Brandenburg [1]

[645] Brandenburg, erste Provinz des Königreichs Preußen, in der Mitte dieses [645] Staates gelegen, gränzt nördl. an Mecklenburg und Pommern. östl. an Provinz Preußen, Posen und Schlesien, südl. an Schlesien, Provinz Sachsen, westl. an die Provinz Sachsen. Anhalt und Hannover, umfaßt 734 QM. mit 2205040 E. und zerfällt in administrativer Beziehung in den Stadtbezirk von Berlin, in den Reg.-Bez. Potsdam mit 14 Kreisen, und in den Reg.-Bez. Frankfurt a. d. O. mit 16 Kreisen. Die Provinz bildet fast durchgängig eine Ebene mit Ausnahme etwa eines einzigen Höhenzuges mit einzelnen Erhebungen von 500–700'. Die Hauptflüsse sind die Oder im Osten und die Elbe im Westen, Nebenflüsse der erstern sind der Bober, die Neiße, Finow, Weise und Stoberow auf der linken, und die Warthe und Netze auf der rechten Seite. Im Nordwesten ist die Elbe eine Strecke weit Gränzfluß und hat als Nebenflüsse die Havel mit der Spree, Rhin, Dosse, Plaue und Stepenitz. Besonders reich ist die Provinz an Seen und stehenden Gewässern, außer den vielen von der Havel gebildeten u. an Größe beträchtlichsten finden sich deren noch zu mehreren Hunderten. Von den vielen Kanälen sind besonders zu nennen der Finowkanal, der die Havel mit der Oder. der Friedrich-Wilhelmskanal, der die Spree mit der Oder verbindet, der Haupt- und kleine Kanal zwischen der großen Krümmung der Havel, der Ruppiner Kanal zwischen Havel und Ruppinersee etc. – Der Boden ist sandig, mit Ausnahme der Marschgegenden und der Sumpfstriche an den größern Flüssen. – Die Waldungen sind zahlreich und liefern viel Holz. Aus dem Mineralreich wird Alaun, Kalk, Gyps, Thon und Lehm gewonnen, ferner Torf und Steinkohlen. Die Landwirthschaft wird eifrig gepflegt und liefert Getreide aller Art. Tabak. Hopfen , Flachs, Hanf, Obst, Krapp, Wein sehr wenig und gering. Nicht unbedeutend ist die Zucht des Rindes, ebenso die Pferde-, Schaf-, Bienenzucht und Fischerei. – Die Industrie befaßt sich hauptsächlich mit Webereien in Seide, Baumwolle und Wolle und besonders die Tuchfabrikation beschäftigt viele Hände; ferner Zuckersiedereien, Leinewebereien, Eisenschmelzen und Eisenhämmer, Fabrikation von Leder, Metallwaaren, Glas, Papier, Spiegeln, Porcellan u. Steingut. Der Verkehr ist lebhaft und wird außer den vielen Kanälen noch besonders erleichtert und begünstigt durch die von Berlin aus nach allen Richtungen hin sich ziehenden Eisenbahnen. Für wissenschaftliche Ausbildung bietet die Provinz viele Anstalten, eine Universität zu Berlin, 18 Gymnasien und viele Realschulen. – In den frühesten Zeiten waren diese Gegenden von Völkern suevischen Stammes, Semnonen und Longobarden bewohnt, denen, als sie bei der Völkerwanderung weiter zogen, slavische Völker (Wenden) in die verlassenen Wohnsitze nachfolgten, unter diesen namentlich Heveller, Ukrer, Rhetarier und Wilzen. Diese kamen zugleich mit den Nachbarvölkern in Abhängigkeit von Karl dem Großen, machten sich aber unter dessen Nachfolgern bald wieder unabhängig und beunruhigten nun beständig die deutschen Gränzen durch räuberische Einfälle, bis Heinrich von Sachsen siegreich über die Elbe drang und Brennaburg eroberte, womit die Ueberlegenheit der deutschen Waffen begann. Als Heinrich Kaiser geworden 919, übertrug er die Vertheidigung der Gränze (Mark) an der Elbe und Havel besondern Grafen (nachherige Markgrafen von Nordsachsen). Diese machten zwar Eroberungen und behaupteten stets eine Ueberlegenheit über die Wenden; doch dauerte der Krieg noch über 200 Jahre. Erst als Albrecht der Bär, Graf von Askanien, von Kaiser Lothar 1134 mit der Nordmark belehnt wurde, wurden die Wenden gänzlich über die Oder gedrängt oder unterworfen. Albrecht führte zuerst den Titel Markgraf von B., erbaute mehrere Städte, so Berlin, Stendal etc. und zog zur Bevölkerung des menschenleeren Landes Colonisten aus Sachsen, den Niederlanden und vom Rheine herbei. Unter seinen Nachfolgern gewann die Markgrafschaft an Ausdehnung und Wichtigkeit und schon sein Sohn Otto I. ward Erzkämmerer und Kurfürst. Nach dem Erlöschen des askanischen Stammes 1320 nahm Ludwig der Bayer das Land als [646] heimgefallenes Lehen in Anspruch und belehnte seinen Sohn damit, doch wurde die Mark von dem Hause Bayern nicht besonders beachtet und später gegen eine Geldsumme an Karl IV. abgetreten. der seinen zweiten 11jährigen Sohn Sigismund damit belehnte. Unter seiner Regierung gerieth das Land in Verwirrung, Sigismund selbst in arge Schulden und er setzte nun, nachdem er Kaiser geworden, den Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern zum Statthalter in der Kurmark ein und ertheilte ihm 1415 gegen eine Geldsumme und Tilgung einer Schuldforderung die Kurwürde und das Erzkämmereramt, worin er 1417 auf dem Concil zu Konstanz als Kurfürst Friedrich I. belehnt wurde. Mit diesem Fürsten, unter dessen Nachfolgern die Mark an Umfang wie an Macht und Ansehen stets zunahm, beginnt die eigentliche Entstehung des preuß. Staates.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 645-647.
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