Die Regeninsel

[71] Aus eines fernen Ozeans grauen Wassern,

Die nie ein Sturm aus ihrer Ruhe rüttelt,

Ragt unter schwerem, ewig trübem Himmel

In flachem Anstieg eine stille Insel.

So lang des Meeres schläfrig träge Wellen

Mit schmutzig gelbem Schaum den Strand umkränzen,

Seit tausenden von Jahren, rieselt endlos[71]

Derselbe sanfte Regen aus den Wolken

Und näßt den Boden, dessen üppige Wildnis

Die Feuchte trinkt mit immer durstigem Mund.

Und ewig plauscht und plantscht und plitscht und platscht es.


Eintönig, rhythmenlos, tropfts von den Zweigen,

Gluckst seufzend von den Ranken, fällt von Halmen

Wie Tränen ab und klatscht in tausend Tümpel,

Lehmfarbige Lachen, und verspritzt, zerstäubt.


Baumriesen, deren nasse, blanke Äste

Schlammfransen schmücken, als ob gestern erst

Die Insel aus den Fluten sich erhoben,

Beschatten mächtige Farrenwedelwälder

Und dicke, fleischige, tellerförmige Blätter

Von Sumpfgewächsen rings und hochgestielte

Farblose Blumen, die in schwammigen Kelchen

Den Regen fangen, der in feinen Bächen

Der schwanken Becken Ränder überrinnt,

Und ewig plauscht und plantscht und plitscht und platscht es.


Fremdartige Vögel horsten auf den Bäumen

Mit fettigem, ölglänzendem Gefieder

Und schwarzem, abgestumpftem Entenschnabel.

Aus lehmiger Erde bauen sie die Nester

Den schlick- und schlammumhüllten Waldkolossen

In ihre breiten Arme. Klagend klingen,

Gebrochen, schrill, die wunderlichen Rufe

Der großen grauen Tiere, die mit leisem,

Fast regungslosem Flug die weite Öde

Der See bestreichen und nach Fischen fahnden.


Seltsame, stumme Stelzenvögel jagen

Im Sumpf nach feisten, plumpen Riesenfröschen,

Und fabelhafte Wesen, halb der Otter,

Halb einem Eichhorn gleich, mit Flatterflügeln

Wie eine Fledermaus, nur größer, führen

Ein wunderliches, drolliges Doppelleben,

Halb Vogel und halb Fisch, in all dem Naß.

Und ewig plauscht und plantscht und plitscht und platscht es.[72]


Doch märchenhafter noch als diese Tiere

Sind hier die Menschen. Klein, breitmäulig, schielend,

Mit Karpfenaugen unter wulstigen Lidern,

Und fischgeschwänzt, Schwimmhäute an den Händen,

So liegen sie, aus ihren Bieberhütten

Hervorgekrochen, paarweis und in Rudeln,

Gleich Robben rings am Strande auf den Bäuchen,

Siesta haltend in den Mittagstunden

Und schläfrig grinsend, wenn mit lautem Klatschen

Ein Fisch sich aus den kaum bewegten Fluten

Des müden Meeres in den Regen schnellt.


Und ewig plauscht und plantscht und plitscht und platscht es

Aus grauem Himmel auf die tranigen Leiber

Der Robbenmenschen, rollt in runden Perlen,

In kleinen Kügelchen herab und löst sich

In Tropfen, zitternd, zögernd, von den breiten,

Ein wenig aufgestülpten Nasen ab.


Ein tiefes Schnarchen knurrt am Ufer hin.

Und manchmal lacht ein leises, fettes Kichern

Wie hinter vorgehaltenen Händen auf,

Wenn hinterrücks so ein geschwänzter Schäker

Mit langem, spitzem Schilf ein Mädchen kitzelt,

Das nur so tut, der Schelm, als ob es schläft.


Quelle:
Gustav Falke: Ausgewählte Gedichte. Hamburg 1908, S. 71-73.
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