Vincentius, S. (33)

[719] 33S. Vincentius de Paulo, Conf. (19. Juli, al. 25. Apr., 18. Aug., 27. Sept.) Der Geburtsort dieses großen Heiligen war Ranguines, eine Filiale der Pfarrei Puy bei Dar in der Gascogne. Am 24. April 1576 erblickte er das Licht der Welt. Sein Vater hieß Johann (Wilhelm) von Paul, die Mutter Bertrande von Moras. Beide Namen scheinen auf adelige Abkunft hinzuweisen; thatsächlich aber waren seine Eltern einfache Bauersleute und besaßen nur ein kleines Gütchen. Unter sechs Geschwisterten, von welchen wir nichts Näheres erfahren, war er der Drittgeborene. Als Knabe hütete er die Schweine seines Vaters, nebenbei las und betete er, und besuchte gerne das Gnadenbildniß der hl. Gottesmutter, das in einer alten Kapelle in der Nähe verehrt wurde. Schon jetzt theilte er seine spärliche Nahrung oft mit armen Kindern, und spendete Almosen von dem Mehle, das er nach Hause tragen sollte, und von seinen kleinen Ersparnissen. Seine ersten Studien machte er bei den Franciscanern in Dax. Zwanzig Jahre alt empfing er am 20. Dec. d. J. 1596 die niedern Weihen und begab sich im folgenden Jahre nach Toulouse, um Theologie [719] studiren. Sein Vater gab ihm zu diesem Behufe den Erlös von zwei verkauften Ochsen mit auf den Weg. Um seine Studien fortsetzen zu können, war er genöthigt, Stunden zu geben. Zu diesem Ende mußte er sich im J. 1598 zu Buyet bei Toulouse der Ausbildung der Söhne eines Notars, Namens Commet, annehmen. Bei Tage war er mit seinen Zöglingen, den größten Theil der Nacht mit den Studien beschäftiget. Am 19. Sept. 1099 empfing er zu Tarbes die Subdiaconats-, am 19. Dec. die Diaconats- und am 23. Sept. des folgenden Jahres die Priesterweihe, worauf er nach kurzem Aufenthalte zu Buzet, zu Toulouse und Saragossa seine theologischen Studien fortsetzte, da er die Pfarrei Tilb anzutreten verhindert wurde. Um das J. 1605 oder etwas später mußte er sich zur Empfangnahme einer Erbschaft nach Marseille begeben, schenkte aber dem Schuldner, als er dessen Zahlungsverlegenheit bemerkte, sogleich drei Viertheile. Auch das Uebrige und seine Freiheit sollte er nach der Fügung Gottes, der ihn, unter vollständiger Verzichtleistung auf die Sorge für sein eigenes Wohlsein, für den Dienst der Armen zur vollkommenen Armuth berufen hatte, gleichfalls verlieren. Es begab sich nämlich, daß ein Bekannter, welcher mit ihm nach Toulouse heimzureisen gedachte, ihm den Seeweg von Marseille nach Narbonne vorschlug. Die Fahrt schien bei herrlichem Wetter günstig zu verlaufen, als unfern von Beaucaire drei Seeräuberschiff seine Barke anfielen, die Mannschaft niedermachten, und die Passagiere gefangen nahmen. Auch der junge Priester, welcher einen Pfeilschuß erhalten hatte, wurde mit Ketten geschlossen und auf Umwegen unter unmenschlicher Behandlung nach Tunis geschleppt. Zuerst kaufte ihn ein Fischer, in dessen Diensten. er nicht lange blieb, weil ihn der Aufenthalt an und in der See beständig krank machte. Darauf wurde er an einen alten Arzt verkauft, dem er bei seinen alchimistischen Künsten half, bis er starb. Nach dessen Tode fiel er einem Neffen des Arztes als Erbschaft zu, welcher ihn an einen Renegaten aus Nizza verkaufte. Verschiedene Versuchungen, ihn zum Islam zu bringen, (der Arzt hatte ihn für diesen Fall zum Erben seines ganzen Vermögens eingesetzt), waren an seiner Standhaftigkeit gescheitert, den Renegaten aber führte er durch eine seiner Frauen, welche sich an seinem Gesange des Salve Hegina erbaut hatte, wieder zu Jesus zurück, indem er ihn beredete, heim Uch mit ihm zu entfliehen. Sie landeten nach gefährlicher Ueberfahrt glücklich zu Aigues-Mortes, von wo sie nach Avignon reisten; der römische Vicelegat de Montorio nahm den bekehrten Abtrünnigen wieder in den Schoos der kathol. Kirche auf, seiner Gattin gab er die heil. Taufe,26 den hl. Vincentius aber nahm er mit nach Rom. Er war damals 31 Jahre alt. Nachdem er die heil. Orte, besonders aber die Katakomben und das Colosseum besucht hatte, wurde er von dem Cardinal d'Orsat mit einer Mission zum Könige Heinrich IV. beauftragt, über deren besondern Zweck uns Näheres nicht bekannt ist. So führte ihn die Vorsehung an den königlichen Hof, dessen Glanz er aber nach Abwicklung seiner Sendung sogleich wieder verließ, um in der Nähe der Charité sich eine kleine Wohnung zu miethen, von welcher aus er die dortigen Kranken besuchte und tröstete, und den Krankendienern bei ihren Dienstleistungen half. Weil er zu arm war, um ein Zimmer für sich allein zu miethen, wohnte er gemeinsam mit einem jungen ungenannten Richter aus Sora. Eines Tags lag er krank im Bette, und ein Apothekerjunge brachte ihm die Arznei. Arglos nahm er sie in Empfang, während der Junge die Börse seines Zimmergenossen in die Tasche steckte und davon ging. Der hl. Vincentius, dafür verantwortlich gemacht, wußte nichts, wurde aber als Dieb behandelt und verschrieen. Seine Vertheidigung bestand bloß in den Worten: »Gott weiß es«. Der Bestohlene wurde 10 Jahre später Gerichtsbeamter in Bordeaux; der wirkliche Dieb wurde eines Tages wie zufällig vor ihn gebracht, und bekannte außer Anderm auch den hier erzählten Diebstahl. Für den hl. Vincentius war auch dieses Ereigniß von großer Bedeutung; er zog sich von jetzt an noch mehr zurück, als er es schon bisher gethan hatte. Nur von Gott und den Armen wollte er gekannt sein. Wenn die Menschen von ihm [720] gering dachten und redeten, so entsprach dies seiner eigenen Ueberzeugung. Er war und blieb nach seiner Meinung ein »Unwis sender«, höchstens ein »Schüler der vierten Klasse«; sein Leben sah er von Fehlern und Sünden ganz überdeckt. Durch seine Sammlungen für die Armen, mit welchen er schon zu dieser Zeit sich beschäftigte, wurde er von den Hofbeamten der Königin Margaretha von Valois empfohlen, so daß sie ihn zum Hausgeistlichen ernannte. Als Besoldung wurden ihm die Einkünfte der Cistercienserabtei St. Leonhard zu Chaumes angewiesen, die er ausschlug. Obwohl dem Heiligen die Hofluft zuwider war, insbesondere weil die Königin von ihrem Gemahle Heinrich IV. wegen zu naher Verwandtschaft geschieden lebte, brachte er dieses Opfer gerne, weil er die Armen und Nothleidenden nun leichter unterstützen konnte. Großen Kummer bereitete ihm um diese Zeit die Seelennoth eines Theologen, der nahe daran war, in gänzlichen Unglauben zu verfallen. Er erschöpfte sich vergebens in Rathschlägen und Gebeten, um ihm zu helfen. Da faßte er den heldenmüthigen Entschluß, die Versuchungen, an welchen derselbe litt, von Gott für sich zu erbitten, um jenen zu befreien, und fand Erhörung. Während es in der Seele des Armen heller wurde, und die Beweggründe des Glaubens immer klarer vor seine Seele traten, verfinsterte sich der Geist des hl. Vincentius in demselben Grade, er spürte die heftigsten Glaubenszweifel, die immer wieder zurückkehrten, wenn er glaubte, sie überwunden zu haben. Er trug also das Glaubensbekenntniß auf seinem Herzen und machte die Meinung, so oft er dasselbe berühre, solle es als Glaubensact und als Widerspruch gegen den geringsten Gedanken wider den Glauben gelten, und vervielfältigte zugleich seine Liebeswerke im Spitale. Alles dieß half nichts; die Versuchungen dauerten fort und erstreckten sich bereits bis ins vierte Jahr. Da gab ihm Gott erkennen, daß Er ein noch größeres Opfer von ihm verlange; erst als er zu den Füßen des Gekreuzigten niedergeworfen, das Versprechen machte, sein ganzes Leben solle fortan nur Ihm in der Person der Armen gewidmet sein, fühlte er sich von seinen Zweifeln und Aengsten befreit. Hiemit war ein weiterer Schritt zu seinem eigentlichen Berufe geschehen. Um diese Zeit, etwa im Jahre 1612, bestimmte ihn sein Rathgeber und Freund, der Oratorianer P. Berulle, die Pfarrei Clichy bei Paris anzunehmen, welche er beiläufig ein Jahr behielt, aber in dieser kurzen Zeit durch unermüdlichen Eifer im Predigen, Beichthören, Almosengeben und Beten äußerlich und innerlich vollständig erneuerte. Von hier führte ihn der liebe Gott gegen Ende des J. 1613, wieder durch die Hand des P. Berulle, dessen Genossenschaft er aber nie angehört hat, in das Haus des gottesfürchtigen Galeerengenerals Philipp Emmanuel von Gondi und seiner frommen Gemahlin Francisca Margaretha von Silly, deren Kinder er zu unterrichten bekam. Er oblag seinem neuen Berufe mit der größten Gewissenhaftigkeit, benutzte aber die ihm gegebene Gelegenheit, das ganze Haus und die sämmtlichen Unterthanen des Generals in seine geistliche Obhut zu nehmen. Kam er zur Sommerzeit auf das Land, so hielt er den Leuten Predigten und Christenlehren, und ermunterte sie zur Reinigung ihres Gewissens; war er in der Stadt, so besuchte er die Kranken und Armen nicht bloß in den Spitälern, sondern auch in ihren Wohnungen, und sammelte Almosen für verschiedene Liebeswerke. Durch eine traurige Erfahrung am Krankenlager eines Landmannes, dessen Beichte er hörte, über die Ablegung vieler ungiltiger Beichten aufmerksam gemacht, hielt er zu Folleville im Bisthum Amiens am 25. Jan. 1617 eine Predigt über die Nothwendigkeit und den Nutzen der Generalbeichte mit so gutem Erfolge, daß Beichtväter aus der Nachbarschaft gerufen werden mußten, um Alle, welche beichten wollten, zu befriedigen. Aus dieser Ursache feiern die Missionspriester den 25. Jan. als Stiftungstag ihrer Congregation. Das gräfliche Haus stellte sich ganz unter seine Leitung. Einmal erfuhr der Heilige, daß Graf Gondi im Begriffe stand, sich zu duelliren; er brachte ihn durch fußfälliges, inständiges Bitten von diesem sündhaften Beschlusse ab. Doch drängte es ihn fortwährend, die Stadt Paris zu verlassen, da es ihm im Hause Gondi nicht möglich war, sich gänzlich, wie er fest entschlossen war, von der Politik jener Zeit, welche die Religion begünstigte, oder vernachlässigte und verfolgte, [721] je nachdem ihre selbstsüchtigen Zwecke es zu fordern schienen, fernzuhalten. Im J. 1614 war König Ludwig XIII. von seiner Mutter Maria von Medici, welche die Regentschaft geführt hatte, für großjährig erklärt worden. Das Parlament suchte zu gleicher Zeit die zerrütteten Finanzen in bessere Ordnung zu bringen. Die Hugenotten am Hofe, besonders Prinz Heinrich von Condé schürten das Feuer der Zwietracht. Der Haß, welcher auf die verschwenderische und eigensinnige Königin-Mutter fiel, traf zum Theile auch das Haus Gondi, welches von ihr gehoben und zu seinem dermaligen Glanze gebracht worden war. Zudem waren die Zöglinge des Heiligen in einem Alter, das eines bessern Lehrers bedurfte, als er in seinen Augen war. Kurz, er entwich heimlich nach Chatillon les Dombes im Bisthume Lyon, um im Juli 1617 diese Pfarrei zu übernehmen. Er traf daselbst, wie überhaupt in der ganzen Landschaft Bresse, erbarmungswürdige Zustände. Obwohl sechs Priester in der Pfarrei waren, lag die Seelsorge dennoch gänzlich darnieder; die Ketzerei, die Gleichgiltigkeit und die Unsittlichkeit stritten sich um den Vorrang. Der hl. Vincentius ließ sich nicht abschrecken. Er nahm mit Hilfe des frommen Priesters Ludwig Girard, welcher zu Lyon lebte, die schwere Bürde um Jesu und der unsterblichen Seelen willen gerne auf sich. Das Pfarrhaus bezogen sie nicht, sondern mietheten bei einem Protestanten, Namens Beynier, welchen sie bald zur katholischen Kirche zurückführten, eine kleine Wohnung. Die sechs alten Geistlichen waren schnell für die Reform gewonnen. Es erfolgten die wunderbarsten Bekehrungen. Schon nach vier Monaten war die ganze Pfarrei wie umgewandelt. Aber die gräfliche Familie gab nicht nach, bis der Heilige wieder in ihr Haus zurückkehrte. Es geschah auch am 23. December desselben Jahres zum größten Leidwesen seiner Pfarrei, wo er in Francisca Bachet und Carolina de Brie die ersten Mitglieder und vorzüglichsten Förderinnen der Bruderschaft der christlichen Liebe gewonnen hatte. Alsbald begann er wieder seine Missionsthätigkeit auf den Gütern der Familie Gondi, und wo sie sonst gewünscht wurde, – der hl. Franz von Sales übertrug ihm im J. 1619 das Superiorat über die Visitantinnen in Paris und zu St. Denis – daß er bald genöthigt war, Mitarbeiter zu suchen. Ueberall gründete er Bruderschaften mit dem Zwecke, den Armen und Kranken zu helfen. Besonders merkwürdig ist seine in dieser Zeit beginnende Thätigkeit für die Verbesserung der Galeerensträflinge. Er besuchte sie zuerst in ihren Gefängnissen zu Paris, und fand ihre Lage so bemitleidenswerth, daß er nicht ruhte, bis er sie in ein Haus bei St. Rochus bringen durfte, wo sie eine mildere Behandlung und zugleich eine geordnete Seelsorge erhielten. Hievon benachrichtiget, ernannte ihn König Ludwig XIII. am 8. Febr. 1619 zum Großalmosenier der Galeeren. Jetzt dehnte der Heilige seine Thätigkeit über die Sträflinge auf den Galeeren des ganzen Landes aus, und wirkte namentlich zu Marseille und Bordeaux Wunder der Liebe an diesen Unglücklichen. Nicht ganz verbürgt (die Canonisationsbulle weiß davon nichts) ist folgende glänzende Liebesthat. Einst fand der Heilige einen jungen, wohl gebildeten Mann unter den Sträflingen, der nicht zu bekehren war, weil er mehr wegen eines scheinbaren als wirklichen Verbrechens (nämlich wegen unbewußter Beihilfe zur Falschmünzerei) zu dieser schrecklichen Strafe auf sechs Jahre verurtheilt war. Da bat der Heilige eines Tags einen Aufseher, der ihn nicht erkannte, um die Vergünstigung, für einen jungen Mann, dessen Familie der äußersten Noth ausgesetzt war, eintreten zu dürfen. Erst nach längerer Zeit fand man den schuldlosen Gefangenen mit Ketten beschwert auf der Ruderbank. während sein Schützling in Brüssel ein sicheres Asyl gewonnen hatte. Nachdem er den Sträflingen im J. 1622 eine Mission gehalten hatte, that er im folgenden Jahre, in welchem er auf der Hin- oder Rückreise auch seinen betagten Eltern einen Besuch machte, mit 20 Priestern, die er sich zur Beihilfe erbeten hatte, das Nämliche zu Bordeaux Wie praktisch er überall die Sache anging, beweist die im J. 1623 zu Macon von ihm organisirte christliche Armenfürsorge. Er stellte dieselbe unter den Schutz und die Anrufung des hl. Carl Borromäus, und bestimmte, daß die Bettler, die verschämten Armen und Durchreisenden, sowie die Kranken in besonderer Weise unterstützt werden, alle Arbeitsscheuen und Müssigen aber leer ausgehen [722] sollten. Bald darauf hatte er die Freude, daß der Erzbischof Johann Franz von Gondi das Werk der Missionen auf dem Lande gut hieß, und dem hl. Vincentius das Collegium des bons Enfants (der guten Kinder), wo sie ein gemeinschaftliches geistliches Leben führen könnten, übergab. Der Priester Anton Portail vertrat hier in Abwesenheit des Heiligen dessen Stelle. Im nächsten Jahre (1625) erfolgte durch den Grafen von Gondi die erste Dotation des Werkes der Missionspriester, indem er 45000 Livres für dasselbe bestimmte, wobei er festsetzte, daß dieselben auf alle Beneficien und kirchlichen Würden verzichten und Missionen auf dem Lande, und zwar zunächst auf den Gütern des Stifters, wie auf den Galeeren halten sollten. Mit diesem Erfolge war aber der hl. Vincentius nicht zufrieden. Jeder Tag brachte so zu sagen neue Pläne und Unternehmungen zum Vorscheine. Die Missionsgesellschaft bestand anfänglich nur in zwei Personen, dem hl. Vincentius und Anton Portail. Auf ihrer ersten Missionsreise gesellte sich ihnen als Gehilfe ein dritter Priester, Namens Gambord, bei, welcher später in ihre Genossenschaft eintrat. Während aber diese Gründung des Heiligen sich ausbildete und durch stets neuen Zuwachs vergrößerte, stellte sich zugleich ein anderes Bedürfniß, nämlich das der nachhaltigen Besserung des Seelsorgeklerus, in den Vordergrund. Auch hiefür suchte er in seinem Hause bei den »guten Kindern« so gut es gehen mochte, Vorsorge zu treffen. Er lud die Ordinanden ein, seine Gastfreundschaft zu gebrauchen, und vor Empfang der heil. Weihen sich eine Zeit lang in frommer Zurückgezogenheit auf dieselben vorzubereiten. Gebet, Einübung der liturgischen Regeln, Wiederholung der Dogmatik und Moral sollten hier in stiller Zurückgezogenheit und Geistessammlung ihre Beschäftigung sein. Er bat wissenschaftlich gebildete, fromme Priester aus der Stadt und aus den Provinzen, ihm hiebei behilflich zu sein. Auch dieses offenbar von Gott eingegebene Unternehmen trug die Gewähr des Gelingens in sich selbst. Die Anregung hiezu hatte ihm der Bischof Augustin Potier von Beauvais gegeben, welcher in seinem Bisthume das Werk der Missionen besonders begünstigte. Aus diesem Anfange ging die Einführung der eigentlichen Exercitien hervor, welche im Jahre 1629 zum ersten Male unter seiner Leitung stattfanden. Bald kam es dahin, daß in seinem Hause jährlich 4–6 Mal Exercitien für Priester gehalten wurden. Das Jahr 1632 brachte in der Besitznahme des Hauses St. Lazarus, welches ihm die Chorherren von St. Victor nun endgiltig überließen, besonders aber in der päpstlichen Bestätigung und Gutheißungder Anstalt der Missionspriester, so zu sagen die Krönung des Gebäudes. Bis zum Tode der Gräfin Gondi (Joigny) am 23. Juni 1625 blieb der hl. Vincentius als treuer Rathgeber und Gewissensfreund in ihrem Hause, dann bezog auch er das Priesterhaus zu den »guten Kindern«. Ungeachtet anfänglich die Zahl seiner Priester sehr klein war, wurde das Missionswerk eifrig fortgesetzt; er wählte die beschwerlicheren Gegenden mit Vorliebe zu seinem Wirkungskreise. Um das Jahr 1630 übernahm er auch den Schutz und die Leitung der sog. Kreuzschwestern, welche zu Roye in der Picardie unentgeltliche Schulen für Mädchen und Pensionate zu demselben Zwecke errichtet hatten, ohne zu befürchten, daß hiedurch seine »Töchter von der christlichen Liebe«, deren unscheinbare Anfänge zugleich mit den ersten Hilfeleistungen der Frau Louise le Gras ein Jahr früher fallen, beeinträchtiget würden. Zu gleicher Zeit beschloß er im J. 1633 für die Priesterschaft zu Paris und in der Umgegend das Werk der Conferenzen behufs Erhaltung und Mehrung des seelsorglichen Eifers zu stiften. Er lud die gefeiertesten Theologen und Redner zu denselben ein. Sie wurden so gerne besucht und fanden so erfreuliche Theilnahme, daß sie bald in jeder Woche einmal, gewöhnlich an den Dienstagen stattfinden konnten. Die Theilnehmer an den Conferenzen waren auch die treuen Gehilfen und Mitarbeiter des Heiligen bei den Missionen auf dem Lande. Er empfahl ihnen oft, gründlich und eindringlich zu sprechen, dabei aber eitlen Redeprunk zu vermeiden. Hat man die Wahl zwischen einem glänzenden und einem einfachen Ausdrucke, solle man, wie er sagte, den letztern wählen. Auch für Großstädte wie Paris wollte er eine Ausnahme nicht gelten lassen: »Sie gehen hin«, sprach er einmal, »den Weltgeist zu bekämpfen, der ein Geist des [723] Stolzes ist; Sie werden ihn nur besiegen, wenn Sie ihn mit dem Geiste Jesu Christi bekämpfen, welcher ein Geist der Einfalt und Demuth ist.« Sein Institut wurde allmählich eine Zufluchtsstätte für die Weltpriesterschaft des ganzen Landes. Wer immer kommen wollte, fand bereitwillige und unentgeltliche Aufnahme. Wenn die Güte des Heiligen auch manchmal mißbraucht wurde, so ließ er sich dadurch nicht bbhalten, in dem mit Gott und für Gott aegonnenen Werke fortzufahren. Sein Gottvertrauen war so unbegrenzt, daß er niemals daran dachte, auch bei den größten Kosten, seine guten Werke zu vermindern, sondern stets auf neue bedacht war. »Lasset uns Gutes thun«, sprach er zu den Seinigen, »so lange wir können; haben wir nichts mehr, so legen wir den Schlüssel vor die Pforte, und gehen.« Er hatte niemals Ursache, über seine Freigebigkeit unzufrieden zu sein. Waren die vorhandenen Mittel erschöpft, so ergaben sich alsbald wieder neue. Im J. 1635 begründete er bei St. Lazarus ein Seminar für solche Zöglinge, die sich dem Priesterstande widmen würden. Er that dasselbe auch an andern Orten; der Erfolg entsprach aber den Erwartungen nicht, dagegen gediehen die eigentlichen Priesterseminarien (in Frankreich die großen genannt) zu schöner Blüthe. Der Cardinal Richelieu bot zur Gründung eines solchen Seminars bei den »guten Kindern« die Hand und gewährte so hinreichende Mittel, daß es im J. 1642 eröffnet werden konnte. Im Ganzen hat der Heilige 54 große und 9 kleine Seminarien eingerichtet; er war von der Nothwendigkeit der erstern so überzeugt, daß er den Bischöfen anrieth, hier niemals eine Dispense eintreten zu lassen. Unterdessen hatten auch die Töchter der christlichen Liebe sich im J. 1633 zu einer klösterlichen, unter seiner Leitung stehenden Genossenschaft vereiniget. Die oben im Vorbeigehen bereits genannte fromme Wittwe Louise le Gras, geb. von Marillac, hatte sich diesem Werke besonders gewidmet. Am 25. März d. J. 1634 ließ sie der Heilige nach längerer Prüfung die Gelübde ablegen. Noch zu Lebzeiten des hl. Stifters wurde diese Genossenschaft nicht nur in allen Pfarreien von Paris, sondern auch noch in sehr vielen andern Orten, selbst in Polen eingeführt. Wir kennen sie unter dem Namen barmherzige, oder graue Schwestern. Lange Zeit gab ihnen der hl. Vincentius nur mündliche Verhaltungsvorschriften; die geschriebene Regel erhielten sie erst im J. 1655. Sie haben an den Kranken, Armen, Waisenkindern, Irrsinnigen, in den Zuchthäusern und Strafanstalten, in den Schulen und Spitälern, an den kranken und verwundeten Soldaten schon in den ersten Jahren ihres Bestehens wahre Wunder der Liebe gethan. Im J. 1638 übergab ihnen der Heilige die ersten zwölf Findelkinder, welche die göttliche Vorsehung wie durch einen Zufall seinen Händen anvertrauen wollte. Schon dieses einzige Liebeswerk, welches er ungeachtet vieler Hindernisse mit wahrhaft heroischem Liebeseifer in der großartigsten Weise durchführte, sollte hinreichend gewesen sein, sein Andenken für alle spätern Geschlechter ehrwürdig zu machen. Im J. 1640 übergab der Heilige auch das Spital in Angers und das der Galeerensträflinge am St. Bernhardsthore, das er zehn Jahre lang aus ganz eigenen Mitteln unterhielt, den Töchtern der christlichen Liebe. Im folgenden Jahre erfreute ihn ein Besuch der hl. Francisca von Chantal, deren Ordenshäusern er seit dem Hinscheiden des hl. Franz von Sales als Superior vorstand. Außerdem standen die Vereine der »Töchter de la Pieté« und der »Töchter von der Vorsehung«, welche Frau Pollalion theils als Buß-, theils als Schutzanstalten für die weibliche Jugend gestiftet hatte, unter seiner Leitung. Zur Beschaffung der nöthigen Hilfsmittel standen die »Damen der christlichen Liebe« mit aufopferndem, unbeschreiblich großem Eifer an seiner Seite. Im J. 1642 fand die erste Generalversammlung der Congregationspriester für die Missionen statt; er wurde auf derselben, so sehr er sich auch sträubte, definitiv zum Superior gewählt. Im nächsten Jahre erhielt er durch die Herzogin von Aiguillon die Dotation für seine Missionsanstalt in Marseille, zugleich mit der Bestimmung, daß einige Priester die Seelsorge der gefangenen Christen in der Berberei übernehmen sollten, für welche der Heilige längst gerne gesorgt hätte, wenn ihm die nöthigen Mittel zu Gebote gestanden wären. Unter Gottes wunderbarem Segen brachte er es dahin, daß er in Tunis und Algier über 1200 Sklaven [724] loskaufen, und vielen andern durch seine Missionäre geistliche und leibliche Hilfe spenden konnte. (Vgl. den Artikel: Bacher, Joh. Bapt.) Um dieselbe Zeit war es die größte Sorge des Heiligen, die Seinigen vor dem Jansenistischen Gifte zu bewahren, das seit dem J. 1638 durch den Abt von St. Cyran, Johann Berger de Hauranne, unter dem Scheine der Frömmigkeit und Sittenstrenge ausgeboten wurde. Er gab sich alle Mühe, diesen Unglücklichen schriftlich und mündlich wieder auf den rechten Weg zu bringen; der Ketzerstolz verschloß jeder bessern Neigung sein Herz, weßhalb man ihm von Unterwerfung unter die kirchliche Autorität nicht mehr hoffen durfte. Als der Abt im J. 1643 aus der Hast entlassen wurde, sprach er sich sogleich gegen die Verdammungsbulle des Papstes Urban VIII. aus. Aber auch bei manchen Bischöfen kam der Heilige so wenig zum Ziele, wie bei den Nonnen von Port-Royal, die er persönlich zur Unterwerfung ermahnt hatte. Beim Tode des Königs Ludwig XIII. am 14. Mai 1643 war er mit dem P. Dinet an seinem Sterbelager. Zu diesen kirchlichen Wirrsalen kamen auch noch äußere, durch die politische Lage herbeigeführte Bedrängnisse. Die Königin-Mutter Anna d'Austria mit ihrer verschwenderischen Hofhaltung erregte die allgemeine Unzufriedenheit. Als das Parlament dem Cardinal Mazarin, ihrem ersten Minister, ernstlich in den Weg trat, gebrauchte derselbe Gewalt, und setzte die Hauptopponenten ins Gefängniß. Dieses Mittel half nur für den Augenblick. Das Parlament beschloß neuerdings wieder Maßregeln gegen Steuerbedrückung und die Aufhebung von Monopolen und Privilegien. Als in der Altstadt ein Aufstand losbrach, trat der Erzbischof, sicherlich nicht ohne den Rath und die Zustimmung des Heiligen, zwischen die zum Kampfe gerüstete Bürgerschaft und die königlichen Truppen, und begab sich zur Königin, um den Frieden zu vermitteln, wurde aber abgewiesen. Erst als die Revolution in hellen Flammen losbrach, gab sie scheinbar nach, verließ aber Anfangs 1649 die Stadt, deren Widerstand sie durch förmliche Belagerung zu brechen gedachte. In diesen Wirrsalen konnte der Heilige auch dem Minister Mazarin gegenüber, der vor Allem einen ihm gefügigen Klerus wünschte, während ihm an der Reinheit des Glaubens und der Unbescholtenheit der Sitten weniger gelegen war, schon als Mitglied des Gewissensrathes nicht theilnahmslos bleiben. Er bemühte sich, die Frechheit in den Theatern und die Gottlosigkeit in der Presse zu bekämpfen, fand aber die nothwendige Unterstützung der Staatsgewalt nicht, wofür sie freilich selbst am meisten büßen mußte. Der Verleihung von Kirchenämtern an Unwürdige, den Pensionen aus Kirchenrenten, den Bergabungen von Abteien an Laien und ähnlichen Mißbräuchen trat er strenge entgegen, so daß Mazarin zuletzt den Gewissensrath gar nicht mehr zusammenrief. Eine Herzogin, welcher er mittheilte, daß ihr Sohn das verlangte Bisthum nicht erlangen könne, warf ihm in der Aufregung hierüber einen silbernen Leuchter an den Kopf, so daß er blutete. Der Heilige wischte sich einfach das Blut ab und sagte zu einem dabei stehenden Geistlichen scherzend: »Es ist nichts, mein Bruder, nichts als eine Ausschweifung mütterlicher Liebe!« Beim Aufstande des Jahres 1649 hatte er den Muth, dem Minister zu sagen: »Ew. Eminenz, weichen Sie der Zeitlage, werfen Sie sich ins Meer, um den Sturm zu besänftigen.« Hiedurch fiel er bei der Königin-Mutter in Ungnade. Auch die Aufrührerischen, unter welchen offene und heimliche Hugenotten waren, wendeten sich gegen ihn; er mußte sich flüchten, und St. Lazarus wurde angezündet. Diese Zeit benutzte der hl. Vincentius zum Besuche der Missionshäuser und Spitäler in den Provinzen. In der größten Winterkälte, manchmal bittere Noth leidend, wanderte er von Ort zu Ort, und bezeichnete seinen Weg mit Werken der Liebe. Auch der geistliche Krieg zwischen den Rechtgläubigen und den Jansenisten entbrannte immer heftiger. Er sah sich genöthiget, seinen Priestern und den Schwestern der christlichen Liebe die Lesung Jansenistischer Schriften zu verbieten und wegen ausgesprochener oder verdeckter Häresie mehrere Entlassungen vorzunehmen. Gegen die Wuth der innern und äußern Kriege ordnete er in seinen Häusern Sühnandachten und Gebete an, die er bis zum Abschlusse des pyrenäischen Friedens im J. 1660 fortsetzen ließ. Was aber bisher über die [725] Thätigkeit des hl. Vincentius gesagt wurde, ist immerhin noch etwas Kleines, wenn wir auf seine Bemühungen in Lothringen, in Artois, in der Picardie und Champagne, die Leiden des Krieges und seiner Folgen zu lindern, hinblicken. Die Geschichtschreiber geben sich umsonst alle nur erdenkliche Mühe, durch großartige Schilderungen der Wahrheit nahe zu kommen. Die geistlichen und leiblichen Opfer, welche hier zum Wohle der leidenden Menschheit gebracht wurden, bis zur größten Entsagung, sogar bis zur Hinopferung des Lebens, lassen sich in der That nicht beschreiben. Ueber die gereichten Gaben schreibt Maynard nur allein von Lothringen (S. 380): »Der Bruder Matthäus, welcher die Almosen gewöhnlich überbrachte, schätzt sie auf 1,600,000 Livres. In dieser Summe sind aber die verschiedenen Geräthschaften, Stoffe, Kelche und andere gottesdienstliche Gegenstände nicht mit einbegriffen. Noch weniger ist es möglich, die in Paris an die dahin gebrachten Knaben, Mädchen und Ordensleute, sowie an die übrigen Flüchtlinge und an die armen Edelleute vertheilten Almosen zu schätzen.« Ebenso reichlich flossen die milden Gaben auch für die Unglücklichen, welche der Krieg der Fronde mit seiner Geißel in Frankreich überhaupt geschlagen hatte. Da es uns nicht möglich ist, in dieser Skizze auch nur annähernd alle seine Liebeswerke vorzuführen, so begnügen wir uns, den Verein für arme Lehrlinge, die sich verpflichten mußten, als Meister dereinst gleichfalls kein Lehrgeld zu verlangen, seine Freigebigkeit bei den Exercitien, seine Bemühungen, den auch zu seiner Zeit blühenden Wahnsinn der Duelle, und die Zügellosigkeit der Soldaten überhaupt zu beseitigen, die erste Sendung von Missionären nach Madagascar im J. 1648, die Uebernahme der Seelsorge in der Bastille durch seine Missionspriester, die Errichtung des großen Hotel Dieu in Paris, seine Obsorge für die neubekehrten Protestanten, seine Hilfeleistungen für verschiedene Frauenklöster, die Unterstützung der Töchter der hl. Genovefa, die Absendung von Missionären nach Schottland und Irland, die Erfüllung eben solcher Aufträge für Schweden und Persien, nur kurz zu berühren, und müssen. Anderes ganz übergehen, um noch einen Blick auf sein Privatleben und seine Tagesordnung zu werfen. Fortwährend war er in Sorgen für sein Seelenheil, weßhalb er fast ununterbrochen betete, seinen Leib in strenger Zucht hielt, in der Regel alle Tage beichtete, seine körperlichen Leiden und seine mit dem Alter zunehmenden Beschwerden stillschweigend und geduldig übertrug (die geschwollenen Füße, an welchen er 40 Jahre lang litt, nannte er scherzweise seine Wetteruhr), nichts redete und unternahm, ohne zuvor mit Gott sich berathen, und während der letzten 18 Jahre alle Tage auf den Tod sich vorbereitete. Täglich erhob er sich um 4 Uhr von seinem Strohlager zur einstündigen Morgenbetrachtung, auf welche die Abbetung der Litanei vom hl. Namen Jesu folgte. Nach seiner heil. Messe, welche er mit inniger Andacht las, pflegte er eine zweite zu hören. Dem Breviergebete und der Lesung der heil. Schriften widmete er täglich einige Stunden. So oft er konnte, betete er vor dem Tabernakel. Fand er eine Kirche geschlossen, so kniete er sich vor der Thüre nieder, um seine Anbetung zu verrichten. Jeder Stundenschlag rief ihn zu einer kurzen Geistessammlung. Das kurze und einfache Mittagessen war durch geistliche Lesung gewürzt. Die übrige Zeit gehörte den nothwendigen Besuchen und Berufsarbeiten bis in die späte Nacht, die er großentheils zur Besorgung der Correspondenzen gebrauchte. An jedem Tage verrichtete er auch eine besondere Andacht zur Mutter Gottes, widmete ihrer Verehrung einige seiner Handlungen, und wollte, daß das Nämliche auch von den Seinigen geschehe. Dieses kostbare Leben endigte für diese Welt am 27. Sept. 1659, nachdem er, 85 Jahre alt, die heil. Sterbsacramente empfangen und Allen, die es verlangten, seinen letzten Segen gespendet hatte. Am folgenden Tage wurde er ein einem dreifachen Sarge27 unter äußerst zahlreicher Theilnahme begraben; der Prinz von Conti, der päpstliche Gesandte Piccolomini, Erzbischof von [726] Cäsarea i. p. und mehrere andere Prälaten, die Gräfin von Aiguillon etc. begleiteten das Leichenbegängniß. Bischof Heinrich Maupas du Tour von Evreux hielt die Leichenrede bei St. Germain. Am 19. Juli d. J. 1712 wurde im Beisein des Cardinals Noailles das Grab des Heiligen geöffnet. Am 13. Aug. 1723 erfolgte die Seligsprechung, und am 16. Juni 1737, als neue Wunder auf seine Fürbitte geschehen waren, durch Papst Clemens XII. seine Heiligsprechung. Zugleich wurde der 19. Juli als sein Verehrungstag bestimmt. Die Kirchspiele Clichy und Chatillon erhielten zuerst ein eigenes Officium zu seiner Ehre. Sein Leib wurde in einem silbernen Sarge in der St. Lazaruskirche aufbewahrt. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli d. J. 1789 plünderten die undankbaren Nachtkommen der Armen, welche der Heilige so liebevoll aufgenommen und unterstützt hatte, nicht bloß das Haus, sondern sogar das Zimmer, welches er bewohnt hatte, und wiederholten diesen Raubzug am folgenden Tage. Die Kirchenräuber d. J. 1792, welche sich »Nationalversammlung« nannten, ließen den Lazaristen nur die leeren Gebeine, welche in sorgfältigem Verstecke gehalten wurden, bis die Schreckenszeit vorüber war. Der Generalsuperior Coyla und die Missionspriester entgingen nur durch schleunige Flucht der Niedermetzelung, während die bei St. Firmin wohnenden als Martyrer starben. So ehrte das dankbare Vaterland das Andenken seines größten Wohlthäters! Vom J. 1806 bis zum Monate März 1830 hüteten die barmherzigen Schwestern die ehrwürdigen Ueberreste. Am 25. April d. J. kamen sie in die neue Kapelle der Lazaristen. Diese Uebertragungsfeier wird am genannten Tage mit eigenem Officium und in der Messe begangen. Die Julirevolution zwang die Lazaristen neuerdings, die heil. Gebeine in Sicherheit zu bringen. Erst am 13. April 1834 fand wieder eine öffentliche Ausstellung der heil. Reliquien statt. Das Herz des Heiligen wurde zur Revolutionszeit nach Turin übertragen, und befindet sich dermalen in Lyon. Das Haus, in welchem der Heilige bei St. Lazarus gewohnt halte, ist jetzt ein Gefängniß für weibliche Sträflinge; die frühere St. Lazaruskirche ist niedergerissen. Das Mart. Rom. feiert sein Andenken mit dem Bemerken, daß der 27. Sept. der Tag seines Entschlafens sei, am 19. Juli. Die Carmeliten begehen es am 18. August. Die Boll. nennen ihn auch am 27. Sept. (VII. 375.) Auf Bildnissen sieht man den Heiligen zumeist, von Missionspriestern und barmherzigen Schwestern umgeben, ein Kind auf dem Arme, während andere Kinder die Händchen nach ihm ausstrecken und seinen Segen verlangen. Die von ihm gestifteten barmherzigen Schwestern und die Lazaristen bestehen zum Segen der Menschheit bis auf den heutigen Tag. Letztere dürfen nur im neuen deutschen Reiche keine Niederlassung begründen.28


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 719-727.
Lizenz:
Faksimiles:
719 | 720 | 721 | 722 | 723 | 724 | 725 | 726 | 727
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon