Bittere Klage vber des weiland GrosAchtbaren, Hochgelarten vnd Weitberühmten H. Robert Roberthins, Churfl. Brandenb. Preussischen Ober- vnd Regiments-Secretary Meines, nechst Gott, hertzliebsten vnd getrewesten Freundes vnd hohen Gutthäters Vnverhofftem vnd recht hochbetrübtem aber seligem Hintritt aus dieser Welt, aus wehmütigem Hertzen vnd schuldigster Trew geführet von mir

[207] Simon Dachen


1648. 10. Ostermonats-Tag.


Ad pios manes Defuncti.

Si mihi non tanto sociatus amore fuisses,

Carmine te flerem fortè, Roberte, bono.

Sed cum non Pylades ita fidum adamârit Orestem,

Et fuerit Thesêi major amore Tuus.

Me jactura tui nimio necat atra dolore,

Atque Tuis meritis scribere digna vetat.

Nunc, o Dive, Tibi muta pietate litamus,

Et bruti gemitus carminis instar erunt.


Andern hab ich bis anher

Die sich fanden in Beschwer,

Können Trost ertheilen,

Wer wird mir in dieser Noht,

Da mein liebster Freund mir todt,

Meine Wunden heilen?


O der Mann nach meinem Sinn

Roberthin mein Trost ist hin,

Der, in dessen Leben

Meines sich befand, mein Raht,

Meine Rhue vnd Zuflucht hat

Gutte Nacht gegeben.


Niemand fodder' itzt von mir

Etwas von belebter Zier,

Ach ich kan nicht geigen,

Der mein Phoebus vormals war

Liegt im Sarg und auff der Bahr,

Vnd heisst nun mich schweigen.


Allen Seiten bin ich feind

Ohn die etwa mit mir weint,

Was ich erst zu küssen

Vnd sehr hoch zu halten pflag

Was mir wie im Hertzen lag,

Stohss' ich jetzt mit Füssen.
[207]

Selbs mein grüner Helicon

Ist mir jetzund Gram und Hohn,

Wild von Dorn- vnd Hecken,

Wird von Grauen stets bewahrt,

Ist ein Platz da aller art

Schlangen sich verstecken;


Ist ein Ort den ich verflucht,

Wer darinnen Quellen sucht,

Suchet Milch zu saugen

Aus dem Felsen und dem Stal,

Ohn das Wasser, so für Qual

Rinnt aus meinen Augen.


Ist wer unter vns betrübt

Vber dem, so er geliebt,

Kommt ich helff euch weinen,

Witwen, Waisen, und was mehr

Klaget aus der massen sehr

Den Verlust der Seinen.


Sonderlich wo in der Welt

Sich ein Theseus noch enthält

Der sich zwar verschworen

Dein zu seyn, Pirithous,

Aber dein entrahten mus,

Weil er dich verlohren.


Komm du Pilades Geschlecht,

Sag sind meine Thränen recht

Trew und auserlesen?

Giebt der Nachtwelt dan Bescheid,

Daß ein Paar auch dieser Zeit

Sey, was du, gewesen.


O was heb ich immer an!

Zwar ich sol dem thewren Mann

Jetzt ein Denckmal stellen,

Welches wan es vmb mich wer

Hat verdient, so ist es Er,

Vnd in tausent Fällen.


Aber meine Krafft ist fort,

Ich vermag schier nicht ein Wort,

So was taug, zu fassen,

Bin als dem Verstand gebricht,

Was zu thun sey weis ich nicht,

Noch was sey zu lassen.


Sein Verdienst hergegen steht

Vber MenschenWitz erhöht,

Tullius mag sprechen

Was selbst Rom bestürtzet macht,

Hie wird es an Redens Pracht

Warlich ihm gebrechen.


Maro, Claudian, Papihn

Werden hie den kürtzern ziehn.

Würden sie nicht sagen,

Lebten sie nur, ihre Zeit

Hätt in solcher Fertigheit

Keinen Mann getragen?


Was für Leut ich je gekant,

Welche Weisheit vnd Verstandt

Billig mus erheben,

War dem dieß, dem das allein,

Keinem aber in gemein

Alles fast gegeben.


Der ist reich von Wissenschafft,

Doch im Leben tadelhafft,

Der wird feig befunden,

Der hat keiner Sprachen Gunst,

Hier nur hatte sich mit Kunst

Alles schier verbunden.


War sein Vrtheil oder Witz

Nicht viel schneller als der Blitz,

Den das Wetter schicket,

Als der alles stracks begrieff,

War es noch so schwer vnd tieff

Was er nur erblicket.


Worauff mancher sich bedenckt

Vnd in tausent wegen kränckt,

Kuntt er stracks ergründen,

Vnd in Sachen, wie sie seyn,

Stracks ohn Arbeit, Sorg vnd Pein

Einen Ausschlag finden.


Welches Buch war jhm nicht kunt

Durch vnd durch bis auff den Grundt?

Was ich möchte lesen,

Was ich nachschlug mit Begier,

Merckt' ich daß er längst vor mir

War daselbst gewesen
[208]

Vnd in allen Künsten zwar,

Darumb wir zu jhm auch gar

Als zur Schulen kamen,

Vnd in der vnd jener Sach,

Als uns Wissenschafft gebrach,

Lehre von ihm nahmen.


Darumb führt umb Ihn Geschrey

Musica, Poëterey,

Redkunst vnd dergleichen,

Ja es trägt ohn Vnterscheid

Auch das Handwerk vmb Ihn Leid

Daß er mus verbleichen.


Bleibt der Herr- und Fürsten-Standt

Hie auch billig unbenant,

Welchem er für allen

Wegen seiner Gaben Schar,

Die nicht aus zu sprechen war,

Allzeit wollgefallen?


Das Hoch Edle Hof-Gericht

Schweiget, weis ich, seiner nicht,

Wird jhn hoch beklagen,

Vnd der Fürstlich Ober-Rath

Der jhn wol geprüfet hat,

Selbs Leid umb Ihn tragen.


Ja der Graff von Schwartzenbergk

Hat an seiner Tugend-Werck'

Offtmals sich ergetzet,

Was? selbs vnser Haupt vnd Liecht,

Friedrich Wilhelm, hat Ihn nicht

Für gemein geschätzet.


Vnd wo bleibt so mancher Mann

Den ich jetzt nicht nennen kan

Hier im gantzen Lande?

Denn wer jrgends von Ihm wust'

Hatte zu Ihm Lieb vnd Lust,

Auch aus jedem Stande.


Sol ich Deutschland lassen stehn?

Engelland fürüber gehn?

Nichts von Frankreich melden?

Nichts von Welschland, da die Kunst

Ihn verknüpfft durch Lieb vnd Gunst

Manchem wehrten Helden?


Dennemarck und Schweden nährt

Leute die Ihn hoh und wehrt

Vnd erkohren halten,

Vnd ohn zweiffel vberall,

Wenn si hören diesen Fall,

Schreckens-voll erkalten.


Denn nicht aus zu sagen ist,

Wie er eilends ward erkiest

Wenn man Ihn nur hörte,

Stracks gewann er aller Hertz,

Massen er durch Ernst und Schertz

Allzeit etwas lehrte.


O wie war doch seine Lust

Zu beförtern, wie er wust,

Alle Kunst vnd Tugend,

Trew vnd fleiß ward nicht gespart,

Merckt er was von gutter Art

In der lieben Jugend.


Mit was tieffer Niedrigheit

Pflag er Gottes jederzeit

Bey mir zu erwehnen,

Da es jhm im Hertzen nicht

Hat an Andacht, im Gesicht

Nicht gefehlt an Thränen.


Sonst kam List und Heucheley

Gantz nicht seinem Hertzen bey,

Das nur Warheit liebte,

Vnd mit wolbedachtem Rath

Alle Sachen die er that

Frey vnd frewdig übte.


Soll ich seine reiche Handt

Die er hat an mich gewandt

Auch denn nicht erzehlen?

Nein, ich sorg', es werde mir

An vermögen, zeit, Papier

Vnd an Worten fehlen.


Vnd wer weis vorhin nicht schon

Auch im gantzen Land' hievon?

Von so vielen Jahren

Hatt es wol, nach meinem Wahn,

Was er stets bey mir gethan,

Auch ein Kind erfahren.
[209]

Vber das so häufft die Zahl

Seiner Gutthat meine Qual,

Nichts kan ich ermässen,

Stracks fällt sein Gesicht mir ein,

Stehend pflag er so zu seyn,

So ist er gesessen.


Fraw, du sonst ein Tugend-Schild,

Jetzt ein wahres Trübniß-Bild,

Groß ist zwar dein Leiden,

Aber heisch nicht Trost von mir,

Denn ich weis mich selber hier

Mein nicht zu bescheiden.


Halt es diesmal mir zu gut.

Schaw wie meiner Thränen Flut,

So ich allzeit treibe,

Mit der Tinten sich vermischt,

Vnd mir von der Taffel wischt

Alles was ich schreibe.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 207-210.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gedichte. Ausgabe 1892

Gedichte. Ausgabe 1892

Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.

200 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon