Stein-, Erz- und Eisenalter

[944] Stein-, Erz- und Eisenalter. Um die Mitte der dreissiger Jahre kam in Deutsehland und noch mehr in Dänemark, hier namentlich durch C.J. Thomsen, den Direktor des Museums für nordische Altertümer in Kopenhagen, die Ansicht auf, dass sich die germanischen Altertümer vorchristlicher Zeit in drei grosse strenggeschiedene Gruppen abteilen liessen, deren bestimmende Merkmale in dem verschiedenen Material der Waffen und Werkzeuge aus Stein, Erz und Eisen zu erkennen seien; diesen drei Kulturperioden sollten wenigstens für das Nord- und Ostseegebiet ein dreimaliger Wechsel der Waldvegetation (Tanne, Eiche und Buche) und drei verschiedene Völker mit ebenso vielen Haustieren entsprechen. Man ist seitdem zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Dreiperiodensystem nur[944] mit grosser Vorsicht anzunehmen sei; mit der Entwicklung von Einzelvölkern steht es nur insoweit im Zusammenhang, als Geräte aus Knochen und Stein eben eine durchgehende Grundlage des gesamten vorgeschichtlichen Kulturstandes sind und ebenso überall der Übergang von Stein zum Eisen durch die Mittelstufe der Bronze geht; es können also sehr verschiedene Völker sich gleichzeitig desselben Materials und umgekehrt Abteilungen desselben Volkes je nach besondern Umständen sich gleichzeitig eines verschiedenen Materials für ihre Waffen und Geräte bedient haben; um die Objekte, welche Zeugen dieser ältesten Zeit sind, in ihrem Zusammenhang zu beurteilen, genügt es nicht allein auf den Stoff zu sehen; auch der Fundort, die Form, begleitende Überreste der Pflanzen und Tierwelt müssen mit herbeigezogen werden. Dennoch ist es von Wert, im Material ein bequemes, leicht erkennbares Unterscheidungsmittel zu besitzen.

I. Steinzeit. Am allerwenigsten lässt sich über jene Menschen etwas Geschichtliches vermuten, deren Steingeräte den Zeitaltern des Mammut und des Renntieres angehören; menschliche Geräte der Mammutzeit hat man namentlich im Thale der Somme (Pikardie) und in Höhlen Frankreichs, Belgiens und Steiermarks entdeckt; reicher sind die Überreste der Renntierzeit vertreten und zwar ebenfalls in Süd-Frankreich, Belgien und ausserdem in Schwaben, der Schweiz, Bayern, Westfalen und Mähren; der benutzte Stein ist meist der Feuerstein oder Flint; vermittelst seiner wurden sogar Tierbilder in Schieferplatten, auf Renntierknochen, auf Geweihstücke eingeritzt; doch findet man auch andere Steine benutzt, Gneis, Diorit, Serpentin, Nephrit, harte Rollkiesel u.a. Die Gegenstände bestehen aus roh zugeschlagenen Steinen, ohne jeden Versuch eines Schliffs, oder aus eben so roh bearbeiteten Horn- und Knochenstücken. Doch erkennt man bereits Steinäxte, Steinmesser, steinerne Lanzenspitzen und Pfeilspitzen.

Eine jüngere Steinzeit, deren geschichtlicher Zusammenhang aber meist ebenfalls sehr dunkel ist, charakterisiert sich durch geglättete oder geschliffene Steingeräte.

In diese Periode gehören: a) der sogenannte Kjökkenmöddinger, d.h. Küchenmoder aus Dänemark. Es sind das terrassenförmige Bänke an der Meeresküste von 30 bis 500 m Länge, 6 m Breite und 1 bis 2 m Höhe. Sie bestehen unter einer Decke von Rasen und Rollstein aus Muschelschalen, Gräten, Knochen, Asche, Kohlen und Geräten von Kieselstein, Hörn und Knochen. Ausser in Dänemark findet man ähnlichen Abhub an der Rhonemündung, am Golf von Genua, an den Küsten Südamerikas. – b) Torfmoore in Dänemark, Schweden, im Thal der Somme. – c) die Pfahlbauten, siehe den besonderen Artikel. – d) Steinbauten. Dahin gehören die sogenannten Dolmen oder Steintische, auch Kromleh oder Mensir genannt, grosse aufgerichtete Steine, die zum Teil in Kreise zusammengestellt sind und auf denen ein riesiger Stein gleich einer Tischplatte ruht. Ihr Ursprung liegt gänzlich im Dunkeln; dass es keine Druidenaltäre sind, ist erwiesen; wo man Steingeräte darin findet, gehören dieselben den polierten Steinen an. Man findet sie über den ganzen Westen und Südwesten von Frankreich, und bis an die Ostsee, in Dänemark, Schonen und Westgotland, südlich bis Thüringen und Schlesien, auch die britischen Inseln sind reich daran. Sie scheinen in Zusammenhang zu stehen mit den dänisch-schwedischen Ganggräbern oder Riesenkammern, in welchen die Toten sitzend oder liegend beigesetzt wurden.[945]

Die Waffen der zweiten Steinperiode sind die Axt, welche mehr Keilform hat und zum Spalten dient; das Beil, an der Schneide minder breit und nur an einer Seite schräg angeschliffen, da es zum Behauen dient; Dolche und Messer, Pfeilspitzen, Meissel. Die Befestigung der Steinklingen am Griffe geschah teils durch Festbinden mit Sehne oder Bast, teils durch Einkleben mit Erdpech und ähnlichen Stoffen, teils durch Einklemmen.

II. Bronzezeit. Das erste Metall, das die Menschen in ihren Gebrauch zogen, war unstreitig das gediegen vorkommende Gold. In zweiter Linie steht das ebenfalls gediegen vorkommende Kupfer, das sich durch Schlagen mit Steinen in jede gewünschte Form bringen liess; es gab Völker, z.B. in Mesopotamien und am Nil, welche vom Gebrauche der Steinwaffen zu den Kupferwaffen übergingen; häufiger ist aber die Anwendung der durch Schmelzung gewonnenen, aus 90 Teilen Kupfer und 10 Teilen Zinn bestehenden Bronze. Die Anwendung dieses Metalls hatte in verschiedenen Gegenden ohne Zweifel sehr verschiedene Dauer. Wahrscheinlich kam die Kenntnis der Bronze sowohl durch eingewanderte, erobernde Stämme, als durch Handelsverbindungen nach Europa; die Form der Verzierungen, die Kürze der Schwertgriffe mancher Bronzegegenstände lassen vermuten, dass u.a. phönizische Händler ihre Waare nach Europa brachten. Doch mangelte es hier nicht, wie die zahlreich vorgefundenen Gussformen beweisen, an eigenen Bronzewerkstätten. Am reichsten trat diese Industrie in den nördlichen Gebieten auf, welche ihr Zinn und zum Teil ihr Kupfer leicht von den Scilly-Inseln und der benachbarten Küste von Cornwall bekommen konnten, in Dänemark, Schweden, Norddeutschland; andere Fundstätten minderen Reichtums sind die Pfahlbauten, die sogenannten Taramaren, d.h. ausgetrocknete künstliche Wasserbecken in den Provinzen Parma, Modena und Reggio.

Die Elastizität der Bronze war damals auf einen Grad gelangt, der seitdem nicht mehr erreicht worden ist. Überall dauert der Gebrauch der Steinwaffen während der Bronzezeit fort und ragt noch tief in die Eisenzeit hinein; Gewohnheit, ererbte Fertigkeit, das Beispiel der Vorfahren, Mythus und Aberglaube waren dabei wirksam. Bei Hastings fochten im 11. Jahrhundert Dänen und Sachsen ausser mit eisernen Waffen mit solchen von Stein, noch später die heidnischen Preussen gegen die deutschen Ordensritter. Auch erkennt man den Einfluss metallener Geräte deutlich an der kunstvolleren Herstellung der metallenen Vorbilder.

Die eherne Streitaxt kommt als Celt, als Paalstab und als eigentliche Axt vor. Die Celte dienten sowohl zum Nahkampf als zum Wurf; sie haben die Form eines Keils, sind aber nach dem Rücken hin gerundet und zur Aufnahme eines Schaftes ausgehöhlt; die etwas breiter werdende Schneide ist scharf zugeschliffen. Viele sind mit einer Öse versehen, durch die man einen Riemen knüpfte, mit welchem man die Klinge dem Stiele sicher verband. Die Klingen der Paalstäbe zeigen die Gestalt des Meissels, der nach der Schneide zu breiter wird; rückwärts befinden sich zwei Schaftlappen zur Befestigung an den Holzstab, mit dem sie durch eine Schnürung verbunden sind. Unter dem Namen framea ist das die älteste Nationalwaffe der Germanen. Die eigentlichen Streitäxte zerfallen in solche mit einfachem Schaftloch, in solche, welche mit Schaftröhren versehen sind und in Doppeläxte; die berühmteste Form der einfachen Axt ist die der francisca, die zweischneidig[946] und kurzstielig sich sowohl zum Gebrauche in der Faust als zum Wurfe eignete. Streitkolben und Stachelknöpfe von Bronze haben auf einer gegossenen, über einen Holzschaft geschobenen Hohlwalze mehrere Reihen von Stacheln. Die Lanzenspitzen der Bronzezeit haben gewöhnlich die Form eines Weidenblattes mit starkem Mittelrücken und sind zur Befestigung mit Schaftröhre oder mit Angeln versehen. Bronzene Pfeilspitzen sind selten, der Flintstein genügte hier vollständig; die Erzmesser sind im Gegensatz zu den steinernen Messern einschneidig. Als eine ganz neue Waffe erscheint jetzt das Schwert, dessen ursprüngliche Form wahrscheinlich die einschneidige ist, wahrscheinlich dieselbe Waffe, die bei den Germanen scramasax hiess. Später entwickelt sich die schlanke zweischneidige Form des eigentlichen Schwertes; seine Klinge hat die Gestalt eines Schilfblattes, nimmt also nach der Mitte an Breite zu und läuft spitz aus; der Griff ist nie länger als 2,5 Zoll und in der Regel mit Spiral- und Zickzackverzierungen geschmückt. Kaum vom Schwert zu trennen ist der zweischneidige Dolch. Seltener als die Angriffswaffen sind Schutzwaffen aus Bronze: Helm, Schild und Panzer. Auch Schalen von Bronzeblech sind zahlreich und weitverbreitet gefunden worden, dann Hängeurnen mit glockenförmigem oder plattem Deckel.

Erst das Metall gab sodann Veranlassung, die Kunst, welche Waffen herstellt, zugleich zu Gegenständen für die Frauenarbeit und namentlich für Schmucksachen zu verarbeiten. Überall erscheinen Nähnadeln, Arm- und Fingerringe, Knöpfe, Haarnadeln und Kämme; um vieles reichhaltiger ist der Bronzeschmuck der nordischen Länder; hier erscheinen Diademe, Kopf-, Hals-, Arm- und Fingerringe, Agraffen, Fibeln, Gewandnadeln.

III. Eisenzeit. Auch der Anfang des Eisens bleibt in Dunkelheit gehüllt. Dass die alten Germanen die Anwendung dieses Metalles gekannt, davon zeugt die Bedeutung und Ehre, welche die Schmiedekunst und die Schmiede bei ihnen hatten; es ist die einzige Handarbeit, die von Anfang an eines freien Mannes würdig erachtet wurde; auf die frühe Stahlbereitung deutet die Sage vom Schmied Wieland, der sein Schwert zerfeilte, die Eisenfeilspähne mit dem Mehlbrei seinen Gänsen zu fressen gab, den Gänsekot ausglühte und von dem zurückbleibenden Eisenstaube das schärfere Schwert schmiedete; in den tierischen Exkrementen ist, wie auch andern Völkern früh bekannt wurde, Stählung wirkender Kohlenstoff enthalten. Mit der Erfindung des Eisens wird das Schwert die Hauptwaffe. Nordische Altertumsforscher wollen zwei, einzelne sogar drei Perioden des Eisenzeitalters unterschieden haben. Jähns, Geschichte des Kriegswesens, S. 1 bis 14. – Baer und Hellwald, der vorgeschichtliche Mensch, Leipzig 1874.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 944-947.
Lizenz:
Faksimiles:
944 | 945 | 946 | 947
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon