|
[197] Liebe – sagt man schön und richtig
Ist ein Ding, was äußerst wichtig.
Nicht nur zieht man in Betracht,
Was man selber damit macht,
Nein, man ist in solchen Sachen
Auch gespannt, was andre machen. –
Allgemein von Mund zu Munde
Geht die ahnungsvolle Kunde,
Sozusagen ein Gemunkel,
Daß im Garten, wenn es dunkel,
Julchen Knopp mit Försters Fritze
Heimlich wandle oder sitze. –
Diese Sage hat vor allen
Drei Personen sehr mißfallen,
Die sich leider ganz entzweit
Durch die Eifersüchtigkeit.[197]
Jeder hat sich vorgenommen:
Ei, da muß ich hinter kommen.
Hier schleicht Sutitt schlau heraus
Zu Herrn Knoppens Gartenhaus,
Wo das Gartenbaugerät
Wohlverwahrt und trocken steht.
Husch! Er schlüpft in das Sallett,
Denn es naht sich Mickefett.
[198] Husch! Der zögert auch nicht viel,
Denn es naht sich Klingebiel.
Husch! Auch der drückt sich hinein,
Denn hier naht im Mondenschein,
Wie wohl zu vermuten war,
Das bewußte Liebespaar.
[199]
O wie peinlich muß es sein,
Wenn man so als Feind zu drein
Engbedrückt zusammensitzt
Und vor Zorn im Dunkeln schwitzt!
Siehste wohl! Da geht es plötzlich
Rumpelpumpel, ganz entsetzlich.
Alles Gartenutensil
Mischt sich in das Kampfgewühl;
[200]
Und, rabum! zum Überfluß
Löst sich laut der Flintenschuß.
Husch! Da schlupfen voller Schreck
Fritz und Julchen ins Versteck;
Denn schon zeigt sich in der Ferne
Vater Knopp mit der Laterne.
[201]
Knipp, der Hund, kratzt an der Tür.
Knopp der denkt: »Was hat er hier?«
Starr und staunend bleibt er stehn
Mit dem Ruf: »Was muß ich sehn??«
Dann mit Fassung in den Zügen
Spricht er: »Na, Ihr könnt Euch kriegen!!«
[202]
Jetzt kommt Mutter, jetzt kommt Tante,
Beide schon im Nachtgewande.
Oh, das war mal eine schöne
Rührende Familienszene!!! –
Ausgewählte Ausgaben von
Julchen
|
Buchempfehlung
Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«
74 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro