Radowitz

[658] Radowitz, Joseph Maria von, aus einer ursprünglich slavon. Familie stammend (sein Großvater wurde im 7jährigen Kriege gefangen und kehrte nicht in seine Heimath zurück), 6. Febr. 1797 zu Blankenburg am Harze geb., kam als Westfale in die polytechnische Schule zu Paris, war 1812 bereits Offizier in der westfäl. Armee und erhielt aus Napoleons I. Hand das Kreuz der Ehrenlegion. Von 1814–23 war er erster Lehrer der Kriegswissenschaften bei dem Cadettencorps zu Kassel, wurde, weil er sich der gekränkten Kurfürstin annahm, von dem verstorbenen Kurfürsten auf die Festung Ziegenhain gesetzt und mit der Bedingung entlassen, daß er seine Pension im Auslande verzehre. Obgleich ohne Vermögen schlug R. die Pension aus und trat als Subalternoffizier in preuß. Dienste. Der Kronprinz lernte R. bald kennen und hochachten; 1830 wurde R. Chef des Generalstabs der Artillerie, 1836 preuß. Militärbevollmächtigter in Frankfurt, 1842 Gesandter in Karlsruhe, bekam 1847 eine Mission nach Wien und Paris wegen des sog. Sonderbunds und war 1848 eines der hervorragendsten Mitglieder des Parlaments in Frankfurt. 1849 war er bereits die Seele der preuß. Politik, vom 27. Sept. bis 2. Novbr. 1850 Minister der auswärtigen Angelegenheiten, zog sich nach Erfurt zurück, als die Union aufgegeben wurde, kam im August 1852 als Generalinspector des Bildungswesens der Armee nach Berlin zurück und st. 25. Dezbr. 1853. Seine Politik mag verschieden beurtheilt werden, anerkannt aber war R. ein durchaus edler Charakter, ein hochgebildeter Geist und ein aufrichtiger guter Katholik; von seinen Schriften (Gesammelte Schriften, 5 Bde., Berlin 1852–53) haben seine »Gespräche aus der Gegenwart über Staat und Kirche« mit Recht die allgemeinste Aufmerksamkeit erregt. R. hinterließ aus seiner Ehe mit der Gräfin Maria von Voß 4 Söhne: Clemens, Paul, Joseph und Felix.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 658.
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