[315] Grad als die Mutter, Frau Senaterin Jobsen,
Ein wenig zankte, weil sie's verdrobsen,
Daß schon wieder in selbigter Wochen
Ein Kaffeetopf entzweigebrochen –
[315] Grad als der Vater im Lehnstuhl saß
Und nach Tisch in der Zeitung las –
Vernahm man draußen ein heftiges Knallen.
Der Vater lässet die Zeitung fallen;
Und jeder eilt mit Schrecken herbei,
Zu sehn, was das für ein Lümmel sei.
Zwar erst erkannte man ihn nicht
Vor seinem dicken Bauch und Gesicht;
Dann aber war die Freude groß. –
Nur tadelnswert fand man es bloß,
Daß Kleidung sowohl wie der Stoppelbart
Nicht passend für seine geistliche Art. –[316]
Hieronymus überlegte es auch
Und tät sich bekleiden nach Standesgebrauch.
Er hatte mit klugem Vorbedacht
Bereits eine Predigt mitgebracht,
Welche ein Freund in der Musenstadt
Fleißig für ihn verfertigt hat. –
Schon am nächsten Sonntag betrat
Hieronymus die Kanzel als Kandidat.
Er sagt es klar und angenehm,
Was erstens, zweitens und drittens käm.
»Erstens, Geliebte, ist es nicht so?
Oh, die Tugend ist nirgendwo!
Zweitens, das Laster dahingegen
Übt man mit Freuden allerwegen.
[317] Wie kommt das nur? So höre ich fragen.
Oh, Geliebte, ich will es Euch sagen.
Das machet, drittens, die böse Zeit.
Man höret nicht auf die Geistlichkeit.
Wehehe denen, die dazu raten;
Sie müssen all in der Hölle braten!!
Zermalmet sie! Zermalmet sie!
Nicht eher wird es anders allhie!
[318] Aber Geduld, geliebte Freunde!
Sanftmütigkeit ziert die Gemeinde!«
Als Hieronymus geredet also,
Stieg er herab und war sehr froh.
Die Bürger haben nur grad geschaut
Und wurde ein großes Gemurmel laut:
»Diesem Jobs sein Hieronymus,
Der erregt ja Verwundernus!«[319]
Ausgewählte Ausgaben von
Bilder zur Jobsiade
|
Buchempfehlung
Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.
42 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro