|
[282] Es ist ein Brauch von alters her:
Wer Sorgen hat, hat auch Likör!
»Nein!« – ruft Helene – »Aber nun
Will ich's auch ganz – und ganz – und ganz –
und ganz gewiß nicht wieder tun!«
[282] Sie kniet von ferne fromm und frisch.
Die Flasche stehet auf dem Tisch.
Es läßt sich knien auch ohne Pult.
Die Flasche wartet mit Geduld.
Man liest nicht gerne weit vom Licht.
Die Flasche glänzt und rührt sich nicht.
[283]
Oft liest man mehr als wie genug.
Die Flasche ist kein Liederbuch.
Gefährlich ist des Freundes Nähe.
O Lene, Lene! Wehe, Wehe!
[284]
O sieh! – Im sel'gen Nachtgewande
Erscheint die jüngstverstorb'ne Tante.
[285]
Mit geisterhaftem Schmerzgetöne –
»Helene!« – ruft sie – »Oh, Helene!!!«
Umsonst! – Es fällt die Lampe um,
Gefüllt mit dem Petroleum.
[286]
Und hilflos und mit Angstgewimmer
Verkohlt dies fromme Frauenzimmer.
Hier sieht man ihre Trümmer rauchen.
Der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen.[287]
Ausgewählte Ausgaben von
Die Fromme Helene
|
Buchempfehlung
Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro