Chemniz

[79] Chemniz, Martin, der nach Luther u. Melanchthon als der gelehrteste prot. Theologe gilt, wurde 1522 zu Treuenbriezen geb., aus einem Tuchmacher ein Schulmeister, um studieren zu können und bezog 1545 Wittenberg, wo er auf Melanchthons Rath Mathematik und vorzüglich Astronomie, damals zum Theil noch Astrologie, trieb. Schon 1548 Rector der Domschule zu Königsberg, machte ihn 1550 Herzog Albrecht, ein eifriger Astrologe, auch zu seinem Bibliothekar, als welcher er sich durch Selbststudium zum Theologen bildete. 1553 gelang es Osiandern, C. wegen des Rechtfertigungsstreites aus Königsberg zu vertreiben und nachdem dieser kurze Zeit Astrologe des Markgrafen von Brandenburg gewesen, kehrte er 1554 nach Wittenberg zurück und hielt Vorlesungen über die loci communes seines Freundes Melanchthon, aus denen seine eigenen erwuchsen, worin er auf die Nothwendigkeit der Verbindung von Dogmatik u. Dogmengeschichte hinwies. Er ordnete das Schul- und Kirchenwesen Preußens, sein corpus doctrinae prutenicum, das preuß. Doctrinalbuch, erlangte symbolisches Ansehen; C. wirkte eifrig für Annahme der Concordienformel, bestritt die Berechtigung der luther. Kirche zu weiteren Fortschritten u. ließ sich durch die Critik eines Kölner Jesuiten zur Befehdung dieses Ordens u. der kathol. Kirche überhaupt, besonders ihrer Tradition und der Beschlüsse des Tridentinerconcils fortreißen; st. 1586 als Superintendent zu Braunschweig, auch bei Katholiken den Ruf eines gelehrten u. in Streitigkeiten gemäßigten Theologen hinterlassend. – Sein Sohn, Philipp Bogislav, geb. 1605 in Stettin, trat in schwed. Dienste, wurde schwed. Rath, Reichshistoriograph und Adeliger, ist der bekannte Hippolytus a Lapide. der Verfasser der Schrift »De ratione status in imperio nostro Romano-Germanico«, in welcher er die fremden Gesandten und Fürsten und die deutschen Protestanten anwies, die kaiserl. Macht durch den westfäl. Friedensschluß, der eben vorbereitet wurde, bis zur Vernichtung zu beschränken; er st. 1678 auf seinem schwed. Gute Hallstadt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 79.
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