Jüngster Tag

[511] Jüngster Tag, d.h. letzter Tag, der Tag des Weltgerichtes, wo Himmel und Erde vergehen und über das Loos des Menschen die ewige Entscheidung fällt. Es ist ungewiß, ob die alten Aegypter ein allgemeines Todtengericht und an den Untergang dieser Welt glaubten, die Inder setzen beides an das Ende des 4. Weltalters, des Kali Dschug; in der Parsenreligion tritt die Lehre vom kommenden Erlöser, Sosiosch, nicht minder die von der Auferstehung der Todten, vom Weltgericht und von der Weltverbrennung großartig in den Vordergrund und findet in der Götterdämmerung der nordisch-germanischen Mythologie einen schauerlich schönen Wiederhall. Wie bei diesen Völkern vermischte sich bei den Juden die Lehre vom j. T. mehr oder minder mit chiliastischen Ideen (s. Chiliasmus). Die Rabbinen setzten den j. T. an den Anfang ihres diesseitigen Messiasreiches, ließen nur die Frommen auferstehen und seltsam genug dennoch über alle nichtjüdischen Völker herrschen; endlich nahmen sie an, Lohn oder Strafe seien ewig, aber beides werde nicht nach dem Seelenzustande des Menschen. sondern [511] rein äußerlich und juridisch am Wortlaut des Gesetzes gezählt und zugemessen. Die Kirche lehrt neben dem Gericht, welches über die Seele jedes Abgeschiedenen gehalten wird, eine Auferstehung der Leiber am j. T. (Joh. 5,28; 2 Kor. 5,10; Math. 13,43) und ein allgemeines oder öffentliches Gericht, welchem Verführung durch den Antichrist, unsägliches Elend, Verfinsterung der Gestirne und ein allgemeiner Brand vorangehen, wo die Engel die Guten von den Bösen sondern, über die Gedanken, Worte und Werke eines Jeden Rechenschaft gefordert wird u. Christus der Herr das Urtheil fällt (Math. 25,34. 41), ob du ewig in die Hölle oder ewig in den Himmel gelangest.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 511-512.
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