Feste, christliche oder Feiertage

[194] Feste, christliche, oder Feiertage. Die ältesten kirchlichen Fest- und Feiertage wurden vor dem Mittelalter gestiftet; der Sonntag als der Auferstehungstag ist schon im 2. Jahrh. allgemein gefeiert worden; doch ordnete erst Kaiser Konstantin im Jahre 321 eine strengere Sonntagsfeier an, indem er verordnete, dass an diesem Tage die gerichtlichen Sachen und die öffentlichen und gewöhnlichen Tagesarbeiten ruhen sollten; nur die Landleute sollten die günstige Witterung für ihre Feldarbeiten benutzen dürfen. Älter noch als die Sonntagsfeier ist die Osterfeier oder die Feier des jüdischen Passah, bei welcher an Stelle des jüdischen Osterlammes das Opfer des Herrn gefeiert wurde. In dieses Fest zog man die Feier des Todestages Jesu, des Charfreitags, und den darauf folgenden, grosser Sabbath genannten Sonnabend und setzte der würdigen Vorbereitung wegen das[194] vorausgehende 40tägige Fasten an. Wie die Juden, so begannen die Christen ihr Kirchenjahr anfänglich mit Ostern. So entnahmen die Christen den Juden auch das fünfzig Tage nach Ostern stattfindende Wochenfest oder das Fest der Frühernte, Pfingsten. Als allgemein gültiges Fest erscheint Pfingsten aber erst im 4. Jahrh. In dasselbe Jahrhundert fällt die allgemeine Einführung des Himmelfahrtfestes und der Weihnachtsfeier, alle drei Feste bedingt durch Anlehnung des christlichen Kultus an die Religion der Germanen, am meisten das Weihnachtsfest, welches geradezu das Fest der Wintersonnenwende zu decken bestimmt war. Die älteste Nachricht vom 25. Dezember als dem Geburtstage Christi findet sich im römischen Staatskalender des 4. Jahrh.; doch wurde zu gleicher Zeit, in der zweiten Hälfte des 4. Jahrh., auch der 5. oder 6. Januar angenommen. Der 25. Dezember hängt aber nach Piper, evangel. Kalender für 1856, S. 41 ff. erst in zweiter Linie mit der heidnischen Feier des kürzesten Tages zusammen, in erster Linie hängt derselbe vielmehr vom Tag der Empfängnis ab, als welcher mehrenteils der Tag der Verkündigung, der 25. März galt, auf welchen nach dem Julianischen Kalender die Frühlingsnachtgleiche fällt. Auf diese hat man die Menschwerdung Christi gelegt, aber nicht sowohl wegen dieses Jahrpunkts, sondern um der Weltschöpfung willen, die an diesem Tage, welcher der erste Tag der Welt heisst, ihren Anfang genommen haben sollte. Vgl. Feste, weltliche, und Weihnacht. Das Epiphanienfest am 6. Januar scheint älter als das Weihnachtsfest zu sein; als erstes Kirchweihfest, das bald Nachahmung fand, wird die Einweihung der von Konstantin dem Grossen erbaute Märtyrerkirche zu Jerusalem genannt. Erst dem 6. oder 7. Jahrh. gehört der Advent, dem 5. Jahrh. der Tag des ersten Märtyrers Stephanus, der dritte dem Evangelisten Johannes geweihte Weihnachtstag, dieser erst im 13. Jahrh. allgemein geworden; der unschuldige Kindertag, Festum Innocentium, wurde anfänglich mit Epiphanien zusammen gefeiert. Im 5. Jahrh. war damit der grosse christliche Festcyklus abgeschlossen. Jedes bedeutende Fest erhielt schon seit dem 4. Jahrh. seine Nach- oder Schlussfeier am achten Tage nach dem Feste, die Oktave.

Eine Erweiterung der Feiertage geschah durch die Verehrung der Märtyrer, ihrer Reliquien und der Orte und Kirchen, in denen jene aufbewahrt wurden. Ganz besonders aber trug die im 5. Jahrh. überhandnehmende Marienverehrung zur Gründung und Ausbildung der Marienfeste bei. Dieselben sind folgende: 1) Mariä Verkündigung, 25. März, Festum Annunciationis Domini oder Annunciationis Angeli ad B. Mariam, später Annunciatio Mariae oder Festum Conceptionis Christi genannt, wahrscheinlich das älteste, schon aus dem 3. oder 4. Jahrh. stammende Marienfest. 2) Mariä Reinigung, 2. Februar, auch Festum Praesentionis Domini, Festum Occursus, Festum Simeonis et Hannae, Festum Candelarum oder Luminum; Lichtmess, Licht-Weihe, Kerzen-Weihe, Kerz-Messe genannt, aus dem 6. Jahrh. 3) Mariä Himmelfahrt, 15. August, vielleicht schon im 6. Jahrhundert gefeiert, heisst auch Festum Herbarum oder Würz-Weihe, Würz-Messe. 4) Mariä Geburt, 8. September, Festum Nativitatis Mariae, im 7. Jahrhundert entstanden. 5) Mariä Opferung, 21. November, Festum Praesentationis Mariae, Feier von Marias Einweihung zum Tempeldienst und zur beständigen Jungfrauschaft. Das Fest kommt aus dem Orient und wurde erst im 10. Jahrh. im Abendlande, und nie allgemein, angenommen. 6) Mariä Empfängnis, 8. Dezember, [195] Festum Conceptionis Mariae, d.h. die unbefleckte Empfängnis der Maria von ihrer Mutter Anna, nicht die Empfängnis Jesu von der Maria. Es soll zuerst in England im 11. Jahrh. aufgekommen sein; der heil. Bernhard sprach sich noch gegen dieses Fest aus; dagegen warfen sich die Franziskaner zu Verteidigern dieses Festes in der Lehre auf, dass Maria ohne Sünde von ihrer Mutter empfangen worden und folglich ohne Erbsünde sei. Trotzdem die Dominikaner das Dogma bestritten, erklärte das Konzil zu Basel 1439 die Annahme der Franziskaner für orthodox und schrieb das Fest allgemein vor als eine consuetudo antiqua et laudabilis. 7) Mariä Heimsuchung, 2. Juli, Festum Visitationis Mariae, kam im 14. Jahrh. als Kirchenfest auf und wurde im 15. Jahrh. erst allgemein. Papst Urban VI. ordnete 1389 das Fest an, damit bei dem unheilvollen Zerwürfnis der Kirche Maria seiner Bitte desto geneigter sei und das Schisma beseitige.

Kleinere Marienfeste, die zum teil erst in die nachreformatorische Zeit fallen, sind das Rosenkranzfest, 1. Oktober, seit 1573; Marias Verlobungungsfest mit Joseph, 23. Januar, seit 1546; Mariä Ohnmachtsfeier oder Fest der sieben Schmerzen, Freitag oder Sonnabend vor Palmsonntag, seit dem 15. Jahrh.; Mariä Freudenfeier, 24. September, seit 1745, und Mariä Schneefeier, 5. August, zur Erinnerung an die Einrichtung einer Marienkirche zum Schnee.

Die vornehmsten und am meisten verbreiteten Feste der Märtyrer, Heiligen und Apostel sind:

Das Fest Johannes des Täufers, 24. Juni, aus dem 5. Jahrh.

Tag Petri und Pauli, 29. Juni, 4. Jahrh.

Petri Stuhlfeier, Festum Cathedrae Petri, 22. Februar oder 8. Januar, 5. Jahrh.

Petri Kettenfeier, Festum Petri ad Vincula, 1. August, 4. Jahrh.

Pauli Bekehrung, Festum Conversionis Pauli, 25. Januar, 1200 von Innocenz III. begründet.

Aposteltag des Philippus und Jacobus, 1. Mai, von Bonifaz IV. im 7. Jahrh. gestiftet.

Aposteltag des Simon und Judas, 28. Oktober.

Aposteltag des Andreas, 30. November, seit dem 4. Jahrh. Andreas, Bruder des Petrus, Apostel der Skythen, erlitt den Märtyrertod auf einem sog. Andreaskreuz, d.i. einem Kreuz in der Form eines X. Seine Reliquien sind sehr verbreitet, ebenso seine Patronatschaften ganzer Länder, Städte, Innungen und Brüderschaften. Wegen seiner Verbindung mit der heil. Virgo ist er Patron der Ehe und wird von ledigen Jungfrauen angerufen. Auf Andreas ging ein Teil der Bedeutung des Gottes Freyr über, des Gottes der Fruchtbarkeit und der Ehen.

Aposteltag des Thomas, 21. Dezember.

Aposteltag des Jacobus, des Ältern, 25. Juli.

Bartholomäustag, 24. August.

Matthäustag, 21. September.

Aposteltag des Matthias, 24. Februar.

Tag des Apostels und Evangelisten Johannes, 27. Dezember.

Tag des Evangelisten Markus, 25. April.

Tag des Evangelisten Lukas, 18. Oktober.

Das Fest aller Heiligen wurde von der morgenländischen Kirche schon im 4. Jahrh. am Sonntage nach Pfingsten, im Morgenlande seit dem 8. oder 9. Jahrh. am 1. November gefeiert.

Den vier Hauptlehrern und Säulen der abendländischen Kirche: Gregorius, Augustinus, Ambrosius und Hieronymus, verordnete Bonifaz VIII. im Jahre 1295 je ein eigenes Fest. Das Fest des heil. Gregor, das auf den 12. März fiel, war Kinder- und [196] Schulfest, Auch die vier Hauptlehrer der morgenländischen Kirche, Athanasius, Basilius der Grosse, Gregorius von Nazianz und Chrysostomus wurden im Abendlande wie im Morgenlande durch Feste ausgezeichnet.

Unter den Engeln erhielt bloss der Erzengel Michael sein Fest am 29. September; es wurde im 9. Jahrh. allgemein. Manche Gebräuche des Michaelistages in Deutschland hängen mit der Herbstfeier des Wodan zusammen, wie überhaupt manche Elemente der Wodansmythe auf den Erzengel Michael übergegangen sind.

Zu erwähnen sind endlich einzelne besondere Feste, die sich auf Christus, auf Glaubensartikel und auf besondere Vorfälle oder Lebenslagen der Gläubigen beziehen.

1. Das Fest der Verklärung Christi, Festum Transfigurationis Christi oder Patefactionis Christi in monte Thabor, am 6. August, ursprünglich im Morgenlande zu Hause, seit dem 9. Jahrh. im Abendlande, allgemein aber erst seit dem 15. Jahrh.

2. Kreuzes-Erfindung, Festum Inventionis S. Crucis, 3. Mai, seit dem 13. Jahrh. im Abendlande recht verbreitet, zu Ehren der Auffindung des Kreuzes Christi durch Helena, die Mutter Konstantin des Gr.

3. Kreuzeserhöhung, Festum Exaltationis S. Crucis, 14. September, vom Kaiser Heraklius 631 gestiftet, als die besiegten Perser das aus Jerusalem fortgenommene Kreuz, das sie 14 Jahre besessen hatten, wieder herausgeben mussten.

4. Fest der Lanze und der Nägel Christi, Festum Lanceae et Clavorum, 16. April, auf Bitte Kaiser Karls IV., der diese Reliquien erworben hatte, im Jahre 1354 von Innocenz IV. für Böhmen und Deutschland bestätigt.

5. Fronleichnamsfest, Festum Corporis Christi, am Donnerstag nach Trinitatis, als allgemeines Kirchen fest zuerst von Urban IV. im Jahre 1264 bestätigt (siehe den besonderen Artikel).

6. Das Trinitatisfest, am Sonntag nach Pfingsten, ist erst im 14. Jahrh. allgemeines Kirchenfest geworden.

7. Fest aller Seelen, Festum Omnium Animarum, 2. November. Als Urheber dieses Festes gilt Odilo, Abt zu Clugny; es wurde besonders von den Cluniazensern verbreitet, erhielt aber nie die päpstliche Bestätigung.

Die Art und Weise, wie die Feste gefeiert wurden, war natürlich nach der Bedeutung des Festes selbst, nach der Volksart der Festfeiernden und nach der Denk- und Empfindungsweise der Zeit verschieden; zahlreiche Überbleibsel altgermanischer Gebräuche, die sich namentlich auf die Feier der Jahreszeiten und ihrer Götter bezogen, waren in die christliche Festfeier einbezogen worden und fanden ihren Platz teils im Gottesdienste selbst, teils und stärker im weltlichen Teile des Festes, in Prozessionen, Schmausereien, Gesängen, Tänzen, in der Festkleidung, in Aufführungen, Spielen u.s.w. Die Blütezeit für die farbig-weltliche Feier der Feste war jedenfalls der Ausgang des Mittelalters, das 14. und 15. Jahrh. Die ernste Würde der höfischen Zucht, die ohne Zweifel auch in die Kirchen hinein gewirkt hatte, war gebrochen, und die sinnlichen Genüssen sehr ergebene Gesinnung des Landvolkes wie der Städtebewohner gab den Festen ein buntes, lautes und charakteristisches Gepräge, dessen weltlicher Geist dazu beitrug, eine Reformation auch dieser Zustände wünschbar zu machen. Lebendige Schilderungen dieser weltlichen Festfreuden geben Sebastian Frank im Weltbuch, Blatt 130 ff.: Von der Römischen Christen Festfeyr. Tempel, Altar, Begräbnis, Besingnis und Breuchen durch das ganz jar, und Johannes Kessler im ersten Buch der Sabbata: Epitome oder ain kurze Beschribung des[197] Papstumbs. Ausgabe von Götzinger. St. Gallen, 1866, Bd. I, S. 51 ff. Das Hauptwerk über die christlichen Feste ist immer noch Augusti, die Feste der alten Christen. 3 Bde. Leipzig, 1817–20. Meist danach handelt ausführlich über die Feste Fink in Ersch und Gruber, Art. Feiertage. Über die germanisch volkstümlichen Beziehungen zu den Festen vgl. Wuttke, Volksaberglauben § 73 ff.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 194-198.
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