Zwölftes Kapitel

[265] Hoch von gnadenreicher Stelle

Winkt die Schenke und Kapelle. –

Aus dem Tale zu der Höhe,

In dem seligen Gedränge

Andachtsvoller Christenmenge

Fühlt man froh des andern Nähe;

Denn hervor aus Herz und Munde,

Aus der Seele tiefstem Grunde

Haucht sich warm und innig an

Pilgerin und Pilgersmann. –

Hier vor allen, schuhbestaubt,

Warm ums Herze, warm ums Haupt,

Oft erprobt in ernster Kraft,

Schreitet die Erzgebruderschaft. –

Itzo kommt die Jungferngilde,

Auf den Lippen Harmonie,

In dem Busen Engelsmilde,

In der Hand das Paraplü. –

O wie lieblich tönt der Chor! –

Bruder Jochen betet vor. –

Aber dort im Sonnenscheine

Geht Helene traurig-heiter,

Sozusagen, ganz alleine,

Denn ihr einziger Begleiter,

Stillverklärt im Sonnenglanz,

Ist der gute Vetter Franz,

Den seit kurzem die Bekannten

Nur den »heil'gen« Franz benannten. –


Zwölftes Kapitel

[265] Traulich wallen sie zu zweit

Als zwei fromme Pilgersleut.


Gott sei Dank, jetzt ist man oben!

Und mit Preisen und mit Loben

Und mit Eifer und Bedacht

Wird das Nötige vollbracht.


Freudig eilt man nun zur Schenke,

Freudig greift man zum Getränke,

Welches schon seit langer Zeit


In des Klosters Einsamkeit

Ernstbesonnen, stillvertraut,

Bruder Jakob öfters braut.


Zwölftes Kapitel

Hierbei schau'n sich innig an

Pilgerin und Pilgersmann.[266]

Endlich nach des Tages Schwüle

Naht die sanfte Abendkühle.

In dem gold'nen Mondenscheine

Geht Helene froh und heiter,

Sozusagen, ganz alleine,

Denn ihr einziger Begleiter,

Stillverklärt im Mondesglanz,

Ist der heil'ge Vetter Franz.

Traulich zieh'n sie heim zu zweit

Als zwei gute Pilgersleut. –

Doch die Erzgebruderschaft

Nebst den Jungfern tugendhaft,

Die sich etwas sehr verspätet,

Kommen jetzt erst angebetet.

O wie lieblich tönt der Chor!

Bruder Jochen betet vor.


Schau, da kommt von ungefähr

Eine Droschke noch daher. –


Zwölftes Kapitel

Er, der diese Droschke fuhr,

Frech und ruchlos von Natur,

Heimlich denkend: papperlapp!

Tuet seinen Hut nicht ab. –[267]

Weh! Schon schau'n ihn grollend an

Pilgerin und Pilgersmann. –

Zwar der Kutscher sucht mit Klappen

Anzuspornen seinen Rappen,

Aber Jochen schiebt die lange

Jungfernbundesfahnenstange

Durch die Hinterräder quer –


Zwölftes Kapitel

Schrupp! – und 's Fuhrwerk geht nicht mehr. –


Zwölftes Kapitel

Bei den Beinen, bei dem Rocke

Zieht man ihn von seinem Bocke.


Zwölftes Kapitel

[268] Jungfer Nanni mit der Krücke

Stößt ihn häufig ins Genicke.

Aber Jungfer Adelheid

Treibt die Sache gar zu weit,


Zwölftes Kapitel

Denn sie sticht in Kampfeshitze

Mit des Schirmes scharfer Spitze,[269]

Und vor Schaden schützt ihn bloß

Seine warme Lederhos'. –


Zwölftes Kapitel

Drauf so schau'n sich fröhlich an

Pilgerin und Pilgersmann. –

Fern verklingt der Jungfernchor,

Bruder Jochen betet vor. –

Doch der böse Kutscher, dem


Zwölftes Kapitel

Alles dieses nicht genehm,

Meldet eilig die Geschichte

Bei dem hohen Stadtgerichte.

Dieses ladet baldigst vor

Jochen und den Jungfernchor.


Und das Urteil wird gesprochen:

Bruder Jochen kriegt drei Wochen,

Aber Jungf- und Bruderschaften

Sollen für die Kosten haften. –


Zwölftes Kapitel

[270] Ach! da schau'n sich traurig an

Pilgerin und Pilgersmann.


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 265-271.
Lizenz:
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