[509] Traum, lat. somnium, nennen wir die Thätigkeit der Seele während des Schlafes. Im Schlafe ruhen die von dem Gehirn und Rückenmark abhängigen vitalen Processe, namentlich die Thätigkeit des Gesichts-, Gehörs- und Tastsinnes, die durch die Sinne vermittelte Einwirkung der Außenwelt auf die Seele hört auf od. ist wenigstens eine außerordentlich [509] beschränkte, daher verdunkelt sich auch das Bewußtsein, und als Folge davon das bewußte Denken (Reflexion) und Wollen. Dagegen dauern die von dem Gangliensystem abhängigen Verrichtungen fort, das Gemeingefühl (die allgemeine Empfindung von dem innern Zustande des Leibes) ist in lebhafter Thätigkeit u. erregt in der Seele Vorstellungen. Die Beschaffenheit des T.es, ob angenehm od. unangenehm, hängt theils von dem Gemeingefühle (bei überfülltem Magen, Blutandrang gegen den Kopf, Athmungsbeschwerden etc. träumt niemand angenehm), theils von der Phantasie ab (der Betrübte, Bedrohte etc. träumt in der Regel schwer); der intellectuelle u. sittliche Gehalt des T.es wird dagegen durch die intellectuelle und sittliche Ausbildung des Menschen bestimmt (der Mann träumt anders als das Kind, der Gelehrte anders als der Jäger, der Keusche anders als der Wüstling), und daher ist die Behauptung, daß man einen Menschen auch an seinen Träumen zu kennen vermöge, mit gewisser Beschränkung genommen keine unwahre. Jedenfalls hat aber das T. leben der Seele eine viel geringere Bedeutung als das wache Leben u. der Volksmund bezeichnet die Träume ganz richtig als Schäume; daß jedoch die meisten Völker alter und neuer Zeit in den Träumen etwas Prophetisches gesucht haben, befremdet den nicht, welcher die verschiedenen Mittel kennt, deren sich schon die Menschen bedient haben um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Das T. leben dauert während des ganzen Schlafes fort; von den Träumen im gefunden, tiefen Schlafe können wir nichts Bestimmtes wissen, weil wir sie vergessen oder von den Morgenträumen nicht zu unterscheiden vermögen.