Capital

[790] Capital (noch im 17. Jahrh. in Deutschland »Hauptgut« genannt), bezeichnet im gewöhnlichen Sprachgebrauche eine Summe Geldes, welche im gesellschaftlichen Verkehr Gewinn bringen soll; als bloßer Vorrath von Geld oder Geldeswerth, dem Verkehre entzogen, heißt das C. ein todtes. Die Nationalöconomie begreift unter C. die angesammelten Güter jeder Art, ob dieselben zu dauerndem Genusse (Verbrauchscapital) oder zur Production (Productivcapital) dienen. Bei dem Productivcapital unterscheidet man das Anlagecapital, das z.B. in Grundstücken, Gebäuden, Maschinen u.s.w., und das Betriebscapital. das die Anschaffung der zu bearbeitenden Materialien, die Bestreitung der Arbeitskosten, die Kosten des Umsatzes der gewonnenen Waaren etc. decken muß. Daß das C. in jeder Gesellschaft, wo die Arbeit mehr bezweckt als die Fristung des Lebens, wie z.B. bei Jäger- und Fischervölkern, zur Hebung derselben, also zur vermehrten Erzeugung von Gütern nothwendig ist, daß das C. und Arbeitskraft mit einander in nothwendiger und darum so fruchtbarer Wechselwirkung stehen, ist durch die Erfahrung aller Zeiten und Völker bewiesen. Doch ist das C. auch von jeher ein Gegenstand des Neides und der Eifersucht gewesen, und wie die Staaten dasselbe noch immer als rechtlichen Besitz geschützt haben, so sind andererseits auch manche Beschränkungen gegen dasselbe verfügt worden. So hat man schon in den ältesten Zeiten den Zinsfuß regulirt oder beziehungsweise herabgesetzt; wie leicht diese Bestimmungen aber umgangen werden können, ist allgemein bekannt und eben so gewiß ist es, daß das C. seinen Zins selbst erhöht oder herunterdrückt, je nachdem es in geringerer oder größerer Masse vorhanden ist, was zum Theil von der Freiheit des C.s in seiner Production abhängt. Im Mittelalter war das Zinsnehmen verboten; aber das Schuldenmachen, d.h. die Anrufung fremder Hilfe in der Noth, konnte man nicht verbieten und statt des Zinses trat die ruinirende Verpfändung ein, oder Juden und Lombarden nutzten ihr Monopol Geld auf Zinsen zu leihen zum Verderben der Gläubiger aus. Ein unbedingt giltiger Grundsatz ist in dieser Beziehung nicht aufzustellen, wenn nicht der: die Gesetze des Staates schützen das C. gegen Angriffe von Seiten der Armuth oder Habgier, beschränken aber auch andererseits dasselbe in so weit, daß es nicht zur unbedingten Herrschaft über die Arbeit gelangt; deßwegen werden nach der verschiedenen Entwicklung des Verbrauchs und Betriebs auch verschiedene Gesetze u. Vorkehrungen nöthig. In neuerer Zeit haben bekanntlich die Communisten u. Socialisten dem C.e den Krieg erklärt u. nur der Arbeit das Recht des Genusses zugestanden. d.h. mit anderen Worten, sie möchten dem einzelnen verwehren, durch größere Kraft, größeren Fleiß und bessere Oeconomie mehr zu erwerben als ein anderer, der nicht so viel schaffen kann oder schaffen will, oder der mehr verbraucht. Praktisch ist an diesem Systeme nur der Krieg gegen das C., d.h. allgemeine Beraubung der Besitzenden, die gemeinschaftliche Arbeit mit gleichem Erwerb und Genuß ist aber so lange ein Unsinn, als nicht alle Menschen gleiche Arme, gleichen Magen, gleiche Triebe, gleichen Verstand, gleiche Empfindungen und Gefühle, hauptsächlich aber gleiche Tugenden haben.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 790.
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