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Im Thon: Da Jesus an dem Creutze stund, usw.
1.
Es lenckt mein sündenkrancker Sinn
Sich, Jesu, in dein Leiden hin,
Das mir hat Freud' erworben.
Daß ich ein Kind deß Lebens bin,
Macht, weil du bist gestorben.
2.
Die Wort, so dir der Schmertz vnd Lieb
Am Creutz' auß deinem Hertzen trieb',
In meinen Ohren hallen.
Ach möchte, was ich seufftzend gib
Auch wohl in deinen schallen!
3.
Die gantz verwildte Menschenrott,
Die Rott, so deine Macht verspott,
Die jhren Gott vernichtet,
Verbittest du bey deinem Gott,
Sie, die Dich hingerichtet.
4.
Ich, ich vnd meiner Sünden Schwal
Vrsachte deine Nägelmal,
Die ich selbst hab verdienet:
Doch hat so deiner Wunden Qual
Die meinen außgesünet.
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5.
Den Mörder, der dir hieng zur Seit,
Hat dein Verdienst voran erfreut
Von denen, die erkauffet:
Der sündig lebte biß auff heut,
Der Hölle noch entlauffet.
6.
Ich zwar fühl täglich Sündenreu,
Doch wird die Sünd auch täglich neu,
Ich gleiche dem Verbrecher:
Schaff, daß einmal ich bey dir sey
So auch wie dieser Schächer.
7.
Du woltest ein Nohthelffer seyn
In deiner schwersten Creutzespein
Den treuen Hülffentblösten
Vnd diese, die sich nennten dein,
Selbst arm an Troste, trösten.
8.
Nun, Jesu, ich steh' auch vor dir,
Wann mein Gewissen billt herfür,
Komm meiner Seel zu Statten:
Wann ich wein' vnterm Creutz' allhier,
Laß mich Trost überschatten.
9.
Es quälte Dich die Sündendrüß,
Die Gott auff deine Schultern stieß,
Die Du von vnsern namest:
Du klagtest, daß Dich Gott verließ,
Dein Gott, von dem Du kamest.
10.
Ach meine Sünden drücken dich,
Auff Dir sie, Jesu, regten sich,
Sie machten Dich verblassen:
Daß mich Gott nicht ließ ewiglich,
Liest Du Dich so verlassen.
11.
Du Menschenfreund, was war doch dir,
Als dich so quälte Durstbegier
Vnd deine Seel' vmfangen?
Mein Heil, O Heiland, nahte schier,
Das, das war dein Verlangen.
12.
Vns leider! hat' auch Durst bekriegt,
Wann du nicht hättest jhn besiegt,
Dort in der Höllenflammen.
O Jesu, bring' vns wohlvergnügt
Zum Lebensbrunn zusammen.
13.
O süsses Wort, O tröstlichs Wort,
O Wort, der armen Seelen Port,
Ein Außspruch zu dem Leben!
Es ist vollbracht! spricht vnser Hort,
Der sich dem Tod will geben.
14.
Hab danck, du treues Bruderhertz,
Hab Danck, O Jesu, für den Schmertz,
Den Schmertz, der mich erquicket.
Tod, Teuffel, Höll, bleibt hinterwärts!
Die Handschrifft ist zerstücket.
15.
Die Sündensönung ist vollbracht,
Der Mitler gibet gute Nacht,
Der Lebensherr verstirbet.
Nim, Vatter, meine Seel in Acht,
Spricht, der den Fried erwirbet.
16.
Du stirbst. Dein Sterben machet mich,
O Jesu, leben ewiglich.
Ach laß an meinem Ende
Mein Seelchen auch so letzen sich,
Nim mich in deine Hände!
17.
Mir, Jesu, hat dein Martertod,
Dein Tod in harter Creutzesnoht
Das Leben wollen schencken.
Daran, O Du mein Seelenbrod,
Laß mich ja stets gedencken.
18.
Dein Creutz sey meines Creutzes Trost,
Dein Dürsten meiner Seelen Kost,
Biß sie bey dir mög leben:
Indes laß mich ohn Glaubensfrost
An deiner Gnade kleben.
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