Sechzehntes Kapitel

[282] Es ist ein Brauch von alters her:

Wer Sorgen hat, hat auch Likör!


Sechzehntes Kapitel

»Nein!« – ruft Helene – »Aber nun

Will ich's auch ganz – und ganz – und ganz –

und ganz gewiß nicht wieder tun!«


Sechzehntes Kapitel

[282] Sie kniet von ferne fromm und frisch.

Die Flasche stehet auf dem Tisch.


Sechzehntes Kapitel

Es läßt sich knien auch ohne Pult.

Die Flasche wartet mit Geduld.


Sechzehntes Kapitel

Man liest nicht gerne weit vom Licht.

Die Flasche glänzt und rührt sich nicht.
[283]

Sechzehntes Kapitel

Oft liest man mehr als wie genug.

Die Flasche ist kein Liederbuch.


Sechzehntes Kapitel

Gefährlich ist des Freundes Nähe.

O Lene, Lene! Wehe, Wehe!
[284]

Sechzehntes Kapitel

O sieh! – Im sel'gen Nachtgewande

Erscheint die jüngstverstorb'ne Tante.
[285]

Sechzehntes Kapitel

Mit geisterhaftem Schmerzgetöne –

»Helene!« – ruft sie – »Oh, Helene!!!«


Sechzehntes Kapitel

Umsonst! – Es fällt die Lampe um,

Gefüllt mit dem Petroleum.
[286]

Sechzehntes Kapitel

Und hilflos und mit Angstgewimmer

Verkohlt dies fromme Frauenzimmer.


Sechzehntes Kapitel

Hier sieht man ihre Trümmer rauchen.

Der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen.[287]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 282-288.
Lizenz:
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