[578] Ipecacuanha.
Ipecacuanha.
Specacuanha.
Hypoucanna.
Beguquella.
Cagosanga.
Beloculo.
Beculo.
Radix Brasiliensis.
portugiesisch, Cypo de cameras:
frantzösisch, Mine d'or. Beconguille.
[578] Ist eine kleine Wurtzel, so dick als eine mittelmäßige Federkiele, welche uns gedörrt, von unterschiedenen Orten aus America wird zugeführet. Es giebet ihrer vier unterschiedene Sorten, eine braune, eine graue, die dannoch etwas röthlicht sieht und innewendig weiß, eine aschengraue, welche innewendig braun ist, und fast wie Süßholtz schmeckt, und eine durchaus weisse.
Die erste und braune ist die stärckste, und wird höher geachtet, als alle die übrigen. Sie ist dicht, gewunden, runtzlicht und gleichsam voller Ringe, läst sich gar schwerlich brechen, schmeckt scharff und bitter. Sie wächset in Brasilien auf den Goldbergen: treibet eine Pflantze von mittelmäßiger Höhe, so zum Theil kriechend ist, zum Theil erhaben, trägt einige wenige, länglicht und spitzige Blatter, die fast aussehen, wie die an der Parietaria. Ihre Blüten sind weiß, bestehet eine iede aus fünff Blättern, die in kleinen Knöpfen stecken, woraus hernachmahls Beeren kommen, die so dicke sind, als wie die wilden, schwartzen oder Vogelkirschen, sehen braunroth aus, wann sie sind reiff geworden, mit einem saftigen und weissen Fleische angefüllt, darinne sich zwey hart und gelblichte Kerne finden, die als wie Linsen sehen.
Die andere, oder die röthlichtgraue Ipecacuanha-Wurtzel wird von der erstgemeldeten durch ihre Kraft und Farbe unterschieden, dann sie bey weiten nicht so kräftig. Doch bringt sie eben eine solche Pflantze. Sie wächset unten an den Bergen, in den Wiesen und andern feuchten Orten. Sie wird über Cadix aus Peru zu uns gebracht. Die Spanier nennen sie Bexugillo.
Die dritte, die aschengraue, wie Süßholtz schmeckende Ipecacuanha-Wurtzel ist von der andern darinn unterschieden, daß sie ein wenig dicker ist; daß ihre Runtzeln oder Falten lang und nicht wie Ringe sind formiret; daß sie auswendig viel aschfarbiger, inwendig braune sieht; und daß sie lieblich und wie Süßholtz schmecket. Sie wächset im Moraste.
Die vierte und weisse Ipecacuanha-Wurtzel wird von den beyden andern nicht nur durch ihre Farbe unterschieden, sondern auch durch ihre Figur und Gestalt, dann sie weder gewunden noch holperig: der weissen Diptamwurtzel kommt sie so ziemlich bey. Was ihre Pflantze, die sie pflegt zu treiben, für eine Gestalt hat, darüber ist man noch nicht einig: dann etliche sagen, sie sey so klein, wie das Pulegium, ihr Kraut sey weichlich und gantz wollig, und ihre Blume weiß. Andere hingegen wollen haben, ihr Kraut sehe wie der runde Sauerampfer aus. Sie wächset in den Wiesen und andern feuchten Orten.
Die Ipecacuanha-Wurtzeln, eine sowol als wie die andere, soll man erwehlen, wann sie fein dick und völlig sind, frisch, fleischig, dicht und hartzig, und von den kleinen dran befindlichen Fäden und Fasen wol gereiniget.
[579] In dem Lande, wo sie gegraben wird, ist sie nicht eben so gemein, und wird mit grosser Mühe eingesammlet: sie brauchen dazu keine anderen Leute, als die zu der Arbeit in den Bergwercken verdammten.
Sie purgiret und hält an: sie purgiret von oben und von unten weg, was sich nur lösen läst, hernach zieht sie die Fibern der Gedärme zusammen und stärcket sie vermittelst ihres irdischen Theiles: wider die rothe Ruhr ist sie eines der allerbesten und sichersten Mittel, dergleichen bisanhero ist gefunden worden. Sie stillet zwar auch den andern Durchfall, iedoch nicht so gewiß. Die dosis ist von einem halben bis auf anderthalb Quintlein, gantz zart zerflossen. Weil es auch oft geschicht, daß Patienten, welche sich gar balde brechen, das Medicament würden von sich geben, kurtz nachdem sie dasselbige zu sich genommen, und bevor es sie ausheilen und seine Wirckung recht thun mögen, deshalben ist es nöthig, die ordentliche dosin der Ipecacuanha in fünff oder sechs Theil zu theilen, und selbige alle Stunden nach einander einzugeben, damit dem Patienten es nicht gar zu sauer werden möge. Ja etlichen darff man des Tags mehr nicht als zehen bis zwölff Gran eingeben und solches alle Tage hinter einander, oder einen Tag um den andern wiederhohlen: das schlägt gemeiniglich wol an, und meistentheils brechen sich die Patienten gar nicht drauf. Bisweilen läst man auch Wein auf diese Wurtzel giessen, eine Weile stehen, und alsdann gebrauchen: sie stossen ein Paar Quintlein zu Pulver, und schütten sie in ein Glas rothen Wein, lassen es an einem warmen Orte vier und zwantzig Stunden stehen und hernach durchlauffen und dem Patienten auf einmahl, oder auf etliche mahl, früh nüchtern nehmen. Der Wein schickt sich darzu weit besser, als das Wasser, dann er ziehet die hartzige Substantz der Ipecacuanha besser aus: wann aber der liquor durchgegossen worden ist, so kan wol etwas aqua plantaginis oder centumnodii darzugeschüttet, und dadurch die Hitze temperiret werden, welche der Wein in den Feuchtigkeiten bey zarten Personen, erwecken möchte.
Die graue Ipecacuanha kan in einer ewas stärckern dosi gegeben werden, weder die braune.
Die Ipecacuanha, welche wie Süßholtz schmecket, wircket noch viel schwächer als die vorhergehenden beyden: sie wird auch nicht so oft in Forme eines Pulvers eingegeben, sondern es wird entweder schlecht Wasser, oder Gerstenwasser drauf geschüttet: sie führet unter allen das wenigste Hartz. Zum infuso oder zum decocto gehören drey Quintlein für einmahl: und das wird bis auf viermahl wiederhohlet. Soll sie aber als ein Pulver gebrauchet werden, so ist die dosis ein Quintlein bis anderthalbes.
Die weisse ist die gelindeste unter allen. Die Spanier und Portugiesen gebrauchen sie für die schwangern Weiber, und für die kleinen Kinder, die mit der rothen Ruhr beladen sind.
Wiewol man nun die Ipecacuanha unter die gewissesten und kräftigsten Mittel wider die rothe Ruhr stellen könte, so wird sie doch bisweilen auch gegeben, uñ thut doch die verlangte Wirckung nicht. Daß aber solches geschehen werde, wird daran erkannt, wann man dem Patienten zu dreyen unterschiednen mahlen aufs wenigste ein halbes Quintlein der zerstossenen Wurtzel nehmen lassen, und es wird dannoch[580] mit ihm nicht besser; so mag man immerhin nach andern Mitteln sich umsehen.
Von der gemeinen Ipecacuanha habe ich unter die Clystire wider die rothe Ruhr nehmen lassen: bisweilen ist es gut angangen, zuweilen aber ist die Wirckung schlecht genug gewesen und der Patiente hat gar wenig Linderung erhalten: bisweilen ist die Kranckheit auch gar nicht vermindert worden. Viel besser thut sie, wann sie eingenommen wird: dann, weil des Ubels Ursprung und Ursache gar oft im Magen liegt, so ist deshalben wol von nöthen, daß das Medicament zuvor dahin komme. Zu einem Clystire gehöret auf einmahl ein Quintlein, bis auf eine halbe Untze.
Die eine grosse Menge Ipecacuanha stossen wollen, werden von den allerleichtesten Theilgen dieses Pulvers gar sehr incommodiret; dann, sie fliegen herum, und legen sich in ihre Nase, und machen ziemlich starckes bluten. Dieses zu verhüten, dürffen die Wurtzeln, indem sie gestossen werden, nur mit etwas aqua centumnodii oder plantaginis angefeuchtet werden.
Es lässet sich auch ein Extract, mit Weingeist, aus der Ipecacuanha-Wurtzel machen, nur auf gemeine Weise; das wird hernach auf achtzehn oder zwantzig Gran schwer eingegeben. Es thut wol in der rothen Ruhr gar gute Wirckung; ich aber halte doch vielmehr vom Pulver selbst; weil gar wahrscheinlich ist, daß sie ihr irdischer Theil anhaltend machet, wann sie das ihrige durch das purgiren hat verrichtet.
Der Herr Gras, ein Medicus, welcher dreymahl die Reise nach America gethan, ist der allererste gewesen, der sie nach Franckreich mit gebracht, und sie uns bey dem Herren Abt de Bourdelot gezeiget, desgleichen, als ich meinen cursum chymicum hielte, und er denselbigen besuchte. Ich habe auch ein kleines Stück von dieser Wurtzel in meinem Materialkasten, welches er mir gegeben, dabey aber von ihrer Beschaffenheit und Tugend gar wenig Unterricht ertheilet.
Die ersten, welche die Ipecacuanha-Wurtzel nach Europa überbracht, die haben gar nichts von dem Uberreste des Gewächses und von seiner Kraft und Wirckung zu vermelden gewust. Selbst G. Piso, der es doch beschrieben, hat nichts davon gedacht: alleine, der Herr Daliveau, ein Medicus von Montpellier, der in America gewesen, und sich an dem Orte, wo es wächset, eine Zeitlang aufgehalten hat, versichert in einem Schreiben, welches dem Journal de Trevoux im Monat April, des Jahres 1705. pag. 651. ist einverleibet worden, daß er das Kraut an demselben Orte zu vielen mahlen auf die Probe geführet und gar herrliche Tugenden daran gefunden, zu allen morbis colliquativis dienlich, auch zu den Lungenbeschwerungen, zur Verstopfung, den Weibern ihre Gebühr zu verschaffen, und zu den Magenbeschwerungen, welche für die neuen Ankömmlinge in Westindien insonderheit gefährlich sind. Er füget hinzu, daß er wider alle diese Zufälle keine andern Mittel zu brauchen gewust, welche es dem Ipecacuanha-Kraute an herrlicher Wirckung gleich thun mögen.
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