Der neidische Handwerksbursch

Der neidische Handwerksbursch

[458] Das Hähnerl hier ist für den Dicken.

Der Handwerksbursch' fühlt Magenzwicken.


Der neidische Handwerksbursch

Die Zeitung ist oft int'ressant.

Ein Hähnerl nimmt man gern zur Hand.
[458]

Der neidische Handwerksbursch

Die Politik ist sehr belehrend.

Der Wohlgeruch ist manchmal störend.


Der neidische Handwerksbursch

Der Dicke schmaust, es perlt der Wein;

Der Handwerksbursch' schaut neidisch drein.


Der neidische Handwerksbursch

[459] Der Handwerksbursche unverwandt

Vertieft sich in den Gegenstand.


Der neidische Handwerksbursch

Auch das noch! – Es ist unerträglich! –

Er flötet so leger als möglich.


Der neidische Handwerksbursch

[460] Der Dicke schlürft mit viel Gefühl; –

Dem Handwerksburschen wird es schwül.


Der neidische Handwerksbursch

Er zahlt drei Kreuzer sehr verlegen,

Stolz nimmt sie der Herr Wirt entgegen.
[461]

Der neidische Handwerksbursch

Drei Taler zahlt der gnäd'ge Herr.

Da ist der Wirt schon höflicher. –


Der neidische Handwerksbursch

Die Sonne brennt, der Staub der weht,

Der Dicke fährt, der Dünne geht.
[462]

Der neidische Handwerksbursch

Der Handwerksbursche froh und frei

Ruht sanft im duft'gen Wiesenheu.


Der neidische Handwerksbursch

Der Dicke aber – »autsch! mein Bein!« –

Hat wieder heut' das Zipperlein.
[463]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 458-464.
Lizenz:

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