[114] Christliche Altertümer (hierzu Tafel »Christliche Altertümer I u. II«), im weitern Sinn alle auf die Anfänge des Christentums bezüglichen Schrift- und Kunstdenkmäler bis zum Beginn der byzantinischen Kunstepoche, im engern Sinne die Erzeugnisse der Kunst und des Kunsthandwerks, die in den unterirdischen Begräbnisstätten der ersten Christen, vornehmlich in den Katakomben (s.d.) in und bei Rom, erhalten worden sind. Diese ersten Äußerungen der christlichen Kunst schließen sich in der Kunstform wie in der Technik eng an die heidnisch-römische Kunst an,[114] aus der sie hervorgegangen sind. Sie unterschieden sich von jener anfangs nur durch die Symbole, die auch später noch das charakteristische Merkmal blieben. Die künstlerische Ausschmückung der Katakomben war in erster Linie dem Gedächtnis der Toten, dann der Erbauung der Überlebenden gewidmet, die sich an den Gedächtnistagen der Märtyrer in den unterirdischen Begräbnisstätten versammelten. Die Einrichtung der Begräbnisstätten mit ihren übereinander gereihten Nischengräbern (Tafel 1, Fig. 2,4 u. 5) ist den römischen Kolumbarien (s.d.) nachgebildet, ebenso wie die Form der römischen Sarkophage beibehalten wurde, nur daß an Stelle der mythologischen Darstellungen solche aus dem Alten Testament und später auch aus den Evangelien traten (Tafel I, Fig. 6, und Tafel »Bildhauerkunst VII«, Fig. 9). Die Behandlung der Körperformen und der Tracht wich nicht von dem in der römischen Kaiserzeit üblichen Stil ab. Die Ausführung der plastischen und gemalten Kunstwerke ist freilich meist roh und flüchtig, was sich z. T. aus der gebotenen Schnelligkeit der Herstellung, z. T. aus dem allgemeinen Verfall der Kunst im römischen Reich erklären mag. Die Decken- und Wandmalereien hängen in ihrer Einteilung und Umrahmung, in der Belebung der Flächen mit Vögeln, Rankenornamenten, Palmettenverzierungen, Fruchtschnüren etc. völlig von der aus den Überresten in Pompeji und Rom bekannten griechisch-römischen Wanddekoration ab (Tafel II, Fig. 1). Nur sind an die Stelle der Götter, Heroen, Nymphen und Satyrn die Gestalten des Alten Testaments und die Symbole getreten, die vor der Darstellung des gekreuzigten und segnenden Christus diesen geraume Zeit ersetzten. Das älteste figürliche Sinnbild Christi scheint der Gute Hirt mit dem Lamm gewesen zu sein (Tafel I, Fig. 1, und Tafel II, Fig. 1), der sehr häufig auf Wand- und Deckenmalereien und auch in plastischen Darstellungen vorkommt (seit Ende des 2. Jahrh.). In Verbindung mit ihm, als Prototyp aus dem Alten Testament, erscheint Moses, der das Wasser aus dem Felsen hervorspringen läßt, wie Christus das lebendige Wort Gottes (Tafel I, Fig. 3). Von großer Mannigfaltigkeit sind die Werke der Kleinkunst, die zumeist als Gräberbeigaben in den Katakomben und in andern altchristlichen Begräbnisstätten gefunden worden sind. Es sind teils Kultusgeräte, wie z. B. die Löffel, mit denen das Abendmahl in der griechischen Kirche gereicht wurde (Tafel II, Fig. 2 u. 6), und das Gefäß, in dem der Abendmahlswein auf dem Altar aufbewahrt wurde (Tafel II, Fig. 12), zum größern Teil aber private Gebrauchs- und Schmuckgegenstände, die sowohl als Erkennungszeichen der ältesten Christen wie als Amulette zum Schutze gegen die Heiden dienten, Lampen mit dem Christusmonogramm (Abbild. s. bei »Lampen«), Glasgefäße (Tafel II, Fig. 11 u. 13, und Tafel »Glaskunstindustrie I«, Fig. 4), Elfenbeinschnitzereien, darunter auch solche für Bücherdeckel nach Art der römischen Diptycha (Tafel II, Fig. 14), silberne Löffel als Taufgeschenke (Tafel H, Fig. 9), Medaillons, geschnittene Steine und Ringe (Tafel II, Fig. 35, 8 u. 10), die durch Bilder Christi und der Maria, durch Symbole (Fische, Kreuz, Anker) oder durch Monogramme und Inschriften als altchristlichen Ursprungs bezeugt sind. Nachdem das Christentum unter Konstantin d. Gr. Staatsreligion geworden war, erlosch die Kunsttätigkeit für den geheimen Totenkult, und an die Stelle der Symbole trat die Darstellung der göttlichen und biblischen Personen, die zum Gegenstande des allgemeinen Kunstschaffens im Abendland wurde. Vgl. Art. »Archäologie«, S. 701, und die dort angeführte Literatur. S. auch Christliche Kunst.
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