[118] Knopp ist etwas schwach im Schenkel,
Drum so führt man ihn am Henkel.
Glücklich hat es sich getroffen,
Daß das Küchenfenster offen.
[118]
Man erhebt ihn allgemach
Und dann schiebt man etwas nach.
Düster ist der Küchenraum.
[119]
Platsch! Man fällt und sieht es kaum.
[120] Ratsam ist es nachzuspähen,
Wo die Schwefelhölzer stehen.
Kracks! Da stößt das Nasenbein
Auf den offnen Küchenschrein.
[121]
Peinlich ist ihm das Gefühl;
Aber er verfolgt sein Ziel.
Oha! – Wieder geht er irr.
Dieses ist das Milchgeschirr.
[122] Dies dagegen ist die volle
Sanftgeschmeidge Butterstolle.
[123] Doch hier hinten in der Ecke
Kommt er jetzt zu seinem Zwecke.
Autsch! – Er schreit mit lautem Schalle
Und sitzt in der Mausefalle.
[124] Jetzo kommt ihm der Gedanke,
Nachzuspüren auf dem Schranke.
Ach! Vom Kopfe bis zum Fuß
Rinnt das gute Zwetschenmus.
[125] Doch zugleich mit dieser Schwärze
Kriegt er Feuerzeug und Kerze.
Freilich muß er häufig streichen,
Ohne etwas zu erreichen.
[128] Aber endlich und zuletzt
Hat er's richtig durchgesetzt.
Jetzt zur Ruh sich zu begeben,
Ist sein sehnlichstes Bestreben.
[129]
Hier ist nun die Kammertür.
Ach, man schob den Riegel für.
[130] Demnach muß er sieh bequemen,
Auf der Schwelle Platz zu nehmen.
So ruht Knopp nach alledem
Fest, doch etwas unbequem.
[131]
Buchempfehlung
Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.
310 Seiten, 17.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro