Gamaliel, S.

[350] S. Gamaliel, (2. Dec. al. 3. Aug.) Vom Hebr. Gamli-el = Vergeltung Gottes etc. – Der hl. Gamaliel war ein angesehener Gesetzeslehrer von der pharisäischen Secte, von welchem der hl. Apostel Paulus selbst sagt, derselbe sei sein Lehrer gewesen und er zu seinen Füßen unterrichtet worden (Ap.-G. 22, 3). Obwohl ein eifriger Jude, billigte er doch keineswegs die heftige Leidenschaft seiner Glaubensgenossen gegen die christliche Lehre; denn als der hohe Rath zu Jerusalem voll Grimm über das muthvolle Wort des hl. Petrus die Apostel tödten lassen wollte, rieth er entschieden davon ab mit dem bekannten Ausspruch: »Ist dieses Werk von Menschen, so wird es zerfallen; ist es aber von Gott, so könnet ihr es nicht zerstören etc.« (Ap.-G. 5, 38 f.) Da dieser Gamaliel als Gesetzlehrer beim ganzen Volke in großer Achtung stand (Ap.-G. 5, 34), und die jüdische Geschichte nur Einen berühmten Gesetzlehrer aus damaliger Zeit kennt, nämlich den Sohn Simeons und Enkel Hillel's, so ist, wie bei W. W. (K.-L. IV. 300) wohl richtig bemerkt wird, dieser Gamaliel (der Aeltere) ohne allen Zweifel identisch mit dem oben Bezeichneten. Er wird im Thalmud öfter erwähnt und selbst die »Herrlichkeit des Gesetzes« genannt. Als er jenen Ausspruch that, glaubte er zwar noch nicht an Christus, wie Nikodemus und Joseph von Arimathea; aber er bekehrte sich bald nach zwar nach dem hl. Chrysostomus (Hom. 14 in acta Apost.) noch vor dem hl. Paulus. Nach Butler (X. 318) beerdigte er den hl. Stephanus auf seinem Landgute Kaphargamala (»Dorf des Gamaliel«), welches etwa sechs Stunden von Jerusalem entfernt lag, und wollte nach seinem Tode auch neben ihm ruhen. – Seine Reliquien wurden mit denen des hl. Stephanus, sowie der hhl. Nikodemus und Abibas (Abibon) im J. 415 auf wunderbare Weise gefunden und erhoben. Am 3. Dec. 415, einem Freitage, hatte nämlich der Priester Lucianus von Kaphargamala [350] eine wunderbare Erscheinung. Er sah einen schönen, wohlgestalteten Greis, mit langem weißen Bart, in weißem, mit goldenen Kreuzen bestirnten Gewand, und einen goldenen Stab in der Hand. Mit diesem berührte er ihn, rief ihn dreimal bei Namen, und hieß ihn hingehen zum Bischofe Johannes, auf daß er käme zu öffnen das Grabmal, in welchem seine Ueberbleibsel und die Ueberbleibsel anderer Heiligen ruhten, welche mehr als seine eigenen ihm am Herzen lägen, auf daß Gottes Erbarmungen durch sie verherrlichet würden. Auf die Frage, wer er sei? antwortete der Greis: »Ich bin Gamaliel, der den Apostel Paulus im Gesetze unterrichtet hat.« Dann offenbarte er ihm ferner, daß er das Grabmal in der Vorstadt Delagabri finden würde. Daselbst sei der hl. Stephanus, der hl. Nikodemus und er selbst mit seinem Sohne Abibas (s. S. Abibon) bestattet. Das Gesicht wiederholte sich (die Legende hat dasselbe in manigfacher Weise ausgeschmückt), und nach der dritten Erscheinung ging endlich Lucian zum Bischofe Johannes von Jerusalem, um demselben über die gehabte Erscheinung persönlich Nachricht zu geben. Es wurde der Befehl gegeben, nach den angezeigten Gräbern zu forschen. Sie wurden gefunden, und Gott wirkte zu ihrer Verherrlichung viele Wunder. Dreiundsiebenzig mit verschiedenen Plagen Behaftete genasen sogleich, unter ihnen einige Besessene. Ausführlich findet sich diese Erzählung bei Butler (X. 299 ff.) und auch bei Stolberg (XV. 49 ff.), welcher am Schlusse bemerkt: »Diese Erzählung Lucians in Zweifel ziehen wollen, möchte weder fromm, noch billig, noch vernünftig seyn.« Daß die Gebeine dieser Heiligen wirklich entdeckt worden sind, läßt sich weder läugnen, noch auch bezweifeln, da die großen und vielen Wunder, durch welche Gott das Andenken dieser Heiligen und namentlich des hl. Erzmartyrers Stephanus bei dessen Ueberbleibseln geehrt hat, auf vielen gleichzeitigen, sehr ehrwürdigen Zeugnissen bestehen, unter denen der hl. Augustinus den ersten Rang einnimmt. Deßwegen hat auch die Kirche zum Andenken daran ein eigenes Fest eingesetzt, welches sub ritu semid. am 3. Aug. gefeiert wird, sowie an diesem Tage auch das Mart. Rom. hievon Erwähnung macht. Warum hiezu der dritte August und nicht der dritte December gewählt worden ist, mag seinen Grund darin haben, daß irgend eine Kirche (vielleicht die von Ancona) an diesem Tage unter Anrufung des hl. Stephanus geweiht worden ist. Im Elenchus der Bollandisten findet sich der Name des hl. Gamaliel mit Nikodemus und Abibon auf den 2. December gesetzt. †


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 350-351.
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