[Dv Menschen-Kind, erschrick]

Dv Menschen-Kind, erschrick

Vnd wach all' Augenblick,

Laß sichre Leute schertzen,

Horch du in deinem Hertzen

Was deine Glocke schlägt,

Dein Puls der sich bewegt,

Ob auch sein letzter Schlag

Dir deinen Jüngsten Tag,

Den Lebens-Abend, trägt.


Betreug dich selber nicht,

Dein jüngstes Halß-Gericht

Wird dann nicht erst ergehen,

Wann wir gesampt erstehen,

Wann selbst der Sonnen Tracht

Der Königreiche Pracht,

Lufft, Himmel, Erd vnd Fluth

Durch die gemeine Glut

Zu Rauch' wird seyn gemacht.


Wir sind vns selbst die Welt,

Wenn vnsre Hütte fällt

Vnd wil nun in der Erden

Zu Staub vnd Asche werden,

Stracks wird vns vnser Lohn,

Den tragen wir davon

Von jenem Richter-Stul

Dort der der Hellen Pful,

Der hie die Himmels-Krohn'.


Ergetzt dich nun voraus

Der ewign Frewden Haus,

Der Seelen wahres Leben,

Hier mustu darnach streben

Durch stete Rew vnd Buss'

Vnd durch der Thränen Fluß,

Must durch des Glaubens Macht

Die Welt sampt jhrem Pracht

Thun vnter deinen Fuß.


Zeuchst du der Hellen Qual

Weit vor dem Himmels-Saal,

So laß dich immer finden

Im Grewel deiner Sünden:

Wiß aber, daß dein Leid

Nicht wehrt nur kurtze Zeit,

O nein, der Flammen Sturm

Vnd dein Gewissens-Wurm

Stirbt nicht in Ewigkeit.


Zehntausent Jahr ist viel,

Doch haben sie ein Ziel,

Ob hunderttausent wären,

Die Zeit kan sie verzehren,

Die Ewigkeit allein

Vnd jhrer Flammen Pein,

Der hier ich umb vnd an

Kein Ding vergleichen kan,

Wird gar ohn Ende seyn.


Schlag hie mich fort vnd fort,

Nur schone meiner dort,

O Jesu, Trost der Schwachen,

Hilff meiner bösen Sachen,

Schick Trübsal mancherley

Vnd nur Gedult dabey,

Mach aber, meine Zier,

Daß ich darnach bey dir

In ewign Frewden sey.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 383-384,390.
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