Sechstes Kapitel

Sechstes Kapitel

[118] In selber Stadt ernährte sich

Ganz gut ein Dr. Hinterstich

Durch Kunstberichte von Bedeutung

In der von ihm besorgten Zeitung,

Was manchem das Geschäft verdirbt,

Der mit der Kunst sein Brot erwirbt.[118]

Dies Blatt hat Klecksel mit Behagen

Von jeher eifrig aufgeschlagen.

Auch heute hält er's in der Hand

Und ist auf den Erfolg gespannt.


Sechstes Kapitel

Wie düster wird sein Blick umnebelt!

Wie hat ihn Hinterstich vermöbelt!


Sechstes Kapitel

Sogleich in eigener Person

Fort stürmt er auf die Redaktion.

Des Autors Physiognomie

Bedroht er mit dem Paraplü.
[119]

Sechstes Kapitel

Der Kritikus, in Zornekstase,

Spießt mit der Feder Kunos Nase;


Sechstes Kapitel

Ein Stich, der um so mehr verletzt,

Weil auch zugleich die Tinte ätzt.
[120]

Sechstes Kapitel

Stracks wird der Regenschirm zur Lanze.


Sechstes Kapitel

Flugs dient der Tisch als eine Schanze.
[121]

Sechstes Kapitel

Vergeblich ist ein hoher Stoß;


Sechstes Kapitel

Auch bleibt ein tiefer wirkungslos.
[122]

Sechstes Kapitel

Jetzt greift der Kritikus voll Haß

Als Wurfgeschoß zum Tintenfaß.

Jedoch der Schaden bleibt gering,

Weil ihn das Paraplü empfing.


Sechstes Kapitel

Der Kritikus braucht eine Finte.
[123]

Sechstes Kapitel

Er zieht den Kuno durch die Tinte.


Sechstes Kapitel

Der Tisch fällt um. Höchst penetrant

Wirkt auf das Augenlicht der Sand.
[124]

Sechstes Kapitel

Indessen zieht der Kuno aber

Den Bleistift Numro 5 von Faber;


Sechstes Kapitel

Und Hinterstich, der sehr rumort,

Wird mehrfach peinlich angebohrt.
[125]

Sechstes Kapitel

Der Kuno, seines Sieges froh,

Verläßt das Redaktionsbureau.


Ein rechter Maler, klug und fleißig,

Trägt stets 'n spitzen Bleistift bei sich.


Nach diesem beherzigenswerten Vermerke

Fahren wir fort im löblichen Werke.
[126]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 4, Hamburg 1959, S. 118-127.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Maler Klecksel
Balduin Bählamm / Maler Klecksel
Maler Klecksel
Maler Klecksel

Buchempfehlung

Weiße, Christian Felix

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Brüder Atreus und Thyest töten ihren Halbbruder Chrysippos und lassen im Streit um den Thron von Mykene keine Intrige aus. Weißes Trauerspiel aus der griechischen Mythologie ist 1765 neben der Tragödie »Die Befreiung von Theben« das erste deutschsprachige Drama in fünfhebigen Jamben.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon