Münzwesen

[667] Münzwesen. I. Bei den Germanen versah in ältester Zeit hauptsächlich das Vieh den Dienst des Geldes; Ulfilas übersetzt Ausdrücke von der Bedeutung des Geldes mit faihu; althochdeutsche Glossen übertragen pecunia durch fihu; ebenso bezeichnet altsächsisch fehu, angelsächsisch feoh, altnordisch , das, was später allgemein Geld heisst. Die herkömmlichen Busszahlungen, die zur Aufrechthaltung des Rechtszustandes und öffentlichen Friedens für den Fall einer Verletzung vorgeschrieben waren, und das Wergeld wurden regelmässig in einer bestimmten Anzahl Stücke Vieh bezahlt und berechnet, vergleiche Tacitus Germ. 12 und 21; und zwar galt als Werteinheit eine gewöhnliche, gesunde, milchgebende Kuh, nach deren Wert sonstiges Vieh, Pferde, Ochsen, Kälber, Schafe, Ziegen und Schweine berechnet wurden; nach Jakob Grimm hängt damit das Wort Schilling zusammen, mit dem regelmässig das römische Wort solidus, die als allgemeine Werteinheit geltende römische Goldmünze, übersetzt wird; es soll nämlich Schilling mit skilan = töten, und Schuld verwandt sein; wer getötet hatte, war schuldig Busse zu zahlen, und der Wertbetrag, worin diese Schuld zu entrichten war, hiess Schilling; die Übersetzung der römischen Werteinheit mit der ältern deutschen Werteinheit sei aber dadurch befördert worden, dass beide Münzwerte einander ungefähr gleichkamen. Nach Anderen soll freilich mhd. schillinc von schellan herstammen und soviel als klingende Münze bedeuten. Dass aber der römische Solidus wirklich dem alten Kuhwert gleichkam, erhellt aus dem Volksrecht der Ripuarischen Franken, worin bei der Entrichtung des Wergeldes ein gehörnter, sehender und gesunder Ochse für 2 Solidi, eine gehörnte, sehende und gesunde Kuh für einen Solidus, ein sehendes und gesundes Pferd für 6 Solidi, eine sehende und gesunde Stute für 3 Solidi, ein Schwert mit Scheide für 7 Solidi gerechnet wird.

Neben dem Vieh erscheint aber bei den Germanen die Kenntnis und der Besitz von Metallen, Gold, Silber, Erz, sehr alt. Tacitus erzählt im fünften Kapitel der Germania: »Ich weiss nicht, soll ich es eine Gunst oder Ungunst der Götter nennen, dass sie ihnen Gold und Silber versagt haben. Zwar möchte ich doch nicht behaupten, dass Germanien keine Silber- oder Goldader berge, denn wer hat je danach geforscht? – aber Besitz und Gebrauch dieser edeln Metalle machen keinen sonderlichen Eindruck auf sie. Man kann sehen, wie bei ihnen silberne Gefässe, die ihren Gesandten und Fürsten zum[667] Geschenk gemacht wurden, gerade so geringschätzig behandelt werden, wie die Töpfe, die sie selbst aus Thon formen. Nur die unserer Grenze zunächst Wohnenden haben den Gebrauch von Gold und Silber beim Handel kennen gelernt und wissen sie zu schätzen, einzelne Gepräge haben sie sich gemerkt und nehmen diese mit Vorliebe an, während bei den Stämmen, die tiefer im Innern hausen, noch der ursprüngliche, alte Tauschhandel im Schwange geht. Am liebsten sind ihnen, weil alt und längst bekannt, die am Rande gezackten und die mit dem Gepräge eines Zweigespanns versehenen Denare. Silber ziehen sie dem Golde vor, nicht aus einem Vorurteil, sondern weil die grössere Zahl der Silberstücke für Leute bequemer ist, welche allerlei wohlfeiles Zeug zu verhandeln pflegen.«

Indessen bezeugen zahlreiche Nachrichten von Tacitus selber wie von anderen römischen Schriftstellern, dass es in den römischgermanischen Grenzländern an edelm Metall nicht gemangelt haben kann, und es ist wahrscheinlich, dass die hauptsächlichste Quelle des Zuflusses edler Metalle, namentlich von Silber, nach Deutschland in den Soldzahlungen sowie in den häufigen Geschenken und Subsidien der römischen Kaiser an germanische Truppen und Fürsten zu suchen ist. Die zahlreichen Goldfunde in norddeutschen Gräbern und in den Ostseeländern weisen aber darauf hin, dass die Germanen noch eine andere Quelle des edeln Metalls hatten; ohne Zweifel kam als Tauschmittel für ihren Bernstein von Westasien her im Verkehr mit den griechischen Kolonien an der Nordküste des schwarzen Meeres viel Gold in ihre Hände, welches sie als Ringgeld verwendeten. Ringe oder bougen in der verschiedensten Grösse, geschlossen oder spiralförmig gewunden (wuntâne bougâ des Hildebrandsliedes) als Arm- oder I Halsschmuck, einzeln oder mehrfach verkettet, sind oft in Gräbern aufgefunden worden und werden in nordischen und altdeutschen Dichtungen viel genannt. Freigebige Fürsten heissen Baugenbrecher, Baugenzerstückler, Ring- oder Gold-Brecher. Namentlich war das Ringgeld in Anwendung beim Tauschhandel und für die Belohnung geleisteter freiwilliger Kriegsdienste. Dass, wie beim Vieh, auch bei den Ringen ein gewisses Gewichtssystem, eine absichtliche regelmässige Gewichtsbemessung geherrscht habe, wird von der neuesten Forschung abgewiesen. Dagegen liegt es auf der Hand, dass zur Bestimmung und Wertung des Ringgeldes Wage und bestimmtes Gewicht notwendiges Erfordernis war. Wahrscheinlich haben die Germanen auch ihr Gewichtswesen auf demselben Wege erhalten, auf welchem sie zuerst gegen den Austausch ihrer Produkte Edelmetall erhielten, im Verkehr mit den griechischen Kolonieen am schwarzen Meere, und zwar war es nicht der attische Münzfuss, den die Germanen von daher erhielten, sondern der besonders in der Stadt Cyzikus am Bosporus herrschende bosporische Münzfuss, nach welchem die Drachme 3,71 Gramm wog; es ist das nämliche Gewichtssystem, das man in den ältesten syrischen und sidonischen, hebräischen und ägyptischen Münzen findet und das zuletzt auf das Fundament des ganzen Gewichtswesens, das babylonische Talent, zurückführt.

II. Das Münzwesen des merowingischen Reiches gründet sich auf das römische Münzwesen. Im römischen Reich aber war seit der Mitte des 3. Jahrhunderts das gesamte Münzwesen in die ärgste Verwirrung geraten, sodass der Denar, ursprüngzu 3,41 Gramm geprägt, zu einer[668] immer wertloseren Billonmünze und schliesslich zu einem winzig kleinen Weisskupferstück hinabgesunken war. Auch die Goldmünzungen waren so unregelmässig geworden, dass die Goldmünzen schwerlich anders als mit fast jedesmaliger Feststellung des Gewichtes der einzelnen Stücke den Geldumlauf vermitteln konnten. Kaiser Konstantin I. brachte endlich eine umfassende Reform des Münzwesens zu stande, welche lange Zeit herrschend blieb. Als oberste Norm der Wertbestimmungen sollte von nun an das Pfund gereinigten Goldes nur nach dem wirklichen Gewichte und ohne Rücksicht auf das Gepräge gelten; es wurde eingeteilt und ausgemünzt in 72 Solidi, welche also 1/6 Unzen oder 4 Skrupel = 4,55 Gramm wiegen sollten. Das römische Goldgeld wurde als allgemeine Weltmünze betrachtet und Ausmünzung desselben galt als ein ausschliesslich kaiserliches Recht, während die Ausmünzung von Silber und Kupfer seitens fremder Regenten kein Bedenken fand. Als Silbergeld bestanden während des 5. und 6. Jahrhunderts nur die siliquae, deren beständig 24 auf den solidus gerechnet wurden. Solidi und Siliquen nebst entsprechender Menge von Halb-Siliquen und wenigen Doppelstücken der Siliqua waren daher die Münzen, welche die germanischen Stämme bei ihrer Niederlassung in den römischen Provinzen vorfanden und welche später die Grundlage ihres eigenen Münzsystemes wurden; doch besassen die Franken und Gallier neben den beiden genannten Münzsorten noch ältere römische Silberdenare zum Werte von 1/12 des Goldsolidus, und eine ebenfalls Denar genannte ausserordentlich kleine Kupfermünze, deren 6000 oder eine dieser Summe nahekommende Zahl auf den Solidus ging und von welcher wieder 5 Stück die gewöhnliche Kupfermünze ausmachten; von der letzteren kamen also 50 Stück einer Siliqua und 1200 Stück einem Solidus an Wert gleich. Eine Neuerung trat durch das fränkische Münzsystem insofern ein, als an die Stelle sowohl des alten Silberdenars = 1/12 Solidus, wie der Siliqua = 1/24 Solidus ein neuer fränkischer Denar = 1/40 Solidus trat; nach ihm sowohl als nach dem Goldsolidus werden im Volksrechte der salischen Franken die Bussansätze gewertet.

Die Münzen der Merowingischen Periode sind entweder Gold- oder Silbermünzen. Von den Goldmünzen besteht der weitaus grösste Teil in Drittel-Solidi, Trienten oder Tremissen; ganze Solidi sind wenige vorhanden, halbe kommen nicht vor. Die Goldmünzen tragen 1. entweder den Namen der oströmischen Kaiser, wobei aber sonst durch ausdrückliche Bezeichnung der fränkische Ursprung dargethan wird, oder 2. den Namen eines fränkischen Königs und ausserdem entweder den gewöhnlichen Revers der damaligen oströmischen Goldmünzen Victoria Augustorum oder den Namen eines Münzers, eines Ortes und verschiedene Embleme, wie Kreuz, Chrisma (Monogram Christi), mit sehr starkem Relief der Bilder; oder 3. geben sie eine spezielle sachliche Bestimmung in der Aufschrift kund, wie moneta palatii, racio fisci, racio ecclesiae, racio basilici Sci Martini, und daneben den Namen des Münzers und Ortes, oder 4. sie tragen nur den Namen eines Münzers mit Angabe des Ortes und der Prägung. Eine Jahreszahl hatten die merowingischen Münzen nicht. Die Nachbildung der oströmischen Goldmünzen geschah meist in sehr roher Weise und mit auffallender Korrumpierung der kopierten Schrift und der Typen; die Ausmünzungen wurden in grosser Ausdehnung und vielerorts betrieben. Sowohl hinsichtlich des Gewichts als des Feingehalts sind diese Münzen sehr ungleich; es gab öffentliche[669] und Privat-Münzanstalten. Die Ausmünzung der einzelnen Stücke wurde nicht mit Genauigkeit vorgenommen, vielmehr darauf gesehen, dass eine bestimmte Anzahl zusammen das normale Gewicht pro Pfund oder Unze enthielt.

Von Silbermünzen ist aus der merowingischen Periode bloss der Silberdenar nachgewiesen, wahrscheinlich den Wert des alten römischen Silberdenars = 1/12 Solidus haltend; über Teilungen des Denars ist man auf Vermutungen angewiesen. Merowingische Kupfermünzen sind sehr selten.

Bei den Alemannen und Bayern erscheint in dieser Periode statt des fränkischen Denars die saiga, d.h. der alte römische Silberdenar = 1/12 Solidus.

III. Unter den Karolingern. Die wesentlichste Veränderung des Münzwesens unter den Karolingern besteht in dem im 8. Jahrhundert vor sich gehenden Übergang von der Goldwährung zur Silberwährung, hervorgerufen durch die sich mehr und mehr fühlbar machende Abnahme des Goldvorrates, verglichen mit der disponibeln Silbermenge, und infolge der damit in Verbindung stehenden Einschränkung und Verschlechterung der Goldausmünzung; als die Hauptursachen der Abnahme des Goldvorrates werden Abnutzung und Umschmelzung der Münzen, Verlorengehen und Vergraben derselben und Ausfuhr nach dem Auslande genannt. An Stelle des Goldsolidus trat nun ein Silbersolidus von 12 Denarien, der aber nicht geprägt, sondern nur in der Rechnung gebräuchlich wurde. Die Goldprägung hörte seit Pipin so gut wie ganz auf. Während aber vorher wahrscheinlich 25 Solidi zu 12 Denarien auf ein Pfund Silber gerechnet, also 300 Denarien daraus geschlagen wurden, wurden unter den Karolingern zuerst 22, dann 20 Solidi auf das Pfund gerechnet, eine Veränderung, die mit der Einführung eines grösseren Pfundes, des sog. Karlspfundes, durch Karl d. Gr. zusammenzuhängen scheint. Eine völlige Gleichheit des Münzwesens bei allen Stämmen des fränkischen Reiches einzuführen, gelang Karl nicht; bei den Friesen, Sachsen und Bayern erhielten sich eigentümliche Münzverhältnisse. Münzen mit den Namen der einzelnen Münzer und ohne den des Königs giebt es jetzt nicht mehr; die Denarien tragen jetzt den Namen der Könige oder ihr Monogramm; daneben erscheint als fast unerlässlich das Kreuz; einen Kopf tragen die fränkischen Münzen Karls des Grossen nicht, wohl aber die kaiserlichen, deren Köpfe baare Nachahmungen antiker Gepräge sind und die wahrscheinlich für Italien geschlagen wurden; das wichtigste auf den Münzen Karls ist aber immer die Schrift, welche den Namen CAROLVS, CARLVS, KAROLVS, KARLVS, KARL, dann den Titel R F, d.i. Rex Francorum, und die Angabe der Münzstätte enthält; die Münzen Ludwigs des Frommen tragen oft ein Kirchengebäude und die Inschrift christiana religio. Überhaupt wechselten die Münztypen oft infolge der verschiedenen Münzstätten und anderer Umstände. Die Zahl der Münzstätten ist eine bedeutend geringere als unter den Merowingern. Wenn auch an verschiedenen Orten zu münzen gestattet war, so sollte es nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis und unter Aufsicht des Grafen geschehen. Wie unter den Merowingern ausnahmslos, so wurde unter den Karolingern wenigstens vorherrschend nur in den Provinzen links vom Rhein gemünzt, wo unter andern als Münzstätten hervortreten Aachen, Andernach, Basel, Bingen, Bonn, Cambrai, Chur, Köln, Löwen, Lüttich, Mainz, Mastricht, Metz, Mons, Neuss, Speier, Strassburg,[670] Toul, Trier, Verdun, Wyk de Duerstede; von linksrheinischen Münzstätten werden Regensburg, Esslingen und Würzburg genannt. Meist hatten die Münzen nur einen Umlauf in der Gegend, wo sie geschlagen wurden. Da Jeder für seine Rechnung prägen lassen konnte und daher bei der Münze Gelegenheit fand, Metall oder alte Münze in die eben kursierende zu verwandeln, so diente die Münze, die man darum auch gern mit einem Markt verband, zugleich als Wechselbank. Da es zum Prinzip der Regierung Karls gehörte, das Münzwesen zu konzentrieren, geschahen unter ihm keine Verleihungen des Münzrechtes; dagegen beginnt die Erteilung von Münzprivilegien unter Ludwig d. Fr., das Bistum Lemans in Frankreich und das Kloster Corvey rühmten sich, dieses Vorrecht zuerst empfangen zu haben; doch erfolgte die Prägung auch hier fortwährend unter dem Namen des Königs. Die Regel war, dass an der Münze für andere gemünzt wurde; schon Pipin erkannte dem Münzer einen Solidus vom Pfund zu, als sog. Schlagschatz, d.h. eine Abgabe an den, der das Münzrecht hatte. Falschmünzerei, die unter den Merowingern sehr im Schwange gewesen war, gab auch den Karolingern viel zu schaffen, sei es dass einer ohne Münzrecht münzte, sei es dass Münzer oder Nichtmünzer sich eigentliche Fälschungen zu schulden kommen liessen; die Strafen darauf waren Schinden im Rücken, Haarabscheeren, Brandmarkung im Gesicht mit den Worten f.m. = falsator monetae, Münzfälscher, Verlust der Hand.

IV. Zehntes bis dreizehntes Jahrhundert. In dieser Zeit zerfällt das durch die Karolinger einheitlich geordnete Münzwesen infolge von Privilegien zu gunsten geistlicher Stifter und der Münzprägung seitens weltlicher Grossen in eine neue grosse Zersplitterung. Verliehen wurde das Münzrecht zunächst zu gunsten eines Marktes und zwar fast regelmässig zugleich mit dem Marktrecht; seit dem Anfang des 10. Jahrhunderts finden sich Münzen, die neben dem königlichen Namen oder statt desselben den eines Herzogs oder Bischofs tragen; die ersten darunter sind Herzog Arnulf von Bayern, Hermann I. von Schwaben, Bischof Salomo von Konstanz, Strassburger Bischöfe aus der Zeit Konrad I. Die Verleihung des Münzrechtes ging eine Stufe weiter, wenn darunter die Befugnis verstanden war, an jedem Ort des Bistums, des Klostergebietes oder einer Grafschaft eine Münze zu errichten, ohne weitere Einholung königlicher Erlaubnis; doch waren für die Ubung des Münzrechtes bestimmte Bedingungen gestellt: die Münzen sollten probehaltig sein, öffentlichen Gewichtes und reinen Silbers, oder sie sollten nach dem Vorbild bekannter und angesehener Münzorte geschlagen werden, manchmal mit dem Zusatz, dass es erlaubt sein solle, die Stücke um ein Bedeutendes leichter auszuprägen, als es dort üblich war. Daneben liessen fortwährend die Könige auf ihren Pfalzen oder an bedeutenderen Handelsorten, welche unmittelbar unter ihrer Gewalt standen, prägen. Die königlichen Namen tragen jedoch auch viele Münzen geistlicher und weltlicher Grossen. Die Zahl der Münzstätten ist überaus gross; besonders bedeutend ausser den Bischofsstädten sind die königlichen Orte Dortmund, Duisburg und Goslar.

Das Gepräge schliesst sich anfangs an das der karolingischen Periode an: die vorherrschenden Typen sind Kreuz, Kirchengebäude, Name, selten ein Monogramm, regelmässig die Bezeichnung des Ortes. Das Brustbild der Könige erscheint einzeln unter Otto I., häufiger seit Otto III., die ganze Figur ist selten; später liessen auch geistliche und[671] weltliche Fürsten ihr Bild aufnehmen. Von Einfluss auf den Stempel war im Norden angelsächsischer, im Süden italienischer Einfluss, sodann das Vorbild einzelner einheimischer Münzstätten und ganz besonders das Belieben der Stempelschneider. Seit dem 11. Jahrhundert fing man an, den beiden Seiten der Münzen statt wie früher mit einem Schlag jeder für sich den Stempel aufzudrücken (Halbbrakteaten), einem Verfahren, dem in der Staufischen Zeit die Prägung mit bloss einem Stempel folgte (Brakteaten). Immer noch hatten die Münzen einen beschränkten Umlaufskreis, daher bei Zahlungen bestimmte Münzen ausbedungen wurden. Als Münzstätten werden in dieser Periode genannt, in Lothringen Cambrai, Verdun, Metz, St. Dié, Lüttich, Brüssel, Löwen, Nivelles, Dendermonde, Valenciennes, Antwerpen; in Friesland Utrecht, Tiele, Deventer; am Unterrhein Köln, Remagen, Duisburg; in Rheinfranken Speier und Worms; in Ostfranken Würzburg; in Alemannien Strassburg, Basel, Zürich, Konstanz, Ulm, vielleicht Hall; in Bayern Regensburg; in Kärnthen Friesach; im östlichen Sachsen Goslar, Stade, Bardewic, Magdeburg, vielleicht Halle; in Westfalen Dortmund, Soest, Iserlohn, Münster. Inbezug auf das Gewicht werden ein öffentliches oder königliches und das Kölner Gewicht unterschieden. Nach karolingischer Ordnung galt das Pfund Silber gleich 20 Solidi oder Schillingen zu 12 Denarien, wovon jedoch kleinere Abweichungen vorkommen. Seit dem Anfang des 11. Jahrhunderts wird in Deutschland auch die Rechnung nach der von den Angelsachsen entlehnten Mark gebraucht, und zwar ist die Mark bald soviel als Pfund, bald die Hälfte desselben, bald hat sie noch anderen Wert; die Kölner Mark betrug zwei Drittel Pfund = 8 Unzen und wurde später statt zu 166 nur zu 144 Denarien (12 Solidi à 12 Denarien) ausgeprägt.

Während Pfund, Mark und Schilling nur Rechnungseinheiten sind, heissen die einzig ausgeprägten Münzen Denar, lat. allgemein nummus, deutsch Pfennig, and. und mhd. phenninc, phennic, von ahd. das phant, nhd. Pfand, also eigentlich soviel als Pfandart; dann der halbe Denar, helblinc, obulus, Heller, selten ein Viertelsdenar. Immer noch kam es bei grösseren Summen mehr auf das Gesamtgewicht einer grösseren Anzahl, als auf das dem Wechsel unterworfene einzelne Stück an.

Gold wurde nur gewogen, nicht geprägt; Goldmünzen, die etwa umliefen, waren byzantinischen Ursprungs oder stammten aus fränkischer Zeit.

Was unter den Karolingern nur selten geschah, die Umprägung und wiederholte Änderung der Münze, wurde jetzt Gewohnheit; galt es zwar als alte Regel, dass die Münzen der Bischöfe auf deren Lebenszeit geschlagen wurden, so wechselten doch manche Bischöfe mehrmals im Jahr, bald aus Gründen der Habsucht, bald um eingerissenen Missbräuchen zu steuern.

V. Ende des Mittelalters. Der zunehmende Verfall der Reichseinheit hatte auch eine zunehmende Zerspaltung und Vereinzelung des Münzwesens im Gefolge, dergestalt, dass im 14. und 15. Jahrhundert eine zusammenfassende Übersicht der Münzen kaum möglich, wenigstens bis jetzt noch nicht versucht worden ist. So zahlreich aber die vorhandenen Münzgebiete in dieser Zeit, die landschaftlichen Münznamen und namentlich die einzelnen Münzwerte sind, so fussen sie doch alle bis ins 13. Jahrhundert auf dem Pfund Silber, welches 20 Schillinge oder 240 Silberdenare oder Pfennige enthält; da sowohl Pfund als Schilling blosse Rechnungsmünzen waren, so[672] wurde ihr Wert allein durch den Wert des Pfennigs als der Einheit bestimmt. Dieser Wert aber war ein sehr veränderlicher, da jede neue Silbermünze, die sich Ansehen und Kurs verschaffte, durch geringere Ausprägung wieder verschlechtert wurde; so kam der Pfennig der schwäbischen Stadt Hall, der als Heller die gangbarste Silbermünze im südwestlichen Deutschland wurde und selbst die allgemeine Bezeichnung der Pfennige durch die besondere der Heller verdrängte, durch ihre Entwertung im 14. Jahrhundert auf einen halben Pfennig und weiter herab. Aus dem Wort Pfennig lösten sich mit der Zeit zum Teil mit der Übertragung der ältern Bedeutung auf das geprägte Münzstück überhaupt verschiedene andere selbständige Münzwerte ab, wie Gulden = güldener Pfennig, Berner, Haller, Münchener, scil. Pfennig, Groschen = denarius grossus, Gross-Pfennig, substantivisch der Gross, Grosch; Weiss-Pfennig, Kreuzer-Pfennig oder Kreuzer, der gulden Florenzer, oder Ducaten, der gulden rheinisch, der gulden ungarischPfennig; der Dreier, Vierer, Sechser, der Joachims-Gulden = Grosch – Pfennig, woraus Thaler entsprungen ist. Vgl. Schmeller, Bayr. Wörterb., unter dem Wort Pfennig.

Neben die Silberwährung stellt sich seit dem 13. Jahrhundert eine Goldwährung, deren Ausgangspunkt der Florentiner Gulden, Florin d'oro, ist; derselbe wurde seit 1252 von der Republik Florenz ausgeprägt und zeigte auf der einen Seite das Bild Johannes des Täufers, des Schutzpatrons von Florenz, auf der andern die Lilie als Wappen der Stadt. Nach diesem Vorbilde wurde zuerst der Venezianische Ducaten oder Zechin im Jahre 1283, dann der ungarische Gulden unter der Regierung Karl Roberts, aus dem Hause Anjou von Neapel (1309–1342) geprägt. Die neue Goldmünze fand bald auch in Deutschland Eingang, in Böhmen wurde sie von König Johann 1325 eingeführt. Seitdem in der goldenen Bulle den geistlichen und weltlichen Kurfürsten sowie der Krone Böhmen das Recht zugesprochen war, Gold- und Silbermünzen zu schlagen, liessen auch die rheinischen Kurfürsten Gulden mit dem Bilde Johannes des Täufers prägen.

Da die Goldmünze die verhältnismässig konstante Grösse war, pflegte diese von jetzt an den Wertmesser für die Silberwährung abzugeben; das Gewicht, nach dem in dieser Periode die italienischen Gulden geprägt wurden, war die Kölnische Mark; die deutschen Gulden wurden nach Gepräge, Schrot und Korn bloss jenen nachgeprägt, wobei die Bestimmung des Münzfusses den einzelnen Münzherren freigestellt war.

Um der auch hier überhandnehmenden Verwirrung abzuhelfen, vereinigten sich im Jahr 1386 die vier rheinischen Kurfürsten zu einem Münzvertrag, worin sie den Münzfuss der Gold- und Silbermünze sowie deren gegenseitiges Wertverhältnis bestimmten. Sie beschlossen, Gulden zu münzen mit dem St. Johannisbilde, 23karätig, 66 Stück auf die Mark im Gewicht; doch soll der Münzmeister für die Mark fein Gold nicht mehr als 67 Stück geben und jeder Münzherr einen halben Gulden als Schlagschatz bekommen. Ein Gulden dieser Art soll 20 neue Silberpfennige (wysse penning) gelten und ebensoviel wie die ungarischen und böhmischen Gulden. Als trotz dieser Vereinbarung auch die Goldwährung sich wieder verschlechterte, wurde endlich 1402 der Münzfuss durch ein Reichsmünzgesetz festgestellt, das später mehrmals erneuert werden musste. Seit dem Jahre 1535 fing man an, offenbar infolge grösseren Silberzuflusses, Silberstücke oder silberne Groschen[673] zu schlagen, die einen Goldgulden im Werte gleich sein und 60 Kreuzer geben sollten; man nannte diese Stücke mit einem nicht von ihrem Stoffe, sondern von ihrem Werte entlehnten Namen Guldiner-Groschen, Guldiner, Guldner, Reichsguldner, Reichsgulden, zu unterscheiden von dem von nun an tautologisch so genannten Goldgulden. Als diese Münze im Werte stieg, wurde wiederholt verboten, die Guldener höher als 60 Kreuzer zu nehmen, mit Ausnahme der in Joachimsthal in Böhmen geschlagenen Joachimsthaler-Guldner, die man später Thaler nannte.

Über das älteste Münzwesen bis zu den Karolingern handelt Soetbeer in den Forschungen zur deutschen Geschichte, Band I, II, IV und VI; über »Die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit«, Dannenberg, 1876; über die ältere Zeit Waitz in der Verfassungsgeschichte und Müller, Deutsche Münzgeschichte bis zu der Ottonenzeit. Leipzig 1860. Über das spätere Mittelalter namentlich Hegel, Deutsche Städtechroniken, Nürnberg, Band I, S. 224–262, und II, 531 ff. und Schmellers Bayr. Wörterbuch in den Artikeln Pfenning, Schilling, Gulden, Thaler. Eine zusammenhängende vollständige Münzgeschichte fehlt bis jetzt.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 667-674.
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