[96] 1.
Wer ist mein Jesus? wer bin ich?
Ich Sünder, er Versühner,
Die wohl zusammen schicken sich.
Ach! dieses macht mich kühner,
Der ich mit Sünd
Wol hätt verdient
Sein Hassen und Verlassen,
Ihn erst fäst anzufassen.
2.
Ein Arzt geht gern dem Kranken nach,
Sich einen Arzt zu weisen.
Hier, Jesu! unter meinem Dach,
Hier kanst du Heiland heisen.
Heil meine Seel!
Das Wunder-Oel
Aus deiner Seiten-Wunde
Kan machen mich gesunde.
3.
Ach ja! du und ein Sünder sind
Zusammen Leib und Schatte.
Ich weiß ja, ich bethörtes Kind
Wie ich Mutwillen hatte
Zu fliehn von dir:
Du folgtest mir.
Dich, mich must nichtes können
Wie Leib und Schatten trennen.
4.
Ich sprang daher, ich blinde Seel,
Nach Art der thummen Kleinen:
Du folgtest mir, wie Paltiel
Der Michal dort, mit Weinen.
Die Höll sucht ich,
Der Himmel mich.
O Wunder-Lieb und Gnade!
Der Ries lief nach der Made.
5.
Du weinst mir freylich hinten nach,
Daß ich vor dir so fliehe
Und fliege in mein Ungemach,
Mich selbst dem Heil entziehe.
Die tolle Freud
Sich endt in Leid.
Weh mir, wann muß mein Lachen
Dich, Jesu! weinend machen.
6.
Ich thät es ja: die Threnen dir
Mein Sünden-Lauf abtriebe.
Ach! wer gibt nun auch Threnen mir,
Zu danken deiner Liebe?
Mit dem Gewein
Laß Wechsel seyn.
Die Buß mich weinen mache,
Auf daß mein Jesus lache.
[96]
7.
Wol mir, wann meiner Zähren Schuß
Dich, Jesu! mag erfrischen
Und mit dem Tüchlein wahrer Buß
Die Augen dir abwischen.
Ach! daß dann das
Recht würde naß!
Dich, Jesu! zu erfreuen
Soll keine Angst mich reuen.
8.
Mein Weinen ist dein Engel-Wein.
So mach dann meine Augen
Des Tranks zwey volle Krüglein seyn,
Die dich zu laben taugen.
Ich weiß, du hast
Auch angefast
Ein Tüchlein, mir die Zähren
Von Augen abzukehren.
9.
Dich und das ganze Himmels-Heer
Mein Weinen machet lachen.
Ach! hätt ich dann ein ganzes Meer,
Dir diese Freud zu machen.
Jedoch dein Blut,
Die rohte Flut,
Ersezt mit seinen Güssen,
Was ich nit lasse fliessen.
10.
Laß mich forthin dir lauffen nach,
Mich Schatten dir, dem Leibe.
Die Sonne mir entgegen lach!
Bey dir ich ewig bleibe.
Weich nicht von mir,
Zeuch mich nach dir.
Weg, Krankheit, Tod und Hölle!
Mein Arzt ist mein Geselle.
Buchempfehlung
Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.
266 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro