Siebentes Kapitel

Siebentes Kapitel

[499] Seht, da sitzen Plisch und Plum

Voll Verdruß und machen brumm!

Denn zwei Ketten, gar nicht lang,

Hemmen ihren Tatendrang.


Siebentes Kapitel

Und auch Fittig hat Beschwerden.

»Dies« – denkt er – »muß anders werden!

Tugend will ermuntert sein,

Bosheit kann man schon allein!«[499]

Daher sitzen Paul und Peter

Jetzt vor Bokelmanns Katheder;

Und Magister Bokelmann

Hub, wie folgt, zu reden an:


Siebentes Kapitel

»Geliebte Knaben, ich bin erfreut,

Daß ihr nunmehro gekommen seid,

Um, wie ich hoffe, mit allen Kräften

Augen und Ohren auf mich zu heften. –

Zum ersten: Lasset uns fleißig betreiben

Lesen, Kopf-, Tafelrechnen und Schreiben,

Alldieweil der Mensch durch sotane Künste

Zu Ehren gelanget und Brotgewinnste.[500]

Zum zweiten: Was würde das aber besagen

Ohne ein höfliches Wohlbetragen;

Denn wer nicht höflich nach allen Seiten,

Hat doch nur lauter Verdrießlichkeiten.

Darum zum Schlusse – denn sehet, so bin ich –,

Bitt ich euch dringend, inständigst und innig,


Siebentes Kapitel

Habt ihr beschlossen in eurem Gemüte,

Meiner Lehre zu folgen in aller Güte,

So reichet die Hände und blicket mich an

Und sprechet: Jawohl, Herr Bokelmann!«
[501]

Siebentes Kapitel

Paul und Peter denken froh:

»Alter Junge, bist du so??«

Keine Antwort geben sie,

Sondern machen bloß hihi!

Worauf er, der leise pfiff,

Wiederum das Wort ergriff.[502]

»Dieweil ihr denn gesonnen« – so spricht er –

»Euch zu verhärten als Bösewichter,

So bin ich gesonnen, euch dahingegen

Allhier mal über das Pult zu legen,

Um solchermaßen mit einigen Streichen

Die harten Gemüter euch zu erweichen.«


Siebentes Kapitel

Flugs hervor aus seinem Kleide,

Wie den Säbel aus der Scheide,
[503]

Siebentes Kapitel

Zieht er seine harte, gute,

Schlanke, schwanke Haselrute,

Faßt mit kund'ger Hand im Nacken

Paul und Peter bei den Jacken

Und verklopft sie so vereint,

Bis es ihm genügend scheint.
[504]

Siebentes Kapitel

»Nunmehr« – so sprach er in guter Ruh –

»Meine lieben Knaben, was sagt ihr dazu??

Seid ihr zufrieden und sind wir einig??«

»Jawohl, Herr Bokelmann!« riefen sie schleunig.
[505]

Siebentes Kapitel

Dies ist Bokelmanns Manier.

Daß sie gut, das sehen wir.

Jeder sagte, jeder fand:

»Paul und Peter sind scharmant!!«


Siebentes Kapitel

Aber auch für Plisch und Plum

Nahte sich das Studium

Und die nötige Dressur,

Ganz wie Bokelmann verfuhr.

Siebentes Kapitel

[506] Bald sind beide kunstgeübt,

Daher allgemein beliebt,

Und, wie das mit Recht geschieht,

Auf die Kunst folgt der Profit.
[507]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 499-508.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Plisch und Plum
Hans Huckebein /Fipps der Affe /Plisch und Plum
Plisch und Plum in deutschen Dialekten
Plisch und Plum. Eine Bildergeschichte
Plisch und Plum in 40 deutschen Mundarten
Wilhelm Busch: Heitere Geschichten: Max und Moritz, Hans Huckebein, Plisch und Plum

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon