Alles in Dir

[58] In Dir, o Mensch, ist alles:

In Dir ist der Schlaf und das Wache:

In Dir ist die Zeit.

Und ohne Dich ist keine Zeit.

In Dir ist die Zeit

Und die Fülle der Zeit:

Der qualmende Dampfer,

Die rollende Bahn,

Der eiserne Lärm

Und das Schweigen des Domes.

Der Stein und der Mörtel:

Das Haus und die Stadt.

In Dir ist die Fülle

Des zeitlichen Werkes.


In Dir, o Mensch, ist alles:

Die mordende Hand

Und das Künstler-Gehirn, –

Das ruchlose, stinkende Wort

Und das schwellende, schwebende Lied.

Die Liebe um Liebe:

Die Liebe der männlichen Stärke

Zu weiblicher Weichheit.

Und trübe verzehrende Liebe

Der Gleichen zu Gleichem.[59]

Ist Beides in Dir:

Der Gott und das Böse.


In Dir, o Mensch, ist Alles:

Das trinkende Ohr

Und der Antworten speiende Mund.

Der nehmende Mund

Und der scheidende Darm –

Der bohrende Keim

Und der schwellende Schoß:

Der aufsaugende Anfang,

Das ausbrechende Sein.

Ist Beides in Dir:

Der schäumende Anfang,

Das reifende Ende,

Das Ende,

Das wieder nur Anfang,

Ist Alles, o Alles in Dir!


Quelle:
Gerrit Engelke: Rhythmus des neuen Europa, Jena 1921, S. 58-60.
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