[1031] Universitäten. I. Gründung. Die Ausbildung der Universitäten, einer gesamteuropäischen Erscheinung, geschieht im 12. Jahrhundert, parallel mit der Ausbildung des Rittertums und des neuen Cistercienser Mönchstums. Der Trieb des intellektuellen Lebens, die neue Wissenschaft der rationalen oder dialektischen Theologie, die Scholastik, welche die heilige Lehre mit den Kräften des natürlichen Denkens innerlich zu bewältigen und sich anzueignen suchte, zeitigte das Institut der Universitäten. Wie Rittertum und asketisches Mönchstum geht die Universität von Frankreich aus. Paris ist das Muster der deutschen Universitäten.
Die Pariser Universität ist aus alten kirchlichen Schulen hervorgegangen, der Domschule und den Klosterschulen zu St. Genevière und St. Victor. Der Ruf der grossen Lehrer, die hier im 12. Jahrhundert wirkten, zog aus allen Ländern eine zahlreiche Schülerschaft nach Paris. Der Kanzler oder Scholastikus des Domkapitels, dem die Pflicht oblag, für den Unterricht an der Domschule zu sorgen, sah als weitere Amtspflicht die Anstellung oder Lizentierung und Überwachung aller Lehrer der Diözese an. Daraus hervorgegangenen Missbräuchen entgegenzutreten, entstanden die Anfänge der Korporationen der Lehrerschaft. Innocenz III. regelte 1213 zuerst das Verhältnis zwischen dem Kanzler und der universitas magistrorum et scolarium. Allmählich erhielten die lockern Interessenverbände bestimmtere Form, und man unterschied in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vier Nationen der Artisten: Franzosen, Normannen, Pikarden und Engländer (später Deutsche), jede unter einem procurator oder provisor, die Gesamtheit unter einem rector. In Sachen der Lehre und der Disziplin (facultas) berieten alle Magister aller Nationen als Gesamtheit. Daneben bestanden als autonome Körperschaften von etwas späterer Bildung die drei Facultäten der Theologen, Dekretisten und Mediziner unter einem Vorsteher, Dekan genannt. In äusseren Angelegenheiten der Gesamtheit wurde von der Kongregation dieser sieben autonomen Körperschaften Beschluss gefasst, als Haupt der Gesamtheit galt der rector.
Im 15. Jahrhundert führte das Institut der Kollegien die Universität zu einer inneren Umbildung. Die Kollegien wurden seit dem 13. Jahrhundert als Stiftungen für arme Scholaren gegründet mit besonderm Wohnhaus. Allmählich zog sich der Unterricht aus den öffentlichen Lektorien in diese Kollegien zurück und wenigstens die Artistenfakultät löste sich in eine Anzahl Internatsschulen auf.
Älter als die Pariser, aber für die spätern deutschen Stiftungen von weniger Einfluss waren die italienischen Universitäten. Die medizinische[1031] Schule zu Salerno bestand schon im 11. Jahrhundert; seit der Mitte des 12. Jahrhunderts blühte die Rechtsschule zu Bologna auf, aus der im 13. Jahrhundert, durch eine Auswanderung, die zu Padua entstand. In Bologna zerfallen die Studierenden in citramontani und ultramontani, die aus ihrer Mitte je einen Rektor wählen. Die Studierenden sind nicht Knaben, wie in den Pariser Artistenschulen, sondern geistliche und weltliche Herren, die durch ihre soziale Stellung zur Bildung selbständiger Korporationen befähigt scheinen. Was die Lehre betraf, so lag hier alles in der Hand des Doktorkollegiums. Erst im 13. Jahrhundert kam zu der älteren Rehtsschule eine universitas philosophorum et medicorum, oder zusammen artistarum hinzu; die theologische Schule wurde 1362 errichtet.
Nachdem nach dem Bilde von Paris und Bologna in Frankreich, England, Italien und Spanien während des 13. und 14. Jahrhunderts ähnliche Schulen entstanden waren, folgte zuletzt Deutschland. Hier scheiden sich für das Mittelalter zwei Gründungsperioden: die erste fällt in die zweite Hälfte des 14., die andere in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Die erste Epoche folgt der Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs zwischen 1150 und 1300, zahlreiche neue Kanonikate waren gestiftet, Stadtschulen errichtet, die Dom- und Stiftsschulen vermochten mit den auswärtigen Universitäten nicht mehr zu konkurrieren.
1. Prag, 1347; gemäss der Stiftungsurkunde werden den Gliedern der Universität alle Privilegien, Immunitäten und Freiheiten zugesichert, deren die Glieder der Pariser und Bologneser Universität sich erfreuen. 2. Wien, 1365 gestiftet, doch erst 1384 recht ausgeführt, zum Teil durch Pariser Lehrer, die wegen des kirchlichen Schismas aus Paris vertrieben worden waren. 3. Heidelberg 1385. 4. Köln 1386, wo das theologische Studium schon blühte und es sich bloss darum handelte, die in verschiedenen Klöstern und Stiften vorhandenen Kurse zusammenzufassen, mit dem Recht der Erteilung akademischer Grade. 5. Erfurt 1389, eine städtische Stiftung. Als Nachzügler der ersten Epoche sind zu nennen 6. Leipzig 1409, gegründet in unmittelbarer Folge davon, dass zu Prag die böhmische Nation von den drei anderen Nationen (Bayern, Sachsen, Polen) den Vorrang in den Stimmen erhielt, und 7. Rostock 1419.
Die Gründungen der zweiten Epoche scheinen infolge eines ausserordentlich starken Andranges zu den Studien stattgefunden zu haben, infolge des Humanismus, des Aufkommens der römischen Rechtsgelehrten als eines besonderen Standes, steigenden Wohllebens, wirtschaftlichen Aufschwunges.
1. Greifswald, 1456. 2. Freiburg, 1460 eröffnet. 3. Basel, 1460. 4. Ingolstadt, 1472. 5. Trier, 1473. 6. Mainz, 1476. 7. Tübingen, 1477. Als Nachzügler 8. Wittenberg, 1502. 9. Frankfurt a. O., 1506.
Die Universitäten sind in erster Linie kirchliche Schulanstalten, den ältern kirchlichen Schulanstalten in Disziplin und Einrichtungen ähnlich. Ihr Zusammenhang mit der Kirche erweist sich 1. darin, dass überall die päpstliche Mitwirkung bei der Gründung einer Universität eingeholt wird, wodurch man sich nicht allein des notwendigen und vollkommenen Einverständnisses des Hauptes der Christenheit versicherte, sondern besonders die Ermächtigung zu lehren und Grade zu erteilen erhielt; die Verwaltung dieser Befugnis wurde regelmässig von einem ortsanwesenden Vertreter der Kirche, der Kanzler hiess, überwacht, meist der Bischof oder sonst der vornehmste Geistliche am Ort der Universität. 2. In der[1032] Ausstattung der Lehrer mit Einkommen aus Kanonikaten und Pfarreien. Die weltliche Obrigkeit stellte sich anfänglich nicht anders zur Universität, als zu jeder andern kirchlichen Stiftung, im 15. Jahrhundert dehnten sich jedoch die landesherrlichen Befugnisse sehr aus.
II. Organisation. Während in Paris in unregelmässigem Wachstum und nach verschiedenem Bildungsprinzip vier selbständige Körperschaften, vier Nationen und drei Fakultäten entstanden und äusserlich zu einer universitas verbunden worden waren, gingen die deutschen Neugründungen umgekehrt von der Einheit der Anstalt aus und gliederten nun dieselbe in Anlehnung an das schematisierte Pariser Vorbild auf doppelte Weise in Nationen und Fakultäten, einer doppelten Funktion der Lehre und der politischen Verwaltung entsprechend; als Lehranstalt heisst die Universität studium generale und teilt sich in vier Fakultäten, als Korporation heisst sie universitas studii Pragensis, Viennensis u.s.w., so dass jedes Glied der Universität in beiden vorkommt.
Die Nationen bilden eine rein äusserliche Einteilung der Gesamtheit für die Zwecke der Verwaltung nach der geographischen Lage des Heimatortes der Mitglieder. Aus dem Universitätsorte als Mittelpunkt wird die ganze Christenheit in vier Quartiere eingeteilt, jedes nach dem Namen einer am stärksten vertretenen Landschaft benannt. Jede Nation wählt einen Vorsteher, Procurator, der die Mitglieder in die Listen der Nation, Matricula, einträgt, die Versammlungen beruft, die Kasse verwaltet. In die vier Nationen gegliedert, übt die Gesamtheit, congregatio universitatis, die gesetzgebende Gewalt, beschliesst, nach Nationen stimmend, Statuten oder Disziplinargesetze, zu deren Haltung alle Glieder durch Eid sich verpflichten, wählt zum Teil durch eine komplizierte, indirekte Wahl den Rektor. Dieser ist Vertreter der Universität nach aussen und führt das Siegel, handhabt die der Korporation vom Landesherrn gegebene Gerichtsbarkeit. Jedem Rektor ist ein Rat, consilium universitatis, beigegeben, zu dem jede Nation zwei Mitglieder abordnet. Zu diesen Ämtern konnten anfänglich sowohl Graduierte als Nichtgraduierte wählen und gewählt werden; doch wurde schon früh die Stimmfähigkeit auf die Graduierten eingeschränkt; die passive Wahlfähigkeit blieb dagegen allgemein, besonders der Rektor war oft ein Nichtgraduierter. Die Einteilung in Nationen hatte aber auf den deutschen Universitäten von Anfang wenig Einfluss; die Dekane der Fakultäten nahmen von selbst neben den Räten der Nationen die Stelle von Beratern des Rektors ein und die jüngern Universitäten begnügten sich überhaupt mit der Einteilung in Fakultäten.
Was die Lehranstalt und die Fakultäten betrifft, so gibt es auf einer mittelalterlichen Hochschule weder eine bestimmte Zahl fester, besoldeter Lehrstühle für die verschiedenen Disziplinen, noch einen berufsmässigen Professorenstand, noch Studenten im heutigen Sinne. Lehren und lernen geht ineinander; man fängt den Kursus lernend an, geht allmählich zum Lehren weiter und schliesst ihn bloss lehrend. Jede Fakultät ist mit Beziehung auf die Lehre selbständig. Der scolaris schliesst sich als Lehrling einem bestimmten magister an, tritt meist in seinen Haushalt ein, der klösterlicher Natur ist. Nachdem er in etwa zwei Jahren die Anfangsgründe der Lehre erlernt, wird er der versammelten Meisterschaft vorgestellt, von ihr geprüft und zum baccalaureus, Gesellen, ernannt. Dieser lernt weiter, wird jedoch durch einen Eid verpflichtet, unter Aufsicht des Meisters[1033] seinerseits die Elemente der Kunst zu lehren. Nach etwa zwei Jahren wieder geprüft und von der kirchlichen Behörde mit der licentia ausgestattet, wird er durch öffentlichen Akt von seinem Meister zum Meister gemacht. Durch den Meistereid ist er verpflichtet, wenigstens noch zwei Jahre in der Stadt zu bleiben, um als Meister zu lehren, die Meisterschaft aufrecht zu erhalten. Er nimmt jetzt selbständig Lehrlinge an, die er zu Gesellen und Meistern heranzieht. Dieser vollständige Kurs der freien Künste heisst facultas artium; verlässt der Magister nach zweijähriger Ausübung der Kunst die Stadt nicht, so mag er die höheren Künste auf dieselbe Weise lernen: Medizin, Jurisprudenz, Theologie, und zu diesem Zwecke kann er in eine Stiftung, collegium, eintreten, wo er Wohnung und einiges Einkommen erhält; überdies erhält er von seinen Lehrlingen das Lehrgeld, pastus, minerval. Man bleibt dann Meister in der Artistenzunft und ist Lehrling oder Geselle in einer der andern Zünfte; erst wenn man Meister in einer der höhern Fakultäten, doctor, wird, scheidet man aus der untern aus. Erhält man endlich eine Kanonikatspfründe, so mag man lebenslang als Lehrer an der Universität bleiben. Die wenigsten machen aber diesen vollständigen Studiengang durch; die Zahl der Schüler in den obern Fakultäten war immer gering.
Ihren Unterhalt vermochten sich bloss die Lehrer der Artistenfakultät durch den Schullohn zu erwerben; Doktoren der höhern Fakultäten gewann man dadurch, dass man eine bestimmte Anzahl von Kanonikaten mit der Universität verband, einesteils mit einem Kanonikat die Pflicht der Vorlesungen vereinigte oder anderseits ein Kanonikat von allen oder einigen geistlichen Pflichten dispensierte. Erst allmählich erlangte die Landesobrigkeit Einfluss auf die Besetzung der Lehrstellen durch Gründung besonderer Professuren; seit dem 15. Jahrhundert besetzte die Obrigkeit die Lehrerstellen der obern Fakultäten von sich aus. Die Anzahl der Lehrer der Artistenfakultät hing von der Frequenz der Anstalt ab und erst im 16. Jahrhundert waren auch hier überall eine bestimmte Anzahl von Stellen festgesetzt.
Die Artistenfakultät war die Vorbereitungsanstalt für die obern Fakultäten, die philosophischen Professoren waren Studenten in den andern Fakultäten. An Rang und Recht standen die Artisten an der letzten Stelle. Vorhandene ältere Stadtschulen wurden oft in die Universität einverleibt. Der unterste Kurs der Artisten hiess manchmal paedagogium; das Alter der Schüler ging oft nicht über 12 Jahre hinaus. Schulen, die sich die Vorbereitung zur Universität zur Aufgabe machten, gab es im Mittelalter nicht; erst seit dem 16. Jahrhundert beginnen die Gymnasien. Grössere Stadtschulen lehrten unter Umständen den gleichen Stoff wie die Artistenschulen, wenigstens in ihrem ersten Kurs, dem sogen. Trivium.
In der äussern Lebensordnung sind die Universitätsglieder ursprünglich den Angehörigen der Kirche nachgebildet. Die Gesamtheit der Mitglieder der Wiener Universität heisst clerus universitatis, die Universitätsfeste sind kirchlicher Natur. Die Artistenfakultät feierte besonders den Tag der hl. Katharina. Auch die Kleidung war die geistliche: langer Rock von einfarbig dunklem Zeuge, für die Scholaren mit Kapuze und Gürtel, für den Magister mit Barett. Studentenkrawalle richteten sich u.a. gegen das Tragen des Gürtels. Die Dozenten standen unter dem Cölibat; von der weltlichen Obrigkeit der Schule ward bloss der Rektor zum Cölibat verpflichtet. Mediziner brachen wohl zuerst diese alte Sitte, dann Juristen und Artisten,[1034] am Schluss des 15. Jahrhunderts war ein verheirateter Magister keine Seltenheit mehr.
Im Hause des Kollegiums, in welchem auch die Räume für die Vorlesungen und Universitätsakte und Wohnungen für Scholaren sich befanden, wohnten die Magister klösterlich zusammen. Jeder hatte seine Stube, die Mahlzeiten waren gemeinsam. Jeder Magister hat einen Scholaren als Bedienten, famulus, servitor. Heizbar sind die Gemächer der Scholaren regelmässig nicht. Die Mahlzeit pflegte überaus einfach zu sein, im grossen Kollegium in Leipzig gab es 13mal im Jahr ein Extragericht nebst Wein und Früchten. Daher freute man sich so sehr auf die Festschämuse.
Ihre Unterkunft fanden die Studenten entweder mietsweise in den Kollegien, wo sonst die Magister wohnten, oder in besondern Stiftungshäusern; auch Privatunternehmungen einzelner Magister werden erwähnt. Ein solcher Konvikt hiess bursa, von dem wöchentlichen Beitrag (bursa = Börse), den die einzelnen Mitglieder, combursales, bursales, domicelli, socii, leisteten. Der Magister, der Unternehmer oder Vorsteher war, hiess conventor, Vermiether, auch rector bursae, regens bursam, daher die Burse auch regentia. Ausserhalb der Kollegien oder der approbierten Bursen zu wohnen, war überall verboten; Ausnahmen kamen bei vornehmen Personen, armen Leuten in dienender Stellung und Ortsangehörigen vor. Die Zahl der Bursenbewohner war oft eine beschränkte, 8, 10 oder 12 Mitglieder. Die Mitglieder der Burse bildeten die Lehrlingschaft des Meisters, sie hörten seine Vorlesungen, nahmen an den Disputationsübungen Anteil, die regelmässig nach dem Abendessen, oft auch nach dem Mittagessen stattfanden. Daneben hielten sie die öffentlichen Vorlesungen in den Lektorien der Kollegienhäuser. Die Repetitionskurse in den Bursen hiessen resumptiones und waren gegen Ende des 15. Jahrhunderts meist obligatorisch. Der Rektor kontrollierte den Besuch der Vorlesungen und die Akte der Fakultät, war auch verpflichtet, die Studenten ad latinisandum anzuhalten und Übertretungen durch theutonisare, deutsch reden, zu strafen. Heimlich aufgestellte Aufpasser, lupi, aus der Mitte der Scholaren notierten die Fehlbaren. Ging der Magister öffentlich aus, zur Kirche, zu den Fakultätsakten, spazieren oder ins Bad, so begleitete ihn die Lehrlingschaft. Die einzelnen Kammern der Bursenmitglieder, unheizbar, hiessen camerae, cellae, commoda, die heizbare Speise- und Schulstube stuba communitatis, aestuarium. Habsucht keilte oft in eine einzige Kammer bis 12 Scholaren.
Der Tisch wurde aus den Beiträgen der Bursenmitglieder bestritten, Koch war entweder der famulus oder die Bursalen selber in bestimmter Abwechslung.
Das mittlere Alter der Scholaren beim Anfang ihrer Studien war das 15. oder 16. Lebensjahr, doch kommen auch jüngere Scholaren vor.
Mittel des Unterrichts waren Vorlesungen und Disputationen nach Inhalt und Methode der Scholastik, die letztern namentlich mit der Kunst einer absichtlich unredlichen Sophistik ausgebildet und oft so heftig und erbittert geführt, dass z.B. an der Sarbonne in Paris der Platz des Opponenten von dem des Respondenten durch eine Bretterwand geschieden war, damit die Disputierenden sich nicht in die Haare fahren könnten.
Infolge der Reformation änderte sich der Charakter der Universitäten in mancher Beziehung, im ganzen aber hat sich kaum ein mittelalterliches Institut so zäh gegen die Formen neuer Bildung und neuer[1035] Lebensanschauungen erwiesen, wie die hohen Schulen.
An Stelle der kirchlichen Obrigkeit trat in den protestantischen Ländern der Landesherr oder die Landesobrigkeit; Bestätigung gab der Kaiser, die Auflösung der Bursen und Kollegien machte selbständige Vorbereitungsanstalten notwendig, Gymnasien u. dgl., wodurch der bisherigen Artistenfakultät der Charakter einer Vorbereitungsschule genommen und sie zur selbständigen philosophischen Fakultät heranwuchs. Neustiftungen sind Marburg 1527, Königsberg 1544, Dillingen 1554, Jena 1558, Helmstädt 1575, Altorf 1578, Würzburg 1582, Grätz 1585, Paderborn 1592, Giessen 1607, Rinteln 1621, Strassburg 1621, Salzburg 1623, Münster 1631, Osnabrück 1632, Duisburg 1655, Kiel 1665, Innsbruck 1672, Halle 1694, Breslau 1702, Fulda 1734, Göttingen 1734, Erlangen 1743, Stuttgart 1775, Landshut 1802. Dem Geiste der nachreformatorischen Bildung gemäss machte der lebendige, geistige Aufschwung der Reformationszeit einem ängstlichen, breiten und geistlosen Schematismus Platz, dem namentlich die Reinheit der Lehre und die Abweisung neuer Lehren am Herzen lag. Die Vorlesungen wurden nur in lateinischer Sprache gehalten, bis Christian Thomasius der Erste wurde, der deutsche Vorlesungen einrichtete. Die Teilnahme der Studierenden an der Leitung der Universitäten hörte auf, die persönliche Leitung der Studierenden durch die Lehrer trat ebenfalls zurück, so dass es möglich war, dass sich namentlich seit dem 30jährigen Krieg ein rohes Studentenwesen ausbildete, dessen hässlichster Auswuchs der Pennalismus war, eine rohe burschikose Vergewaltung der ältern Studenten oder Schoristen, d.h. derjenigen, welche die andern schoren, gegen die angehenden Mitschüler. Damals kamen die studentischen Namen Neovisti, Vulpeculae, Füchse, Caeci, Blinde, Vituli, Mutterkälber, Säuglinge, Innocentes, Unschuldige, Imperfecti, Galli domestici, Haushähne, Dominastri, Rappschnäbel, Bacchanten auf. Diese Jüngern mussten nun den Ältern die niedrigsten Dienste leisten und sich gleichsam zur Wehrhaftmachung nach Ablauf eines Jahres der Deposition oder Enttölpelung unterziehen, einer lächerlichen, zum Teil schmerzlichen Zeremonie mit einer Menge symbolischer Handlungen. Zu derselben Zeit kam unter den Studenten das Duell auf, ebenso die Landsmannschaften oder Verbindungen, die Studentenlieder und eine Litteratur kleiner Büchlein, worin sich ein lustiger, oft auch schmutziger Humor jeder Art geltend machte. Die geistige Erneuerung der deutschen Universitäten beginnt mit wenigen Ausnahmen erst im 18. Jahrhundert. Paulsen, die Gründung der deutschen Universitäten im Mittelalter, in Sybels historischer Zeitschrift 1881. Vgl. Zarncke, zur Geschichte der deutschen Universitäten; Tholuck, Vorgeschichte des Rationalismus; K.v. Raumer, Geschichte der Pädagogik. Bd. 4.
Buchempfehlung
Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.
88 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro