Prolog an das Publikum

[170] Auf die Ankunft Pius VI. in Wien.


1782.


Warum sonst Kaiser zu den Päpsten kamen,

Ist sonnenklar; allein warum,[170]

Frägt Jedermann, kehrt jetzt der Fall sich um? –

Man frägt und denkt nicht an die Namen!

Man frage: Wer kömmt? und zu Wem?

Und sieh, gelöst ist das Problem!


Ein Pius kömmt, der seine Kronen

Zur Ehre Gottes und der Menschheit trägt,

Der weiß, wie gut das Wohl der Nationen

Sich mit den Rechten seines Stuhls verträgt,

Der weiß, daß Menschenrecht und Recht der Thronen[171]

Viel älter sind, als je ein Recht der Kirche war,

Und daß er selbst – den auch ein Weib gebahr –

Eh' Mensch und Unterthan, als Glied der Kirche war

Der weiß, wie scharf Gott selbst – denn wer erkennte

Den Anwalt Gottes sonst an ihm? – sein Reich

Von jenem hier auf Erden trennte.

Ein Pius kömmt, der, seinem Meister gleich,

Den Mammon gern aus Gottes Kirche triebe,

Und wenn sie auch so arm, als sie gewesen, bliebe! –

Ein Mann, der das Gesetz der Liebe,

Das Gott der Kirche gab, im Herzen trägt,

Der, wenn er Menschen sieht, sie, eh' er frägt:

Seid ihr getauft und glaubt ihr? – liebet,

Und ihnen Gutes thut; der diese Göttlichste

Der Menschentugenden nicht lehrt bloß – sondern übet:

Dem Menschenglück das Heiligste

Hienieden ist, kurz, der eh' seiner Würde

Entsagte, eh' er sie zur Bürde

Der Menschheit werden liesse. So ein Mann –

So einer – denn auf einen andern kann

Gott niemals seine Kirche bauen,

Noch ihm dazu die Schlüssel anvertrauen –

So einer also kömmt – zu Joseph, der

In einem Jahre seines Reiches mehr

Zum Wohl der Menschheit that, als der Regenten viele,

Die man die Grossen hieß, an ihres Lebens Ziele

Wohl kaum gethan, zu Joseph, der die Wand,

Die uns von unsern Brüdern trennte,

Zerriß, und Menschen – Menschenrechte gönnte;

Der eine Anzahl Mönche, weil er fand,

Daß Psalmodiren von dem Land

Nicht, wie man einst geglaubt, den Hunger wende,[172]

Den Feind nicht schlägt, und daß der Mensch die Hände

Nicht bloß zum Essen hat, zur Mitarbeit verband;

Der's ungerecht, unmenschlich fand,

Daß Menschen, in der Sünd' empfangen,

Wie wir, dem Fluch: im Schweiß des Angesicht's ihr Brod

Zu essen, sich entzieh'n; der junger Mädchen Noth

Beherzigte, die ach! lebendig todt,

In heil'gen Kerkern mit der Menschheit rangen,

Und ihre Tage da verseufzten und versangen:

Der sie anjetzo zum würdigsten Beruf

Zurückführt, weil er weiß, daß Gott sie zwar zu Bräuten,

Doch nicht zu Bräuten seines Sohnes schuf;

Zu Joseph, der sein eigen Recht zu deuten,

Und handzuhaben weiß; der vorlängst eingeseh'n,

Daß Gottes Kirche nur vom Geist der Gläubigen

Und nicht von ihrem Säckel lebet;

Und dem kein Mißbrauch zu verjährt,

Zu heilig ist, den er nicht hebet,

Sobald er nur der Menschheit Recht entehrt.

Kurzum, mit dem, bei dessen Namen

Die ganze Menschheit einst sich neigen wird,

Mit diesem kömmt der Weise Roms zusammen.


Und nun warum? – Vielleicht ihn zu verdammen,

Weil er das nimmt, was ihm gebührt? –

Vielleicht ihn Kirchenzucht und Kanonsrecht zu lehren; –

Vielleicht ihn mit dem Schimmer seiner Heiligkeit

Wie einen Sünder zu bekehren,

Und auf der Bahne zur Unsterblichkeit

Ihm drohend in den Weg zu treten? –

Vielleicht wohl gar mit Amuleten

Ihn von dem Weg der Finsterniß zu retten? –

Vielleicht mit einer Rede, die den Geist[173]

An unsichtbaren Fesseln mit sich reißt,

Dem Festentschlossenen das Herz zu brechen,

Und ihn mit glatten Worten zu bestechen? –

Vielleicht auch, so ihn nichts erweicht,

Ihm dann unväterlich zu fluchen?

Vielleicht auch nur – ihn zu besuchen? –

O nein, von allen dem vielleicht

Ist kein's, das einem Mann, wie Pius, gleicht.


Er kömmt, er kömmt, um seinen besten Segen

Auf das, was Joseph für die Menschheit that,

Und was er thun noch wird – zu legen!

Er kömmt in uns're Kaiserstadt,

Sich über das, was Joseph that, zu freuen

Und Hand in Hand den heil'gen Bund,

In dem die Kirche stets mit ihren Schützern stund,

Mit Deutschlands Joseph zu erneuen!


Er kömmt nicht, um auf Kaisersatzungen

Sein Siegel, das in Rom nur gilt, zu drücken,

Wohl aber segnend dem die Hand zu drücken,

Der sie gemacht, und seine Gläubigen

Durch eig'nes Beispiel zu belehren,

Wie man ein Kaiserwort verehren

Und schätzen soll. Und wenn er ja

Sein Anseh'n geltend macht, so ist's gewiß nur da,

Wo kleine überschwache Seelen

Sich mit Gewissenszweifeln quälen,


Die oft, vor lauter Glauben blind,

Nicht wissen, wem es zukömmt, zu befehlen,

Und wem sie zu gehorchen schuldig sind,

Zu diesen wird er sagen: »Wißt,

Daß eu'res Fürsten Wort zu ehren,

Verdienstlicher in Gottes Augen ist,

Als wenn ihr hundertmal mir den Pantoffel küßt!

Der selbst, zu dessen heil'gen Lehren

Ihr euch bekennt, war Unterthan, und sprach:[174]

Ehrt eu'rer Fürsten Wort, und folgt mir nach!« –

Zu diesem edlen Zwecke nur

Wird er Gebrauch von jener Gabe1 machen,

Womit so überreichlich die Natur

Ihn ausgesteu'rt, – und hat er nun die Schwachen

Gestärkt, die Zweifler überführt,

Daß sein Zweck edel war, o wie zufrieden wird

Er dann – belohnt mit dem Gefühl des Weisen

Nach einer edlen That – nach Rom zurücke reisen!

Fußnoten

1 Die Gabe der Beredsamkeit, weswegen ihn die Italiener il l'ersuasore nennen.


Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 170-175.
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