehe.

War die Jungfrau dem Manne angetraut, so war sie rechtlich Eigentum des Mannes geworden. Er durfte sie töten, vererben, strafen, körperlich züchtigen. Noch im Nibelungenliede erzählt Kriemhild Siegfried habe ihr für das unnütze Geschwätz der Brunhild gegenüber den lîp zerblouwen. Eheliche Untreue des Weibes wurde auf das härteste bestraft, der Mann durfte sie, wenn er sie auf frischer That ertappte, erschlagen; wurde ihr Leben geschont, so verlor sie ihr Vermögen an ihn, wurde in Gegenwart der Verwandten schimpflich aus dem Hause gestossen, des langen Haarschmuckes beraubt und unter Schlägen durch das Dorf gejagt. Untreue des Mannes in der Ehe blieb ungestraft. Vielweiberei war zwar den Germanen nicht ganz fremd, Ariovist z.B. hatte zwei Frauen; doch war diese Sitte meist durch politische Rücksichten vornehmer Männer veranlasst. Tacitus rechnet es den Germanen zur Ehre an, dass sie sich mit einem Weibe begnügten. Kebsen dagegen, d.h. nicht durch öffentlichen Mundkauf verbundene Frauen galten durchs ganze Mittelalter hindurch nicht für unziemlich.

Gegenüber der rechtlich niedrigen Stellung der germanischen Frau machten sich im praktischen sowohl als im sittlich-religiösen Leben Anschauungen geltend, welche der Stellung der Frau sehr zugute kamen. Die Frau war des Mannes Genossin in Freud und Leid, sie war, was ihr Name besagt, Herrin des Hauses. Frauen und Jungfrauen reichten beim Mahle den Becher oder das Trinkhorn umher, sie folgten dem Manne in die Schlacht, feuerten seine Tapferkeit an und verbanden seine Wunden.

Am hellsten spiegelte sich die sittliche Bedeutung der germanischen Frau im religiösen Leben des Volkes und hier zuerst in den Göttinnen des Volkes und zumal in der germanischen Göttermutter, Freia (siehe den besonderen Artikel). Aber auch in den sterblichen Frauen sahen die Germanen etwas Heiliges und Weissagendes, sie suchten in den höchsten Dingen ihren Rat und merkten auf ihre Antworten.

Weiber die sich der Weissagung widmeten, hiessen wîsiu wîp, weise oder kluge Frauen. Sie haben ihren göttlichen Hintergrund an den Nornen und Walküren; nordisch heissen sie völur; völuspâ, der Wala Weissagung, ist eins der ältesten Eddalieder, worin der Seherin Heidr die Verkündigung des Weltgeschickes in den Mund gelegt wird. Solche Weiber ziehen weissagend im Lande umher, mit Zaubersprüchen vertraut und auf Zauberwerk geübt; man ladet sie gern zu Festschmäusen, bei welchen sie dann in der Nacht den Zauber sieden und vom vierbeinigen Schemel herab ihre Weissagungen verkünden. Der Zaubertrank gab Macht über Menschen, Tiere und Wetter; seine Wirkung war nach den Gegenständen, die in den Kessel kamen, verschieden. Die Sinnesart der Menschen konnte verändert, Hass oder Liebe ihm eingeflösst werden; langsames Hinsiechen, Versetzen aus der Ferne in die Nähe, Erzeugung von Sturm, Unwetter und Misswachs schrieb man[215] dem Zaubergebräu zu, auch Heilung der Krankheiten. Die Frauenkrankheiten, besonders die Geburten, standen unter Freias Macht. Mit dem Untergang des germanischen Götterglaubens sind diese weisen Frauen Hexen geworden (siehe diesen Art.).

Was endlich für die altgermanische Periode die Liebe des Weibes zum Manne, der Jungfrau zum Jüngling betrifft, so wirkte der keusche Sinn des Volkes, die Achtung vor Zucht und Ehre heiligend auf den rechtlich niedrigen Stand des Weibes ein. Eigentliche Liebesverhältnisse konnten der Ehe nicht vorausgehen, weil das Gesetz den Werber zum Vater und nicht zur Tochter hinwies. Die Liebe entsprang in dem Busen des Weibes, und der Mann nahm sie hin als Anerkennung seiner Tüchtigkeit, die er fordern konnte und die er mit ehelicher Zuneigung belohnte. Dieser Geist spricht sich in der frühmittelalterlichen Dichtung aus, namentlich in den Eddaliedern, im Liede von Walther und Hiltgunt. Das Wort, das in dieser älteren Zeit die Zuneigung des Weibes zum Manne bezeichnete, ist minne, minna, ursprünglich das Denken, das Andenken, die Erinnerung.

3. Stellung der Frau in höfischer Zeit. Erst die höfische Zeit hat durch fremde Einflüsse das Verhältnis des Weibes zum Manne, aber bloss innerhalb des Rittertums, gänzlich verändert und den Mann zum bewundernden und werbenden Teil, die weibliche Schönheit an Stelle der männlichen Tüchtigkeit zur Quelle der Liebe gemacht. Dieser Umschwung hat sehr verschiedene Ursachen. Die soziale Ausbildung des Ritterstandes als eines von der nichtritterlichen Welt getrennten zog natürlich auch die weibliche Gesellschaft in die Sphäre des abgesonderten Standeslebens; im Orient that sich für die Kreuzfahrer das Bild eines verfeinerten, ausgebildeten, durch Poesie und Kunst geschmückten Standeslebens auf, worin das Weib eine wesentliche Rolle spielte; die Ausbildung des Marienkultus stellte auch für den gläubigen Christen ein jungfräuliches Weib in die nächste Nähe Gottes und gab den Jungfrauen und Frauen der Gegenwart ein erwünschtes durch die Kirche geheiligtes Ideal; die südfranzösischen Ritter, die in einem reichen, blühenden Lande längst an feinere Genüsse gewohnt waren als der deutsche Rittersmann sie kannte, und denen die Würde und Ehre der ehelichen Keuschheit und Treue im Sinne der guten deutschen Sitte fremd war, bildeten zuerst den konventionellen ritterlichen Minnedienst aus. Nach ihrer Minnekunst giebt es vier Stufen des Minnedienstes. Auf der ersten Stufe steht der schmachtende Ritter, der seine heimliche Liebe nicht zu gestehen wagt, sondern verbirgt und sich verstellt, der feignaire; hat er, durch die Frau ermutigt, das Geständnis gewagt, so wird er ein Bittender, pregaire: nimmt sie ihn zum förmlichen Liebesdienst an, so wird er ein Erhörter, entendeire, und ist ihm endlich die höchste Gunst gewährt, so heisst er der Liebhaber, drutz. Der Erhörung ging eine Prüfungszeit voran, deren Dauer dem Gutdünken der Dame überlassen war; dieselbe dehnte sich nicht selten auf fünf Jahre aus. War die Prüfung glücklich vorbeigegangen, dann wurde der Ritter der Vasall seiner Herzenskönigin und förmlich von ihr belehnt. In Südfrankreich wenigstens geschah dies mit den gleichen symbolischen Zeichen, wie sie bei der wirklichen Belehnung eines Vasallen stattfanden: Knieen, Händefalten, Kuss und Ring, auch das Scheren der Haare kam vor und priesterliche Einsegnung. Der Ritter trug nun an Schild oder Lanze die Farben der Frau und ein von ihr erteiltes Wappenzeichen: [216] Ring, Gürtel, Haarband, Schleier oder Ärmel. Die Frauen verlangten ausser allgemeinen Beweisen der Liebe diese oder jene That des Gehorsams und oft auf sehr launenhafte Art; manche Ritter sind von ihrer Dame gezwungen worden, an einem Kreuzzug teilzunehmen. Jeder Ritter musste sich nach dem Geiste der Zeit eine Herrin annehmen, die jedoch nie seine eigene Frau sein konnte. Der phantastische Geist der Zeitermöglichte es zwar, dass der Minnedienst zuweilen gänzlich ideal, bloss in der Empfindung lebend sich gestaltete; es gab Ehemänner, welche die Erlaubnis erteilten, dass andere ihren Frauen dienten. Anderseits war der Geist der Zeit bei beiden Geschlechtern sinnlichem Genusse nicht minder zugethan, und der Minnedienst war die gegebene Leiter dazu. Wie nach der Sitte die anwesenden Vasallen den Lehnsherrn zu Bette begleiteten und sich erst entfernten, wenn er sich niedergelegt hatte, so begleitete der befünstigte Liebhaber die Frau ins Schlafgemach. Ja, die Frau gewährte dem Liebhaber zuweilen eine Nacht in ihren Armen, wenn er sich eidlich verpflichtete sich nichts weiter als einen Kuss zu erlauben. Aus dieser verbreiteten Sitte sind die Tagelieder entstanden (siehe den besonderen Artikel). Der Zwiespalt zwischen der bloss empfundenen Liebessehnsucht und der sinnlichen Wirklichkeit liess Verschwiegenheit als eine besondere Sorge der Liebenden erscheinen; es war deshalb eine Ehrenpflicht des Minnesängers, den Namen der Frau gar nicht oder nur verhüllt zu nennen. Auch die Aufpasser oder merkaere, welche die Freude der Liebenden Tag und Nacht verbittern, gehören zum stehenden Beiwerk des Minnelebens.

Welche besondere Gestalt der konventionelle Frauendienst des Rittertums in Deutschland angenommen habe, ist mit Sicherheit nicht zu sagen. Die oben genannten vier Stufen des Minnedienstes sind bei deutschen Dichtern nicht nachzuweisen, und überhaupt ist es mehr der gesellschaftliche und poetische Reflex, der aus der Provence nach Deutschland hinüberscheint, als die Sache selber. Die Vorliebe der ritterlichen Sänger für den Frauendienst, das Gejammer über die merkaere, die Tagelieder, das Gesetz der Verschwiegenheit, alles macht den Eindruck des aus der Fremde Angelernten, und es sind auch bloss einige wenige allgemeine Züge, aus deren leichtherzustellender Mischung der etwas wässerige Reichtum der Frauendichtungen hervorgeht. Der provençalische Minnedienst hob das von der Volkssitte geforderte Eheleben eigentlich auf, und französische Schriftsteller erklären, dass nur solche Personen unter den Gesetzen der Liebe stehen, welche nicht miteinander verheiratet sind; zwischen Eheleuten finde keine Liebe mehr statt, und wenn zwei Liebende einander heiraten, erlösche augenblicklich das Verhältnis. Dass ein Mann oder eine Dame verheiratet sei, hinderte keinen Teil, ein Liebesverhältnis mit einer dritten Person einzugehen. Der Mönch Nostradamus, der Biograph der Troubadours, erklärt: Causa conjugii ab amore non est excusatio certa. Der deutsche Minnedienst schwebte gleichsam in der Luft, über den wirklichen Verhältnissen, bloss in der Phantasie des Zeitalters. Seine Hauptquelle sind die, französischen Quellen entnommenen Ritterepen, besonders die Artusepen, deren Helden Iwein, Gawein, Erek, Parzival, Titurel, Tristan als Muster galanter Ritter dargestellt sind. So ist auch der Wortschatz des deutschen Minnedienstes nicht gerade reich. Das Wort frouwe gehört in erster Linie dazu, weil der Ritter so seine Erkorene, seine Herrin ansprach; genâde heisst der Minnelohn; seine Art hängt sehr von[217] Absicht, Gesinnung und Gesittung der Liebenden ab; sie kann reine zärtliche Zuneigung, ein Blick, ein Wort, ein Erröten sein, oder ein äusseres Zeichen der Zuneigung: Brief, Ring, Armband, Spange, Gürtel, Schleier, Ausstattung an Ross, Kleidungen, Waffen oder endlich Gewährung der minne.

Ein wesentlich verschiedenes Element ist das Motiv echter, wahrer Liebe in den äusseren Formen ritterlicher Galanterie. Mit der konventionellen Frauenminne war im auf geschlossenen Gemüte dieser Zeit natürlich auch die wahre Liebe erwacht, die den Jüngling zur Jungfrau hinzieht; ihr gehört das schöne Liedchen an:


Dû bist mîn, ih bin dîn,

des solt dû gewis sîn.

dû bist beslozzen

in mînem herzen,

verlorn ist daz sluzzelîn:

dû muost immer darinne sîn.


Diese Minneträger sind nicht mehr frouwe und herr, sondern man und wîp, und der beliebte Streit, was edler und besser sei, frouwe oder wîp, beruht wesentlich auf der Frage nach höfisch-konventioneller Minne oder nach der tieferen Liebe; Walther hat sich für die letztere ausgesprochen. Die wenigen tiefempfundenen Lieder unter der grossen Zahl der Minnelieder sind Lieder der Liebe; die Liebe ist es auch, die, immerhin an den ritterlichen Frauenkult erinnernd, das Nibelungenlied und die Gudrun in sich aufgenommen haben:


soltu immer herzenlîche

zer werlte werden frô,

daz kümt von mannes minne,

du wirst ein schoene wîp,

obe dir got gefüeget

eins rehte guoten ritters lîp.


Darin klingt noch tief und voll die ältere Auffassung vom Verhältnis des Mannes zum Weibe, und ebenso in dem zweiten Grund der Abweisung Kriemhildens (der erste ist, dass sie ihre jungfräuliche Schönheit nicht aufopfern will), dass liebe mit leide ze jungest lônen kan. Dieser Gegensatz von liebe und leid ist auch sonst in der höfischen Dichtung weit verbreitet; während der Name minne in seinem ursprünglichen Werte längst verdunkelt, zum konventionellen Liebesausdruck geworden war, gab das Wort liebe eben durch seinen Gegenpart, das leit, dem Begriffe neues, unmittelbares Leben, das ausserhalb der höfischen Gesellschaft seinen Grund hatte. Wie über wîp und frouwe, so wird auch über den höheren Wert der minne oder liebe gestritten; Reinmar von Zweter spricht sich für minne aus, Ulrich von Liechtenstein identifiziert beide Wörter:


Staetiu liebe heizet minne.

liebe, minne, ist al ein:

die kan ich in mînem sinne

niht gemachen wol zuo zwein.

liebe muoz mir minne sîn

immer in dem herzen mîn.


Freidanks Bescheidenheit handelt in Abschnitt 37 von minne unde wîben, und denkt dabei kaum je an den ritterlichen Dienst, sondern an das natürliche Verhältnis von Mann und Weib:


Swer minnet, daz er minnen sol,

dem ist mit eime wîbe wol;

ist si guot, erst wol gewert,

swes man von allen wîben gert.

Ein man sol sîn getriuwez wîp

minnen für sîn selbes lîp;

swer ein getriuwez wîp hât,

diu tuot im maneger sorgen rât. –

Ist schoene wîp getriuwe,

der lop sol wesen niuwe.


Die Art des Liebeslebens ist nicht das einzige, was die Frau der höfischen Zeit bestimmt, aber das am meisten charakteristische; sie hat den höfischen Dichtern den Namen Minnesänger verschafft.

In engem Zusammenhang mit der Liebe steht die Schönheit, mhd. diu schoene. Alle Heldinnen der Rittergedichte sind, als ob sich das von selber verstände, schön, doch gelingt es der[218] Zeit nur in bescheidenem Masse, die einzelnen Züge der Schönheit darzustellen; wie denn an Kriemhild nicht gerade anschaulich diu ir unmâzen schoene gerühmt wird. Zur Schönheit gehört das lange, blonde Haar, eine aus rot und weiss gemischte Gesichtsfarbe, der Mund rot und durchscheinend wie eine Blüte, klein, festgeschlossen und verheissend; die Zähne weiss und eben, die Augenbrauen gebogen, scharf und schmal wie ein Pinselstrich, der Zwischenraum zwischen den Augen breit, die Nase gerade und lang, weder zu stumpf noch zu spitz, das Kinn gerundet mit einem weissen Grübchen, der Hals weiss, voll und fest; die Brust rund, klein und weiss; die Gestalt mässig gross, schlank und doch voll, in der Mitte des Leibes schmal und gelenk, die Hüften voll und zart, die Beine gerade und rund wie eine Kerze, die Füsse schmal, klein, gewölbt; Arme und Hande weiss, gerundet und fein, die Finger gerade und glatt. Einige Stellen mögen dies naher veranschaulichen:


Ir wol geroeter munt, ir liehten ougen,

ir kel, ir kinne, ir roeselihtiu wangen,

die hant daz sende herze mîn betwungen,

dô si darin geblickten lieplich tougen,

dar nâch zehant dô wart ich ir gevangen.

Gottfried von Nifen.


Wengel rôsen var,

wol gestellet kinne,

ougen lûter, klâr,

mineclîchiu tinne (Stirne)

hât si, diu mir krenket leben unde lîp:

hei, saelik wîp,

dur dîn besten tugende mir mîn leit vertrîp!

Hesse von Rinach.


Die Erziehung der adligen Töchter bezog sich mehr, als bei den Knaben der Fall war, auf die Kunst des Schreibens und Lesens und ausserdem auf die Arbeiten der Hausfrau. Nähen und Spinnen wurde früh gelernt. Die Kleider für die Männer, besonders die Ehrenkleider, wurden in der kemenâte von den Frauen verfertigt. Weben aber galt als einer Freien unwürdig; so überliess man das Wollespinnen gern den Dienstleuten, während edle Frauen Gespinst von Flachs und Seide verfertigten. Am beliebtesten aber war das Sticken, wirken in oder an der ram, für Wandteppiche, Tischtücher, Messgewänder, Altar-Antependien. An diesen Arbeiten hatten die jungen Mädchen teilzunehmen, die sich zu ihrer Ausbildung an einem befreundeten Hof aufhielten; sie waren stets in der Nähe ihrer Herrin und mussten sie, zumal wenn sie ausging, begleiten; denn eine edle Dame ging nie allein aus. Auf das äussere Benehmen wurden natürlich hohe Stücke gehalten, es giebt darüber besondere Aufzeichnungen, unter anderen die Lehren der Winsbeckin an ihre Tochter. Es galt als für eine Dame unschicklich, mit grossen Schritten einherzugehen, die Arme lebhaft zu bewegen; die Augen soll sie gesenkt haben, ohne sich umzuschauen. Einen fremden Mann zuerst anreden, war verpönt, sie sollte ihn nicht einmal anblicken, bis sie angeredet wurde. Lautes Sprechen und lautes Lachen war gegen die Sitte, die Frau und Jungfrau sollte bloss lächeln, smielen oder smieren. Einige Kenntnis der Heilkunst hatten die höfischen Frauen aus früherer Zeit her geerbt.

Auf die Leibespflege, Kleidung u. dgl. verwendete die höfische Frauenwelt natürlich viel Zeit, Mühe und Kunst. In erster Linie auf das Haar. Jungfrauen trugen lange, mit Bändern durchflochtene, eigene oder fremde Zöpfe, die man anch zu färben wusste. Nach der Vermählung wurden alter Sitte gemäss die Haare aufgebunden. Jungfrauen gingen gewöhnlich ohne Kopfbedeckung; im Sommer flochten sie sich einen Blumenkranz, schapel, der auch aus[219] künstlichen Blumen bestehen konnte; bestand der Kopfschmuck aus mehr als einem schapel, so heisst er das gebende, das nach Wahl, Geschmack und Mode sehr verschieden sein konnte; es wurde als der vorzüglichste Teil des Putzes einer Frau angesehen. Nach der Mode einer gewissen Zeit wurde durch das gebende das Haar am Hinterkopfe ûf gebunden; ein Teil des gebendes lief unter dem Kinn hin und bedeckte die Wangen; wenn daher ein Kuss empfangen werden sollte, musste das gebende aufgerückt werden. Die Kopftracht verheirateter Frauen ist der Schleier, diu rîse, er hing frei zu beiden Seiten des Hauptes nieder und reichte mit seinen Zipfeln bis auf die Brust. Verbreitet war das Schminken mit roter und weisser Farbe. An den Füssen trugen die Frauen Socken, die Schuhe waren mit Stickereien verziert und ausgeschnitten. Das Hemd von weisser Farbe, leinen, hanfen oder wollen, wurde, wie alle anderen Kleidungsstücke, bloss bei Tage angelegt. Es wurde dicht an den Körper geschnürt und fiel in reichen Falten bis auf die Füsse; der obere Halsteil des Hemdes war mit feinen Nähten, mit Gold- und Perlenstickereien geziert, oder fein gefältelt und mit Krausen besetzt. Eine Agraffe, spange, vürspange, schloss die Halsöffnung. Sowohl die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. aufgekommene Sitte der Brustentblössung als die engen, die Körperformen scharf hervorhebenden Kleider wurden viel getadelt. Ärmel wurden erforderlichen Falles ans Hemd angeschnürt oder angeheftet. Es waren zum Teil lange Prunkärmel von kostbaren Stoffen. Der rechte Kleiderluxus beginnt erst mit dem Rocke, dessen Schnitt durch die französische Mode bestimmt war, nach der Franzoyser siten, in dem snite von Franze, als man ze Frankrîche pfliget. Er reichte bis zu den Füssen herab, lag am Oberkörper fest geschnürt an und wallte unten in Falten herab. Am Halsausschnitt wird er durch eine Spange zusammengehalten; an den Ärmeln, am Hals und bisweilen am unteren Saume ist er mit Pelzwerk besetzt, um die Hüfte durch einen Gürtel zusammengefasst. Er ist ein- oder mehrfarbig. Das surkôt ist ein über dem Rock getragenes, meist mit Pelz gefüttertes Gewand, ebenso die den Slawen entlehnten suckenîe, gôdehse, die garnasch ein Pelzüberwurf nach italienischer Mode (ital. garnaccia); auch die kürsen ist ein Pelzkleid, davon der Kürschner. Über die Kleider wurde der swanz oder das swenzelîn angelegt, ein lang nachschleppendes Gewand, das besonders zum Tanze getragen wurde, sauber gefaltelt, gestickt und gegürtet. Das oberste Stück endlich ist der mantel, ärmellos und bis auf die Füsse herabreichend, unter Umständen so lang, dass er von Dienern nachgetragen werden musste. Er war das am prächtigsten ausgestattete Kleidungsstück, aussen und innen reich verziert, meist mit Hermelin gefüttert.

Zu den Schmucksachen der Frauen gehört der Gürtel, er besteht aus der borte, meist aus Seide gewirkt und oft überaus kostbar ausgestattet, der rinke oder Schnalle aus Glas oder Edelsteinen, und dem senkel, d.i. dem Metallbeschlag an dem andern Ende der Borte, der durch die rinke durchgezogen wurde und vorn lang herabhing. Namen für Spangen sind die nusche, der fürspange, das fürgespenge, die bratsche. Dazu kommen Ohrringe, Halsketten, Fingerringe, Armbänder. Die Handschuhe sind von Leder oder Seide. Ältere verheiratete Frauen bedeckten den Kopf mit einem Hute aus Samt, Pelzwerk oder Pfauenfedern.

Um das Bild des mittelalterlichen Frauenlebens in weiterem Umfange vor sich zu haben, müsste man die Frauenklöster in ihren verschiedenen,[220] adligen und bürgerlichen Gestaltungen, das Frauenleben der niederen arbeitenden Stände und nicht minder das Leben der fahrenden Weiber sich veranschaulichen; der letzteren gab es überaus viele. Noch mannigfaltiger aber gestaltete sich das Frauenleben in der letzten Zeit des Mittelalters. Zwar blieben einzelne Züge des höfischen Lebens auch an den späteren Höfen zu Recht bestehen, ja haben sich als Antiquitäten bis heute erhalten; aber der Minnekult starb gründlich ab, wie überhaupt die im 12. und 13, Jahrhundert bestandene Einheit der höfischen Bildung in die Brüche ging. In den Städten zog sich die Bürgerfrau auf den Kreis ihrer Häuslichkeit zurück, denn das Gewerbe und der Handel war einzig Sache der Männer. An Stelle des Gegensatzes zwischen schönen und hässlichen Frauen, zwischen solchen, die minne, und solchen, die unminne geben, zwischen hoher und niederer Minne tritt der Gegensatz zwischen tugend- und lasterhaften Frauen, zwischen keuschen und unkeuschen, zwischen Weltdamen und frommen Gemütern. Je mehr sich aber ein Stand niedriger Frauen von dem ehrbarer Frauen absonderte, desto eher mochten die letzteren in der Stille des Bürgerhauses gedeihen. Sogar in den Klöstern tritt der moralische Zwiespalt zwischen frommen und liederlichen Genossenschaften auf; in manchen Nonnenhäusern findet die Mystik ihre schöne Pflege, man hat Lieder und beschauliche Betrachtungen, die in Frauenklöstern entstanden sind; auch Einsiedlerinnen vermehren sich wieder; wie umgekehrt die Chroniken viel von höchst sittenlosem Thun in den Frauenklöstern berichten. An Stelle des Minneliedes tritt das Liebeslied, das zwar zum Teil auch frivolere Töne anschlägt, aber im ganzen mehr den Ernst der Liebe, das Schicksal der sich treu Liebenden, Trennung und Wiedersehen besingt und vielfach ältere, epische und mythische Züge in sich aufnimmt. Nach Vadian herrscht in St. Gallen ouch ein schoen und wolgezogene frouwenzucht, mit schoenem und souberm wandel und erbarlich bekleit und guoter sitten, zuo allerlei arbeit geschickt und geneigt. Das reichste Bild des deutschen Frauenlebens im 16 Jahrhundert gewinnt man wohl aus Hans Sachs' Gedichten, wo in kräftigen Farben das Leben und Treiben des deutschen Weibes, des tugend- und des lasterhaften, des milden und bösen, des armen und reichen, des hohen und niedrigen in Ernst und Scherz geschildert ist; folgende Verse aus einem seiner Gespräche, »Das Frawen Lob eines Biderweibs«, mögen diesen Artikel beschliessen.

Ein alter Mann spricht zu einem jungen, der kürzlich ein Weib genommen, mit welchem er nicht auskommt, und der deshalb auf die Frauen schmäht:


Sie (mein weib) kocht, spült, kert, wescht, neet und spinnt

Und zeucht mit fleiss die ihren Kind,

Ist arbeitsam, häusslich und echtig,

Embsig, endlich, weiss und fürtrechtig,

Mit allen Dingen in dem Hauss,

Ich sei darin oder darauss,

Auch sie ist messig, nimbt für gut,

Nachdem die Zeit es bringen thut,

All ding ist wol mit ir versehen,

Ir ding muss alls mit rat geschehen,

Auch geht sie eylend hin ir strass,

Steht nit zu blabbern diss und das,

Zu unnütz sie mir nichts vergeit,

Und ist mir trew zu aller zeit ...

Ist mir auch willig untertan,

Zu allem dem was ich will han,

Zu Bett und Tisch freundlicher weiss,

Meins willens hat sie allzeit fleiss,

Und ob sie etwas unrecht tut:

Straff ichs, so nimbt sie es für gut;

Ob gleich ein zoren ich anfach,

So gütet sie und gibt mir nach.[221]

Sie ist verstanden und verschwiegen,

Mit keinem Nachbawrn tut sie kriegen.

Wann ich trawrig, unmutig bin,

Redt sie mir das auss meinem Sinn

Und tröstet mich mit guten Worten,

Ist mir freundlich an allen orten

Ünd alle ding zum besten wend.

Dergleich weiber unzalbar send,

Die ir Mann halten lieb und wert

Und tun, was nur ir hertz begehrt ...

Ehweiber halten stete Lieb

Und sind ein ehrentreiche Kron

Ihren Mannen, spricht Salomon.

Als ich selb han ein ehrlich Frawen,

Der ich von hertzen tu vertrawen,

Die sich auch also züchtig helt,

Bey jedermann so ehrbar stelt,

In worten, werken und geper,

Dass ich sie von anfang bissher

Nit hab gespürt mit einem wort

Leichtfertig, frech an keinem ort,

Geht nit vil aus dem Haus mayiren,

Tut sich nit übermessig zieren,

Sondern fein ehrbarlich und schlecht;

Mit Mannsbilden sie nit viel sprecht,

Sie ist nit gögel noch fürwitz,

Noch mit sprichworten jens noch ditz,

Man hörts nit bubenliedlein singen,

Sie ist schamhaft in allen dingen,

Die winkeltänz sie allmal fleucht,

Unehrlich Gspielschaft sie auch scheucht.

Bey mir allein da ist ir wol,

Sie ist ja aller Tugend vol.

Ohn zal findt man der Weiber mehr,

Den ir sinn steht auf Zucht und Ehr,

Embsig, freundlich, in Lieb untadelich,

Löblich, und wirdig und ganz Adelich,

Ein auffenthalt irs Mannes leben.

Wem Gott ein solich Weib ist geben,

Den spricht auch selig Salomon.


Das Hauptwerk über diesen Gegenstand und unsere Hauptquelle ist Weinhold, Die deutschen Frauen in dem Mittelalter. 2. Aufl. Wien 1882; andere Quellen sind Schultz, Höfisches Leben; San Marte, Parzival-Studien III.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 213-222.
Lizenz:
Faksimiles:
213 | 214 | 215 | 216 | 217 | 218 | 219 | 220 | 221 | 222
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon