Winckelmann

[726] Winckelmann, Joh. Joach., der große Kunstkenner und Archäolog, geh. 1717 zu Stendal, war der Sohn eines armen Schuhmachers und hatte seine ganze Jugendzeit hindurch mit Armuth zu kämpfen, arbeitete sich aber trotzdem mit genialer Kraft durch Studien und Umgang (Hagedorn, Oeser, Lippert u.a.) zu dem empor, was aus ihm geworden. Nachdem er einige Zeit Conrector zu Seehausen gewesen, wurde er Bibliotheksekretär des Ministers Bünau [726] in Dresden und half diesem seine Reichsgeschichte ausarbeiten; 1754 trat W. zur Kirche zurück, kam 1755 nach Italien, fand in Rom an den Cardinälen Albani, Passionei u. Archinto große Gönner, wurde 1763 Oberaufseher aller Alterthümer in u. um Rom, am 8. Juni 1768 aber in Triest, wohin er auf der Rückreise aus Deutschland gekommen, von einem raubsüchtigen Italiener ermordet. Die Protestanten sind einstimmig im Lobe der Wahrheitsliebe, Rechtlichkeit und Gemüthstiefe W.s, anderseits aber auch darin, daß W. lediglich deßhalb katholisch geworden sei, um Italien studieren u. sich in Rom eine Existenz gründen zu können, Göthe selbst bezeugt, W. sei gegen alle positiven Religionsparteien gleichgültig gewesen und habe in der christlichen Religion überhaupt nur ein Maskenkleid gesehen. Sicher ist, daß die Katholiken niemals viel Aufhebens von W.s Bekehrung machten u. daß aus seinen Werken nur ein seiner Kenner u. glühender Verehrer des classischen Alterthumes spricht. Er ist durch Abhandlungen (über die Nachahmung der griechischen Kunstwerke, Baukunst der Alten, Empfindung des Schönen) und das Hauptwerk: Geschichte der Kunst des Alterthums (Dresden 1768, dazu später: Anmerkungen zur Geschichte der Kunst, das Ganze neu in Wien 1776, 2 B.) der Schöpfer der Kunstgeschichte geworden und hat mit E. Lessing der Kunstbetrachtung ihre weitere Richtung gegeben. Zugleich war W.s Styl classisch, seine monumenti antichi inediti übersetzte Brun ins Deutsche, Berl. 1790–92, 2 B. Gesammtausgaben in 8 Bänden, Dresden 1808 bis 1820, Dresd. und Lpz. 1828–1829. Daß der moderne Cultus des Genius auch W. in seinen Bereich zog, versteht sich beinahe von selbst; sein Geburtstag, der 9. Dezember, wird nicht nur vom archäolog. Institut zu Rom, sondern auch mehrerorts in Deutschland als W.stag gefeiert.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 726-727.
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