Doctor

[414] Doctor, vom lat. docere, lehren, der Lehrer, alsdann ein Ehrentitel; doctores ecclesiae, Kirchenlehrer, nannte man auch Kirchenväter, besonders den Augustin, Hieronymus, Gregor d. Gr. und Ambrosius in der latein., den Athanas, Basilius, Chrysostomus u. Gregor von Nazianz in der griech. Kirche. Im Mittelalter wurden dem D.titel berühmter Scholastiker noch Beinamen zugefügt; so hieß Thomas von Aquin D. angelicus, der engelhafte D., Bernard D. mellifluus, der honigfließende D., Th. Bradwardin D. profundus, der tiefsinnige D., Duns Skotus D. subtilis, der scharf unterscheidende D. u.s.w. Seit Barbarossas Zeit wurde D. der höchste Titel der Universitätslehrer u. die Ertheilung des Doctorates, der D. würde, zum Ritterschlag der Gelehrtenwelt und mit Ertheilung eines persönlichen Adels verbunden. Zuerst wurden durch den Kaiser oder Papst die Rechtslehrer, zuletzt die Magister der freien Künste D.en und bis heute bewahren die D.en der Theologie einiges Ansehen. Im allgemeinen entspricht die Bedeutungslosigkeit des D.titels der Leichtigkeit, womit derselbe erlangt wird, wozu häufig weder ein [414] strenges Examen, examen rigorosum, noch eine mit einer Disputation (s. d. A.) verbundene feierliche Promotion, sondern nur die Einsendung einer sogen. Inauguraldissertation sammt der üblichen Taxe gehört. Der D.grad oder D.titel berechtiget zum Lehren an den Universitäten, doch überhebt er seine Besitzer in den meisten Staaten nicht einmal der Staatsprüfung. D.diplome werden als Ehrendiplome ausgezeichneten Gelehrten und hohen Standespersonen zugesandt, selbst Frauen, wie 1817 Mariane Th. Ch. v. Siebold in Darmstadt D. der Medicin wurde. Auch Künstler, Fachgelehrte, wie Chirurgen und Geburtshelfer, werden manchmal D.en und die Aerzte überhaupt D.en genannt, mögen dieselben den 4eckigen purpurrothen D.hut oder das D.diplom jemals erlangt haben oder nicht.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 414-415.
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