Franziskanerorden

[209] Franziskanerorden. Sein Stifter, Johannes Bernardone, ist 1182 in Assisi als der Sohn eines reichen Tuchhändlers geboren. Den Namen Francesco erhielt er vom Vater erst zur Erinnerung an das ihm lieb gewordene Frankreich. Sorgfältig erzogen, aber ohne tiefere Kenntnisse, trat er in das Geschäft seines Vaters, gab sich aber zahlreichen Zerstreuungen hin. Erst als er aus einem Kriegszuge seiner Landsleute gegen die Perugianer und aus einer dabei erfolgten Gefangenschaft zu Hause in eine schwere Krankheit verfiel, begann er sein Leben zu ändern. Er begab sich in die Einsamkeit und wandte sich der Pflege besonders ekelhafter und ansteckender Krankheiten zu. Auf einer Wallfahrt nach Rom, als er an den Kirchthüren[209] für die Armen bettelte, hörte er den Ruf an sich ergehen, die zerfallene Kirche Gottes wiederherzustellen. Eine Predigt über Matth. 10, 9–10 veranlasste ihn, ein grobes Kleid anzuziehen, Tasche, Schuhe und Stab abzulegen und einen Strick statt des Gürtels anzunehmen. Sein Lieblingsaufenthalt in Assisi war das von ihm hergestellte Kirchlein der Maria der Engel, Portiuncula. Einige Jünger und Anhänger, die sich ihm anschlossen, veranlasste er, paarweise durchs Land zu ziehen und zu predigen. Die erste Regel der gemeinsamen Lebensordnung war fast ganz aus Sprüchen der Bergpredigt zusammengesetzt, ihre Gelubde die hergebrachten: Armut, Keuschheit und Gehorsam, die Armut in strengster Auffassung. Sie nannten sich anfangs die armen Büssenden von Assisi; erst als im Jahre 1209 Innocenz III. eine vorläufige Bewilligung erteilte, nahmen sie den Namen Fratres minores, Minoriten, Mindern Brüder, Minderbrüder an. Der Name Franziskaner ist späterer Entstehung; in Oberdeutschland hiessen sie meist Barfüsser. Ein oberster Diener, minister generalis, sollte der gesamten Brüderschaft vorstehen, bei ihm sollten alle in Italien lebenden Brüder sich alljährlich, die auswärtigen alle drei Jahre versammeln. Nachdem der Orden rasch zu einer europäischen Verbindung herangewachsen war, wurden für die einzelnen Konvente Guardiane, custodes, eingesetzt, für ganze Kreise und Länder Vorsteher; alle sollten ministri heissen; doch kürzte man den Namen ministri provinciales bald in Provinziale, den des Minister generalis in Ordensgeneral. Schon früh traten im Orden zwei sich befeindende Richtungen hervor: die eine, mildere, forderte das Recht gemeinsamen Besitztums und Teilnahme an kirchlicher, künstlerischer und wissenschaftlicher Bildung; sie ist besonders durch Helias von Kortona vertreten, seit 1221 Generalvikar des Stifters; die andere, streng asketische und an der Armut unbedingt festhaltende, sieht ihren Hauptvertreter in Antonius von Padua, gest. 1231. Obgleich Innocenz III. noch 1215 die Gründung neuer Orden hatte verbieten lassen, wurde dennoch von Honorius III. die Regel Francescos feierlich bestätigt. Darin verspricht Franciscus dem Papste Honorius und seinen Nachfolgern Gehorsam und Ehrfurcht, die anderen Brüder sind gehalten, dem Bruder Franciscus und seinen Nachfolgern zu gehorchen. Wer in den Orden eintreten will und fest im katholischen Glauben erfunden ist, soll hingehen, alles das Seine verkaufen und es den Armen geben. Nach einem Probejahre wird er zum Gelübde zugelassen. Die Brüder erhalten eine Kutte mit einer Kapuze; diejenigen, die es bedürfen, können Schuhwerk tragen. Alle sollen sich in geringe Gewande kleiden und mögen sie ausflicken mit Säcken oder anderen Fetzen, unter Gottes Segen. »Aber ich vermahne sie, dass sie die Menschen nicht verachten noch richten, welche sie sehen mit weichen, bunten Kleidern angethan, oder feine Speisen und Getränke geniessend, sondern ein jeder richte und verachte nur sieh selbst.« Sie sollen durch die Welt wandernd nicht hadern und mit Worten streiten, sondern friedlich, bescheiden, demütig jedermann ehrbar Rede stehen und in ein Haus eintretend, zuerst sagen: Friede sei mit diesem Hause! Die Priester werden zur Feier der heiligen Stunden des Tages und der Nacht nach der römischen Kirchenordnung, die Laien unter den Brüdern zu einer bestimmten Anzahl Paternoster an diesen Stunden verpflichtet, dazu Fasten fast die Hälfte des Jahres. Die Brüder, denen der Herr die Gnade einer Handarbeit verliehen[210] hat, mögen getreu arbeiten. Als Lohn ihrer Arbeit mögen sie, mit Ausnahme des Geldes, für sich und ihre Brüder nehmen, was der Leib bedarf, bescheiden, wie es Liebhabern der Armut ziemt. Die Brüder sollen sich nichts aneignen, nicht ein Haus, noch eine Stätte, noch irgend eine Sache, sondern als Fremdlinge in dieser Welt dem Herrn in Armut und Demut dienend, sollen sie nach Almosen gehen und dessen sich nicht schämen, denn der Herr hat sich arm für uns in dieser Welt gemacht. – Die Wahl eines Nachfolgers des Generals geschieht durch die Provinziale und Guardiane auf der regelmässigen Pfingstversammlung. Predigen soll nur der Bruder, der vom General geprüft und vom Bischof des Sprengels Erlaubnis erhalten hat.

Durch die Tochter eines angesehenen Ritters in Assisi, Clara Scifi, eine eifrige Anhängerin des Franciscus, wird 1212 der Orden der armen Frauen, nachmals meist Clarissen genannt, nach der Regel der Minderbrüder gestiftet, nur dass sie nicht wanderten, sondern in das Kloster eingeschlossen blieben.

Ein dritter Orden, Tertiarier, ursprünglich Brüder und Schwestern der Busse, nahm solche zu Mitgliedern auf, die in ihrem Besitztum und bürgerlichen Leben, auch in der Ehe, blieben und bei der der Aufnahme nur versprachen, alle Gebote Gottes zu halten; ausserdem wird die Zurückstellung alles ungerecht Erworbenen, die Aussöhnung mit dem Nächsten, für Ehefrauen die Zustimmung ihrer Männer verlangt. Die Mitglieder sollen geringe, dunkelfarbige Kleidung tragen, Schauspiele, Tänze und andere Weltlust meiden, in frommen Werken sich üben und alle kirchlichen Pflichten nach bestimmter Vorschrift eifrig erfüllen, insbesondere nebst durchgängiger Mässigkeit langausgedehnte Fasten halten. Zu schwören in gemeiner Rede und feierliche Eide sollen sie möglichst meiden, Streitigkeiten nach dem Rate der Oberen vergleichen. Angriffswaffen dürfen sie nur führen zur Verteidigung der römischen Kirche, des christlichen Glaubens und ihres Landes. Die Eingetretenen haben nach drei Monaten über ihre Güter, soweit sie dazu berechtigt, letztwillig zu verfügen. Alles dies unter Aufsicht aus ihrer Mitte auf Zeit erwählter Visitatoren und in unbestimmt gehaltener Verbindung mit dem eigentlichen Mönchstum. Spätere Überlieferung verlegte den Anfang des Tertiarier-Ordens in das Jahr 1221. Seine Verbreitung war eine unermessliche, vom Könige und der Königin herab bis zum Bettler, und der Orden durchbrach dadurch in wirksamer Weise mitten in der Blüte des höfischen Standes die Bande der Ständetrennung.

Franciscus starb 1224 zu Assisi und wurde schon 1228 heilig gesprochen. Zweiundvierzig Jahre nach seinem Tod zählte der Orden 5000 Klöster mit 200,000 Mönchen in 23 Provinzen. Diese grosse Verbreitung dankt der Orden verschiedenen Umstanden; In erster Linie der Persönlichkeit des Stifters, dessen gemütsinnige Vertiefung in das Vorbild Christi und dessen unbedingte entsagungsvolle Liebe zu allen Armen und Elenden in dieser Zeit kirchlicher Verweltlichung einen tiefen Eindruck hervorbrachte. Die Behauptung, dass in seinem Leibe die Wundmale Christi eingeprägt gewesen seien, erhöhte nach seinem Tode die unbedingte Verehrung des Mannes; im 14. Jahrh. wurden durch Pisis Albizzi (gest. 1401) in dem Liber conformitatum nicht weniger als vierzig Ähnlichkeiten zwischen Christus und Franciscus nachgewiesen. Sodann gab der Grundsatz urchristlicher Armut, der herumwandernden Predigt, des Lebens in[211] und mit dem Volke diesem Orden noch mehr als seinem Rivalen, dem Dominikanerorden, einen ungemein populären Zug; das waren weder reiche, vornehme Mönche, wie noch die Cluniazenser und Cisterzienser, noch überhaupt geistliche Ordensleute, die, von der Welt abgesondert, bloss auf ihrer eigenen Seele Heil besorgt waren, sondern fromme Männer, die mit dem Niedersten wie mit dem Höchsten in der Tracht des ersten verkehrten, ihm halfen, ihm zusprachen, Vorbild waren in der Entsagung. Dass das erste Ideal des heiligen Franciscus vielfach verletzt zu Tage trat, verstand sich von selbst: die katholische Kirche mit ihrem Reichtum und ihrem Streben nach Macht spottete der freiwilligen Armut; innerhalb des Ordens selbst hörte die Spaltung in eine freiere und eine gebundenere Richtung nie auf. Die Kongregationen der armen Cölestiner Eremiten, der Spiritualen und der Brüder der strengen Observanz sind aus diesem Zwiespalt hervorgegangen. Auch der Franziskanerorden wurde zuletzt reich, und seine Kirchen entbehrten des Goldes und Silbers keineswegs; auch er hatte den Ehrgeiz, die Lehrstühle der Universitäten zu besetzen und dadurch Einfluss auf die Kirche zu gewinnen. So kam es, dass die Minoriten samt den Dominikanern zuletzt den Verfall der katholischen Kirche am deutlichsten repräsentierten und schon vor der Reformation der öffentlichen Verachtung anheimfielen. Hase, Franz von Assisi. Ein Heiligenbild. Leipzig 1856. Sebastian Franck schreibt in seiner Chronik, Zeitbuch und Geschichtbibel folgendes über den Orden:

»Barfüsser-Orden. Anno 1222 bestätiget bapst Honorius III., der münchsvater, auch disen Orden, von Francisco einem Walchen eingestift, der ein Kaufmann und fast weltlicher mensch biss in 25 jar was. Darnach gedachte er Christo nachzufolgen, verschmacht alle irdische ding. Und als er geschuocht mit zweien rinken gegürt gieng, da ward er eingedenk des Herren wort: Ir solt weder seckel noch taschen, silber oder golt tragen, auch nit geschuocht sein, und wer sich nit aller ding verzeihet, der mag nit mein jünger sein. Deshalb warf er alle ding von im, auch die gürtel, gürtet ein strick umb und fieng alsbald disen orden an. In dem was er im selbs also streng, das er in winter zeit, in anfechtung des fleischs, sich mit schnee oder eiss zuo decket. Er hiess die armuot allweg sein herrin, so hört er lieber schmach dann lob von im sagen, behielt nicht auf morgen, sein Herz schwebet in begird der marter. Gieng in Syriam für den Soldan, der empfieng in eerlich. Darbei wol abzuonemen ist, das er im freilich die warheit nit gesagt hat, dan die warheit wenig gottwillkummen ist an den Fürstenhöfen und in aller welt. Ich underlass hie die fabel zuo setzen, wie in Christus mit seinen heiligen fünf wunden bezeichnet hab. Als er nun 18 jar seinem Fleisch kein ruow liess, da starb er zur Assis, von papst Gregor IX. in der heiligen zal geschriben. Also hastu diese affen des Euangeliumbs beschriben, und der Barfuesser grundfest und seul. Nun ich lass ins gleich recht und guot gemeint haben, wa seind seine nachfolger? Die Kutt und kleid sihe ich villeicht, aber Franciscus leben niendert. Es stehet nit, das weder er noch die seinen mit der buchs umbher sei gelaufen und in allen spilen gewesen. Item nit, das er auf Holzschuohen sei gangen etc.

Orden der mindern Brüder S. Francisci. Anno 1224 oder bald darnach seind von den vorigen Barfüesser die Minores abgestiegen (Franck meint die Tertiarier) und geheckt worden, auch unter S. Francisci[212] kleid und regel, on das sie nit so streng seind, schuoh an tragen, gelt nemen und anregen und etwas mit der regel S. Francisci dispensirt haben.

Sie seind in vil Regel, Secten und Orden zerteilt: Holzschuoer, Barfüesser geregelt, Franciscaner odr Observanzer und Minores genant. Item Minimi. Etlich heissen de Evangelio, etlich de Caputio, und haben in vil dingen underscheid, on allein in der superstition seind sie alle eins.

Ich kan die unterscheid nicht alle anzeigen, ich find, dass die Minores von S. Francisco gepflanzt seind, von Honorio III. schwerlich bestetiget. Gemelter Francissus hat in ein Regel zuo leben geben, nemlich, das heilig Evangelium Christi zuo halten, in armuot, keuschheit und gehorsam, gleich als ob sie nun allein Christen seien, und welcher ein Christ wöll werden, muoss ein Barfüesser werden, oder als seien mancherlei Christen und Christus in im selbs zerteilt. Dieser Orden hat gehabt Berhardinum von Senis, Bonaventuram ein Cardinal. Item 3 Bäpst, Nicolaum IV., Alexandrum V., Sixtum IV. Item Alexander de Ales, welche alle in des Bapst register canonisiert seind, erhebt und in der heiligen anzal zuogeselt.

Sanct Clara-Orden. Im jar 1225 leuchtet S. Clara, ein jüngerin S. Francisci, von der statt Assis, die hat bei S. Damians kirchen eine heilige versammlung und Orden der armen frawen angefangen, fast auf S. Francisci weiss. Darin 17 jar ir fleisch casteiet. Bapst Inno IV. hat si in iren sterben heimgesuocht, Honorius und Gregorius haben si mit gnad und gab geerwürdiget, und Alexander IV. si unter die heiligen gezölt. Sie tragen graw, leben nach S. Francisci regel (wa si weich und lind ist), doch in vil stücken etwas verenderet, und der orden schleusst nichts dann weibesbild ein und kein mann, es gehe dann etwa in der stillmess zuo.« Siehe auch den Artikel Predigt.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 209-213.
Lizenz:
Faksimiles:
209 | 210 | 211 | 212 | 213
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon